Verschiedene: Die Gartenlaube (1883) | |
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Beruf an einen entweder ungeeigneten oder in derselben Beziehung bereits überfüllten Ort, so kann man keinen Erfolg erreichen. Ebenso wichtig ist es, daß man keine Schulden mache. Man borge weder, was man zum Essen, Trinken und Bekleiden braucht, noch auch Geld gegen Zinsen; sonst läuft man Gefahr, sich zeitlebens in Armut zu erhalten und die Selbstachtung zu verlieren. Unser Autor sagt: „Der Gläubiger, der zu Bette geht, erwacht des Morgens reicher, denn seine Zinsen sind über Nacht angewachsen, während der Schuldner im Schlafe ärmer wird, weil sich die Interessen gegen ihn anhäufen.“ Das unnütze Creditnehmen verleitet oft zu unnützen Ausgaben, die nicht gemacht würden, wenn man keinen Credit hätte.
Absolut nothwendig ist ferner die Ausdauer. Man darf sich nicht leicht abschrecken lassen. Befürchtungen können die im Kampfe um die Unabhängigkeit so nothwendige Energie lähmen. Oft ist die Ausdauer gleichbedeutend mit Selbstvertrauen. Wer dieses nicht hat, kann auf Erfolge nicht rechnen. Man darf nicht zu pessimistisch sein; man muß stets der Hoffnung Raum geben. Aber es ist auch verfehlt, übermäßig rosig zu sehen. Dieser Fehler läßt Viele zeitlebens auf keinen grünen Zweig kommen. Solche Leute halten jeden Plan im vornherein für gelungen und wenden sich daher jeden Augenblick einem andern Gegenstand zu; das ist in hohem Grade verderblich, denn sie sind dann in nichts tüchtig. Es ist am besten bei Einer Sache zu bleiben und derselben so lange obzuliegen, bis sie glückt oder bis man zur Ueberzeugung gelangt, daß es angezeigt wäre, sie aufzugeben. Wer seine Aufmerksamkeit ungetheilt auf einen Gegenstand lenkt, wird in demselben Uebung erlangen und gewisse Einzelheiten wahrnehmen, die ihm entgehen würden, wenn er seine Kräfte zersplitterte.
Mit der Ausdauer steht im Zusammenhang der Fleiß, die Energie. Man widme sich seinem Berufe mit Ernst und Feuer. Man lasse nichts ungeschehen, man verschiebe nichts auf später. Was überhaupt werth ist, gethan zu werden, soll voll und ganz geschehen. Es taugt nichts, immer zu warten, bis Einem die gebratenen Tauben in den Mund fliegen.
„Hilf dir erst selbst,“ sagt der Franzose, „dann wird Gott dir helfen“, oder das Glück oder wie man es sonst nach Belieben nennen mag, fügt Barnum hinzu. Eines Abends hörte Mohammed einen seiner Jünger sagen:
„Ich werde mein Kamel losbinden und es der Obhut Gottes anvertrauen.“
Der Prophet fiel ein:
„Nein, lieber binde es fest und dann vertraue es der Obhut der Vorsehung an.“
Der Streber nach Erfolg muß das Sprüchwort „Selbst ist der Mann“ ganz besonders beherzigen. Das Auge des Principals taugt für sein Geschäft oft mehr als die Hände eines Dutzend Angestellter. Zuweilen übersehen die besten Untergebenen wichtige Dinge, die dem Chef nie entgangen wären. Wer sein eigenes Geschäft nicht versteht, und sich daher ganz auf Andere verlassen muß, darf sich nicht wundern, wenn seine Hoffnungen unerfüllt bleiben. Niemand kann sich genügende Geschäftskenntnisse aneignen, ohne zur Sache Erfahrung und persönlichen Fleiß mitzubringen. Wer des Erfolges ganz sicher sein will, muß in seinem Berufe durchaus tüchtig sein. Ist man es, so kann man Andere anstellen; aber man sei in ihrer Wahl vorsichtig. Die besten Untergebenen sind nicht zu gut. Hat man einen brauchbaren, so trachte man, ihn so lange wie möglich zu behalten; das ist besser als das häufige Wechseln, denn er lernt täglich etwas zu und der Chef profitirt dadurch; dieses Jahr ist der Mann brauchbarer als im vorigen, und im nächsten wird er noch brauchbarer sein. Erweist er sich als treuer Diener, so erhöhe man ihm das Gehalt von Zeit zu Zeit, um ihn einerseits zu entlohnen, andererseits an sich zu fesseln. Eine solche Freigebigkeit pflegt Zinsen zu tragen. Am besten angewendet ist dieselbe, wenn der Untergebene außer seinem Eifer auch einen offenen Kopf hat.
(Schluß folgt.)
Blätter und Blüthen.
Zwei spanische Städte. (Mit Illustrationen S. 816 und 817) Am 19. November schiffte sich der deutsche Kronprinz am Bord des deutschen Kriegsschiffes „Prinz Adalbert“ in Genua ein, um sich nach Spanien zu begeben und König Alfons XII. den vor einigen Monaten abgestatteten Besuch zu erwidern. Nach stürmischer Fahrt langte der mit ungewöhnlichem Interesse erwartete Gast Spaniens bei Sonnenschein am 22. in Grao, dem Hafen von Valencia, an. Der Grao ist ein kleiner schmutziger Schifferort an der Ostküste der iberischen Halbinsel, und die Stadt Valencia liegt ein gutes Stück von ihm entfernt, man fährt mit der Pferdebahn mehr als eine halbe Stunde dorthin. Grao gilt als einer der besten Häfen Spaniens. Im Sommer ist es ein beliebter Bade-Ort, und dann rollt nicht allein die Pferdebahn dorthin, sondern auch Hunderte der landesüblichen zweirädrigen Karren vermitteln die Verbindung zwischen der See und der Stadt. Denn außer den wenigen Hôtelomnibus giebt es nur diese eigenthümlichen, mit Maulthieren bespannten Gefährte in Valencia, zu denen der Fremde anfangs wenig Vertrauen hat. Bei aller Abneigung, den Karren zu besteigen, wird ihn aber die malerische Tracht seines Kutschers erfreuen, die „Manta“ (ein vielfarbiges Plaid), die Sammetjacke oder gestickte Blouse, die bunte „Faga“ (Leibgurt) und die classischen Sandalen. Doch nicht allein die Sandalen legen ein Zeugniß von der classischen Herkunft des Valencianers ab, auch seine Gesichtszüge und besonders der Typus seiner Frauen. Die Valencianerin ist eine der schönsten Frauen Spaniens, stolz und kräftig ist ihre Gestalt wie die der Römerin, regelmäßig ihr fein geschnittenes Antlitz.
Es giebt ein Sprüchwort, welches neckend von Valencia behauptet: „das Fleisch ist Kraut, das Kraut Wasser, der Mann Weib und das Weib nichts“. Die Valencianerin hört solche Neckerei lächelnd an, denn sie weiß, daß ihre Schönheit in ganz Iberien berühmt ist.
Die Provinz Valencia ist eine der kleinsten Spaniens und dennoch von hoher Bedeutung, da ihr an Fruchtbarkeit und landschaftlichen Reizen nur Andalusien den Rang streitig zu machen vermag. Den Mauren war hier das Paradies auf Erden, die Juden vergaßen hier ihr Heimathland. Sie verdient in der That den Namen „Garten“ (Huerta), den ihr die Mauren beigelegt haben. Kunstvoll und wirksam ward von dem betriebsamen Volke der Boden befruchtet durch das von den Bergen herabquellende Wasser. In tausendfachen Fäden von kleinen Canälen, Rinnen, Furchen vertheilt dieses Wasser sich über das Gefilde. Wir sehen künstliche Becken, in denen es sich sammelt und aufgespart wird für die Zeit der Dürre; sehen kleine Schleußen und Wehre, die seine Vertheilung regeln; sehen gemauerte Leitungen, niedrig, schmucklos, nur dem Bedürfnisse dienend, welche die erquickende Fluth von einem Acker zum andern tragen. Das ist von den Arabern geschaffen worden, hat sich aber erhalten bis heute. Das System ist damit aber noch keineswegs abgeschlossen. Neben der alten Kathedrale der Königsstadt Valencia erhebt sich einzelstehend der Migualete, der alte Michel, ein klotziger Thurm, der ebenfalls aus arabischer Zeit stammen soll, vielleicht das Minaret einer Moschee. Von diesem Thurme aus wird seit der Maurenherrschaft die Wasservertheilung geregelt: verschiedene Glockenzeichen bestimmen, wann und wo die Schleußen geöffnet, welche Bezirke überrieselt, getränkt werden sollen. Ist es warm, trocken, fürchtet man Dürre, so giebt man mehr von den bewahrten Vorräthen; in kühlerer, feuchter Jahreszeit halten die Glocken des alten Michelthurms die Schleußen geschlossen. Besser, uneigennütziger sind aber die Menschen in Valencia auch nicht, als anderswo. Mancher kümmert sich um den Befehl der Glocken nicht, läßt seinen Orangenhain länger das erquickende Naß schlürfen, öffnet zu Ungebühr die Schleußen. Dann tritt das Wassergericht zusammen. Vor einem Portale der alten Kirche versammeln sich die Schöffen desselben, der Fall wird vorgetragen, nach strenger Prüfung abgeurtheilt, der Schuldige bestraft. Dieses Wassergericht ward schon von den Arabern eingesetzt, es hat alle Staats- und Rechtsumwälzungen überdauert, bildet heute noch die einzige Spruchbehörde für jeden Wasserfrevel. Es sichert der Oase von Valencia ihr üppiges Gedeihen.
So weckt hier menschliche Vorsorge tausendfältiges Leben, und nimmermüde werden Erdreich und Sonne zu zeugen und zu reifen. Orangenwälder ziehen sich am Meere hin, ihren berauschenden Duft in die Eisenbahnwaggons hineinsendend, die den üppigen Küstenstrich durchfliegen. Palmen heben ihre gefiederten Wipfel über die Orangen empor, und was man daheim nur in Glashäusern zu sehen gewohnt ist, wuchert hier ungepflegt. Die Seidenindustrie blüht in Valencia, seine Mantillas sind weltbekannt, außerdem fabricirt man Rosinen von Trauben und bunte glasirte Fliesen, azulejos. Letztere Kunst stammt vermuthlich von der Insel Majorca und hat der Majolica den Namen gegeben.
Die Stadt Valencia ist von den Römern gegründet, wie auch ihre Bezeichnung valentia (Stärke, Kraft) lateinischen Ursprungs ist. Nach den römischen Colonisten herrschten hier die Gothen, nach ihnen die Mauren und diese wurden 1095 von dem spanischen Nationalhelden, dem Cid Campeador, nach langwieriger Belagerung vertrieben. Doch Valencia bewahrt noch seinen arabischen, halb orientalischen Charakter; es hat enge gewundene Schlangengassen, hohe Häuser mit flachen Dächern, auf denen man Tauben für den beliebten Taubensport züchtet. Wenige vergitterte Fenster mit Balcons sehen auf die Straße, dicke Mauern schützen die Bewohner vor der Hitze. Vielfach sind die Häuser ganz schmal, nur mit zwei Fenstern Front, ein winziges wie für Puppen berechnetes Treppchen führt in die oberen Stockwerke.
Die heutige Stadt, welche gegen 150,000 Seelen zählt, bietet an Kunstbauten weniger, als mancher kleinere spanische Ort. Ihre Kathedrale war ursprünglich gothisch, in der Renaissancezeit hat man sie antikisiren wollen und damit einen seltsamen Mischmasch geschaffen. Sie befindet sich auf der Stelle, wo einst ein römischer Diana-Tempel stand. Die Gothen beteten später hier zum Erlöser, die Araber zu Allah und jetzt ruft man die Santisima Virgen (Jungfrau Maria) an. Ein schöner, spätgothischer Bau ist die Lonja, Börse, deren hohe Pfeilerhallen wie ein steingewordener Palmenwald erscheinen.
Vor der Lonja befindet sich die Plaza del Mercado (Markt), welche
Verschiedene: Die Gartenlaube (1883). Leipzig: Ernst Keil, 1883, Seite 819. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1883)_819.jpg&oldid=- (Version vom 24.1.2024)