verschiedene: Die Gartenlaube (1886) | |
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hielt er ein Joujou, mit dem er seine leichten Kugelfangkünste trieb, um
doch für einen richtigen alten Narren nichts fehlen zu lassen. Uebermüthiges
Gelächter und Neckreden der aufgeräumten jungen Damen begrüßten
ihn. Der Narr kam ihnen gerade recht und war ja dazu da, sich
Scherz gefallen zu lassen und anzugeben. Er solle einmal die Laute
spielen und singen, rief die Eine. Ja, ja! die Andere – und ein Liebeslied!
Sie klatschten dem übermüthigen Vorschlag Beifall mit den Händen und
reichten ihm die Laute hin.
Der Narr stutzte eine Weile, ließ seine Augen auf der Jüngsten der
Hofdamen schmachtend ruhen, als wolle er sagen, daß er für sie Alles zu
thun bereit sei, was sie wünsche, warf Scepter und Joujou auf den
Teppich, ergriff die Laute und stellte sich in theatralischer
Haltung in einiger Entfernung vor den Damen auf, die auf einer
Bank an der Wand in lustiger Erwartung Platz nahmen. Und er sang,
der drollige Geck; es kam so süß, so innig seine
Liebesklage heraus, daß er ein homerisches Gelächter
damit erregte. Sichtlich, er richtete sein Lied an die Jüngste.
Welch ein Spaß, daß sie eine förmliche Liebeserklärung
von dieser aufgeputzten Mißgeburt erhielt! Was für ein pikantes
Geheimniß offenbarte sich da! Der Narr verliebt, und er that so,
als sei es ihm Ernst damit, als erflehe er wenigstens ihr Mitleid.
Zum Todtlachen! Nur
sie, der es galt, mochte
ihn nicht deswegen verspotten
und kränkend verlachen.
Erstaunen und
Mitleid nahmen sie vielmehr
in Bann. Am Ende
hatte auch dies Geschöpf
da, dieser Narr, dieser berufsmäßige
Spottvogel
ein Herz mit edlen Empfindungen.
Ihr Blick
voller Antheil verrieth
ihm, was sie dachte, und
seine Augen, in denen es
schmerzlich zuckte, antworteten
ihr darauf: Ja,
ja, so ist’s! Auch ich
bin ein Mensch und fühle
wie ein solcher. Dank Dir,
holdes Weib, wenn Du dies würdigtest! S.
Der Lautenschläger. Mit Hans Canon († 12. September 1885) hat die heutige Wiener Malerei den bedeutendsten Meister verloren, welchen sie nach Hans Makart noch verlieren konnte. Von tschechischen Eltern in Wien geboren, war er auch ein echtes Wiener Kind geworden, mit all der reifen Begabung, aber auch dem stürmischen ungleichen Naturell eines solchen und der vollkommenen Gleichgültigkeit gegen nationale Forderungen, wie sie aus solchen Antecedentien leicht erklärlich wird. Dabei hatte er sich aber eine überaus reiche Bildung angeeignet, die zwar die Heftigkeit seines Temperaments in keiner Weise zu mäßigen vermochte, aber bei seiner angeborenen Wohlredenheit seinem Umgang oft großen Reiz verlieh. Ohne als Künstler eigentlich originell zu sein, sondern vielmehr sich beständig an klassische Muster lehnend, hat er doch eine wahrhaft staunenswerthe Produktivität entfaltet, ja er soll, die zahllosen Portraits eingerechnet, über tausend Bilder gemalt haben. Eine große Anzahl derselben, sowie eine große Reihe interessanter Zeichnungen und Skizzen gelangt im Anfang dieses Jahres im Wiener Künstlerhause zur Ausstellung, die im Großen und Ganzen nach den drei Hauptperioden seiner künstlerischen Wirksamkeit, der sogenannten Stuttgarter, Karlsruher und Wiener Periode, arrangirt wurde. Ursprünglich Schüler von Rahl, hat Canon mit diesem Meister auch viel Aehnlichkeit darin, daß bei allem hervorragenden malerischen Talent doch jene gewisse innere Kälte in seinen Werken steckt, wie sie allen bloßen Klassicisten eigen ist.
Er verliert dieselbe nur da, wo er, statt einem klassischen Vorbild, der Natur unmittelbar gegenübersteht, das heißt bei den Bildnissen. Sie sind das weitaus Werthvollste an seiner ungeheuren Produktion, da ihn sein großer Verstand und seine Menschenkenntniß befähigten, tiefer in den Charakter seiner Modelle einzudringen, als dies den meisten Salonmalern möglich ist. Auch seine vielen Halbfigurenbilder, wie unser Lautenspieler, der zu den Hauptwerken der Karlsruher Periode zählt, sind oft von großem Reiz, obwohl speciell bei diesem die Nachahmung des Frans Hals und anderer Niederländer auf der Hand liegt. Alles aber, was er schuf, hat einen großen imponirenden Zug, der freilich bei den historischen Gemälden den Mangel der Ursprünglichkeit nicht immer vollständig ersetzen kann.
Die heiligen drei Könige. (Mit Illustration S. 33.) In vielen Gegenden Dentschlands, Deutschösterreichs und Tirols ziehen am Vorabende des 6. Januar als des den heiligen drei Königen gewidmeten Festtages Knaben mit goldpapierenen Kronen auf dem Kopf, lange Hemden über ihre Kleider gezogen und bunte Tücher als Mäntel um die Schultern geworfen, in den Dörfern von Haus zu Haus. Einer von ihnen trägt einen Lampion in Sternform an einer Stange und ein Anderer hat sein Gesicht mit Ruß beschmiert und repräsentirt den Mohrenkönig Balthasar, im Volksmunde „Waldhauser“ genannt. Sie singen ein mehrstrophiges altes Lied bald ein-, bald dreistimmig, das von der Reise der drei Könige aus dem Morgenlande nach Bethlehem, von ihrer Unterredung mit Herodes und von ihrer dem neugeborenen Jesuskinde dargebrachten Huldigung erzählt. Meist in die Wohnstube gerufen, heischen sie kleine Gaben ein und danken dafür mit einem längeren Spruche, in welchem sie den Anwesenden naive Wünsche darbringen.
In seiner heutigen Gestalt trägt das „Sternsingen“ unleugbar den christlichen Stempel, dürfte aber gleichwohl ins alte germanische Heidenthum zurückreichen. Zur Zeit der Wintersonnenwende, in den Losnächten. erschienen die Himmlischen auf der Erde und mischten sich unter die Menschen, welche der nahende Frühling von dem Uebel der langen Winternächte erlöste, wie Christus von dem Uebel der Sünde, welche Analogie von den christlichen Sendboten in ihrem Interesse verwerthet wurde. Goethe hat bekanntlich das alte Volkslied in seinem „Epiphanias“ benützt. Karl Albert Regnet.
Inhalt: [ Inhalt der GL-Nr. 2/1886 - hier nicht übernommen. ]
verschiedene: Die Gartenlaube (1886). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1886, Seite 40. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1886)_040.jpg&oldid=- (Version vom 3.12.2022)