Verschiedene: Die Gartenlaube (1883) | |
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Ferner werden wir bestrebt sein, die Rubrik kurzer Belehrungen und Mittheilungen möglichst mannigfaltig zu gestalten. Wir werden den Frauen praktische Winke für Küche und Haus ertheilen, auf Nützliches für den Hausgarten aufmerksam machen, allen Arbeitslustigen Quellen des Nebenerwerbs nachzuweisen suchen und auch nicht vergessen, durch Mittheilung hübscher Räthsel, Charaden, häuslicher Beschäftigungen und Spiele für Unterhaltung und Erheiterung im Familienkreise zu sorgen. Endlich soll ein Briefkasten auf Anfragen unserer Abonnenten, wo immer möglich, Rath und Auskunft ertheilen.
In diesem Sinne wollen wir unseres wichtigen Amtes walten, dem guten Alten Neues in zweckmäßigen Verbesserungen und ansprechenden Verschönerungen hinzufügend. Die altgewohnten Räume sollen dadurch ihren traulichen Charakter nicht verlieren und sein Lieblingsplätzchen soll auch für die Folge Jeder in der „Gartenlaube“ finden.
Möchten wir recht bald aus den Zustimmungen alter und neuer Freunde die freudige Gewißheit schöpfen können, daß wir uns in unserer Hoffnung nicht getäuscht haben, daß als der einzige Beweggrund all’ unserer Bemühungen der Wunsch erkannt werde:
Die „Gartenlaube“, würdig ihrer großen Vergangenheit und des Einflusses, welchen sie Jahrzehnte lang auf die Herzen des Deutschen Volkes geübt, hochzuhalten als das
Leipzig, im December 1883. Die Redaction und Verlagshandlung der „Gartenlaube“.
Die „Gartenlaube“ kann auch künftig sowohl in wöchentlichen Nummern, als in Heften oder Halbheften bezogen werden und bleibt trotz der bedeutend schöneren Ausstattung der seitherige ungewöhnlich billige Preis bestehen.
Glockenstimmen.
Geduld pflegt sich gemeiniglich erst bei denjenigen Menschen einzustellen, deren Kraft gebrochen ist, und die nun aus der Noth noch eine Tugend machen. Dazu war Johanne von zu starker, fester Beschaffenheit. Das von Trinen empfohlene Mittel sollte und mußte helfen. Erst hoffte sie auf Fabian Sebastian, da fängt der Baum zu saften an. Nun würde doch die alte Weide ihre Schuldigkeit thun, färbten doch ihre Zweige sich schon röthlich. Als das nicht half, baute sie auf den Frühling. Endlich lugten die Schneeglöckchen aus der Erde, die grünen Blüthenhüllen wie Käpplein über die weißen Köpfchen gezogen. Dann grünte der Kranz von Linden um die rothen Ziegeldächer der Stadt der Aaren, daß man verstand, warum Luther sie einer Schüssel gesottner Krebse, mit Petersilie verziert, verglichen hatte.
Aber Johannens Herzspanne wollte nicht weichen. Da gedachte sie einmal nachzusehen, ob die Liebe noch nicht in die Weide verwachsen wolle. Sie wand sich durch die Himbeerbüsche, welche die feuchte Ecke am Brunnenhaus abschlossen, und spähte nach dem verspündeten Angedenken. Aber ein Schreck durchzuckte sie. Die angebohrte Stelle des alten Weidenbaumes war zerbröckelt im Laufe des Winters, der Pflock rollte seitwärts, und Läppchen und Locke waren verschwunden. Wie gelähmt stand sie und schaute auf den zerstörten Zauber. Da war es freilich kein Wunder, daß ihr Herzeleid nicht verging.
Es war so friedlich und still um sie. Nur leise und kühl, wie eine milde Hand, strich der Wind über ihre glühenden Wangen. Aus den säuselnden Weidenzweigen drang das süße Lied eines kleinen Vogels. Johanne blickte auf. Da droben saß ein Hänfling, und dort hing auch das Nest, dem er zusang. Aber was schimmerte da blau aus dem zierlichen Bau? Sie spähte todterschrocken hin. Ihre scharfen Augen erkannten das Läppchen. Die Hänflinge hatten es zu Nest getragen, und nun schaute die Hänflingin stolz darüber hinaus, wie Frauen über die Teppiche, die sie zur Zierrath bei Festen vor die Fenster hängen.
Johannens erster Gedanke war, nach einer Stange zu springen und ihr Eigenthum wieder zu erlangen. Aber dann hätte sie das Nest zerstören, das genügsame, glückliche Pärlein heimathlos machen müssen. Und hatten sie nicht richtig prophezeit? Vielleicht hielt Hermann in diesem Jahre Hochzeit? Mochten die Hänflinge geruhig weiter hinter dem blauen Angedenken wohnen.
„Mir soll einmal nicht geholfen werden,“ sprach sie trostlos und ging heim.
Der milde Abend hatte die Menschen herausgelockt. Ueberall saßen sie vor ihren Hausthüren, statteten sich gegenseitig Besuch allda ab und plauderten und lachten mit einander. Auch vor der Papiermühle hatte Frau Henningin mit dem Vormund und der Muhme auf der Bank Platz genommen und erholte sich von des Tages Last und Arbeit. Es gab jetzunder viel zu schaffen; denn in der Kürze wurde Zacharias erwartet, um Vorbereitungen für seinen zukünftigen Haushalt zu treffen. Die hochgeachtete Marzibilla hatte eingewilligt, im Herbst gen Arnstadt zu ziehen und allda mit Zacharias in den Stand der heiligen Ehe zu treten. Vor ihrem Vater, der sie in die Ehe gab, mußte Zacharias doch als großer Bürger bestehen können.
Es war dunkel geworden. Die Kinder, welche auf dem Liebfrauenkirchhof zwischen versunkenen Grabsteinen Verstecken gespielt hatten, kamen müde herbei. Benjaminlein stieg auf Johannens Schooß. Man hörte die helle Schloßthurmglocke die neunte Stunde schlagen.
„Heut haben sie auf der Neidecke den Filzreif von der silbernen Glocke genommen, die unser Bellicosus dort aufgehängt hat,“ meinte Bastian. „Für gewöhnlich ist er darum gelegt, auf daß unsere kleinen Kinder nicht aufwachen. Hermann hat es uns erzählt. Gelt, Hanne?“
Die Muhme wickelte die Daumen um einander. „Wärme ja nicht das Gedächtniß an den Kukuk auf, den Ihr in Eurem Nest groß gezogen habt. Der schlaue Bursch ist sein Schusterpech los geworden, inmaßen er die Glockengießerin freit; an der Hanne aber ist es hängen geblieben.“
Johanne antwortete nicht. Ihr Muth war so gänzlich darnieder geschlagen, daß sie wehrlos Kränkungen über sich ergehen ließ. Die Muhme schüttelte den Kopf.
Die Unterhaltung wollte auch gar nicht in Gang kommen. „Es ist anjetzo recht still in der Welt geworden,“ seufzte sie. „Sonst ging kein Tag vorüber, an dem nicht in der Flur ein Mensch von einer giftigen Kugel erschossen gefunden oder eine Jungfer beleidigt wurde. Und nun ereignet sich nichts mehr, was des Erlebens werth wäre.“
Da schlug plötzlich auf dem Glockenthurm eine Glocke in eiligen Schlägen an und erfüllte die Luft mit wirrem Geläut.
„Das ist Sturm!“ sprach der Rathsbrunnenmeister. „Ist die Kriegsfurie wieder los? Oder ist ein Feuer aufgegangen?“
„Ihr habt es beschrieen, Muhme,“ jammerte die Frau Henningin. „Nun haben wir das Unglück.“
„Am Erfurter Thor brennt es,“ rief die Schmidtin, nach Norden zeigend, wo den Himmel ein feuriges Roth überzog. „Gevatter Brunnenmeister, eilt, daß Ihr in Euer Haus kommt.“
Der Gevatter schaute sich ruhig um. „Mein Platz ist als Rathsbrunnenmeister auf dem Markte. Und wer ein Amt hat, der warte desselben.“ Damit schritt er von dannen.
Die Muhme folgte mit Frau Henningin nach. Nur Johanne
Verschiedene: Die Gartenlaube (1883). Leipzig: Ernst Keil, 1883, Seite 838. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1883)_838.jpg&oldid=- (Version vom 24.1.2024)