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Seite:Die Gartenlaube (1886) 601.jpg

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verschiedene: Die Gartenlaube (1886)

bei ihm besonders ausgeprägt, und nicht selten liegt der Mörder schon mitten unter dem hingeschlachteten Geflügel zusammengekugelt im Schlafe.

Auch sein Verwandter, der Baum- oder Edelmarder versteht es, mit Gewandtheit und Schlauheit die Vögel des Waldes zu beschleichen, wie dies durch unsere Illustration S. 600 in lebenstreuer Weise wiedergegeben wird. Charakteristisch und von ungemeiner Lebendigkeit ist aber vor allem die Todesjagd dieses Räubers, in welcher er dem Eichhörnchen nachstellt. Wir waren Zeugen dieses oft eine halbe Stunde und länger anwährenden Jagens. Von Baum zu Baum, hier ringelförmig an Stämmen hinauf bis zu den äußersten Aesten und aufwärts in die Wipfel, über diese hinaus und an den Aesten und Stämmen wieder hinab; dort von schwindelnder Höhe in verzweifelten Sätzen oder im Stürzen abwärts von Ast zu Ast bis zur Erde flieht das geängstete Eichhörnchen, gefolgt von dem drängenden Feinde, der anfangs zwar zurückbleibt, dessen ungeheuer ausdauernde Kraft und vorzügliche Sinne ihm aber schließlich den Sieg verschaffen. Wenn auch das gejagte Thier, sichtlich ermattet, sich im Dämmer des Geästes in ein Versteck drückt, Auge oder Nase des Marders spüren es bald aus, und der Rüstige, Nimmermüde erhascht es schließlich in einem gewaltigen Satze. Wie das Eichhorn, so unterliegen auch Rehkitzchen und selbst Schmal- und Altrehe dem mörderischen „Risse“ (Bisse) des Edelmarders. Die tapferste Rehmutter kann dem vom Marder angefallenen Kitzchen nicht beistehen, denn die einzigen Waffen der alten Rehgeis sind ihre Vorderläufe, die sie auf den Feind nicht schnellen kann, ohne mit dem festeingebissenem Raubthier zugleich ihren Liebling zu treffen.

(Schluß folgt.) 


In der Ausstellung zu Augsburg.

Mit Illustrationen von R. Püttner.

Das Hauptgebäude der Ausstellung zu Augsburg.

In dem Kranze freier Reichsstädte leuchtete Augsburg jahrhundertelang als einer der kostbarsten Edelsteine. Weit und breit war der Reichthum seiner stolzen Patriciergeschlechter gepriesen, um deren schöne Töchter selbst Fürsten freiten. Nach der fernen Levante und nach dem noch entlegeneren Venezuela reichten die Handelsverbindungen und Kolonialunternehmungen der rührigen Kaufherren. Die Fugger und die Welser waren ja Söhne Augsburgs. Die Kunst blühte nicht minder in den schützenden Mauern der Stadt. Berühmte Maler, Holzschneider und Buchdrucker fanden hier ein glückliches Heim, und die Goldschmiede und „Harnäschmacher“ Augsburgs zählten in ihren Reihen Meister ersten Ranges.

Die Zeiten sind anders geworden. Augsburg liegt nicht mehr an einer der wichtigsten Handelsstraßen, welche den Norden mit dem Süden verbanden. Damit ist manche Quelle des Reichthums versiegt, aber trotzdem waltet noch immer in den alterthümlichen Häusern der schaffensfreudige und rührige Geist, und Augsburg blüht und gedeiht auch heute wie nur wenige Städte unseres Vaterlandes.

Kaffeehaus und Pavillon am See.

„Die schwäbische Kreis- Industrie-, Gewerbe- und kunsthistorische Ausstellung“, welche seit dem 15. Mai Tausende Neugieriger nach der Augusta Vindelicorum lockt, giebt den glänzendsten Beweis dafür. Eine Ausstellung, an welcher sich nur der Kreis Schwaben mit seiner Hauptstadt Augsburg betheiligt – und welche Fülle hervorragender Leistungen finden wir hier vereinigt! Erzeugnisse der Baumwoll-Spinnerei und -Weberei fesseln unser Auge neben trefflichsten Leinwandstücken; dort reihen sich Buchdruck-Schnellpressen an einander; neben ihnen landwirthschaftliche Geräthe und Maschinen zum Brauereibetrieb, Möbel, Wagen und Reiserequisiten, Seifen, Schnupftabake und selbst Zündhölzchen! So mannigfaltig sind die Erzeugnisse eines kleinen Landkreises, dessen Bevölkerung nur eine halbe Million Einwohner zählt! Freilich ist das Land von der Natur gesegnet. Acht Flüsse und zahllose Bäche rauschen und schäumen durch seine Fluren und bieten nicht allein Feuchtigkeit den Aeckern und Wiesen, sondern vor Allem billige Arbeitskraft dem Fabrikanten. Hat man doch treffend behauptet, daß mit den Wasserkräften, die hier noch unbenutzt mit den Wellen fortrinnen, alle Fabriken Deutschlands in Betrieb gesetzt werden könnten. Die praktischen Einwohner wissen den Werth dieser Arbeitskraft zu schätzen und sie haben hier und dort ihre natürliche Wirkung noch gesteigert. Ein ganzes System von Kanälen durchzieht die Stadt Augsburg und ihre nächste Umgebung.

Unter solchen Voraussetzungen durfte sich die Stadt mit Siegesgewißheit zur Eröffnung der Ausstellung rüsten. Die große Wiese am Rande des „Rosenauberges“ wurde binnen Jahresfrist in einen Park verwandelt, aus dem reizende Boskets hervorschauen, farbenprangende Blumenbeete entgegengrüßen und in welchem die schmucken Ausstellungsgebäude mit ihren Kuppeln, Thürmen und Erkern im bunten Fahnenschmuck prangen. Selbst lauschige Ruheplätze fehlen nicht auf dem Platze. Dort in der Nähe des schmucken Kaffeehauses schimmert

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verschiedene: Die Gartenlaube (1886). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1886, Seite 601. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1886)_601.jpg&oldid=- (Version vom 10.6.2024)