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Seite:Die Gartenlaube (1883) 807.jpg

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1883)

über nichts mit dem Flederwisch weg, sondern kehren jegliche Ecke richtig aus und säubern sie von Spinnweben. Ich frage Euch als treuer Diener Eures weiland Ehegesponsen,“ fuhr er erhobenen Tones fort.

Sie schüttelte sich wie ein trotziges Kind.

„Waret Ihr einmal bei der Wahrsagerin an der Hirschlache?“

Sie nickte.

„Nun erzählt mir wenigstens,“ sprach er, und nahm einen ehrbaren väterlichen Ton an, „auf daß ich höre, ob Ihr auch nicht in die Fallstricke des Satans gerathen seid.“

„Da sei Gott für!“ rief sie. „Ich habe von ihr einen Traum auslegen lassen. Mir träumte von Rauch und Feuer: der Qualm bedeutet Unglück, die helle Flamme Glück; von Eiern und Geziefer: die Eier bringen Verdruß, das Geziefer Geld. Und wirklich, Ihr habt es mir geschafft. Nun fehlt der Verdruß noch, das Glück und das Unglück.“

„Und habt Ihr nicht nach einem neuen Ehegesponsen geforscht?“ fragte er und klopfte mit seiner Pfeife auf ihre Hand, in der fünf tiefe Grübchen standen.

Sie hielt sich die Augen zu.

„Könnet Ihr es nicht geduldig erwarten, bis Gott eine Verrückung Eures Wittwenstuhles verhängt?“

Sie lugte ihn ängstlich an.

„Nun?“ forschte er lachend, daß seine weißen Zahnreihen blitzten.

„Ach, vielwerther Obergesell,“ gestand sie und schaute schämig zur Seite. „Sie hat ein Ei ausgeschlagen, darin war eine Hochzeitskirche.“

„In einem Ei?“ lachte er auf. „Ihr Weiber seht immer, was Ihr Euch wünscht.“

„Sie meinte, es sei Einer mit hellem Haar.“

Das fuhr ihm vor den einst dunkellockigen Kopf. Aber dann machte er ein pfiffiges Gesicht.

„Kann schon sein. Hat Sie auch bedacht, daß weiß noch heller als gäl ist?“

Die alamode Anrede verwirrte sie gänzlich. „Hör Sie“ wurde nur die Stadtschultheißin genannt. Sie verstand darüber den Sinn der Worte nicht. So ergeht es zuweilen dem schwachen Geschlecht. Aber sie war bedacht, auch feine Lebensart zu zeigen. Ganz geschmeichelt verstauchte sie sich und sprach: „Wie es Ihm beliebt, Mosjö.“

So war es nach Eberhard’s Sinn.

„Und nun zeige Sie, daß Sie eine tüchtige Frau ist, und richte Sie eine ordentliche Mahlzeit zu. Für den deutschen Mann ist das Speisen ein ernstes Werk. Mit dem Taufschmaus wird er im Leben empfangen, mit dem Leichenschmaus heimgeleitet, und jegliches Fest, so zwischen diesen beiden Ereignissen liegt, muß gebührendermaßen durch ein Mahl gefeiert werden, soll es ein würdig begangenes heißen. Die Gans allein thut es nicht; es könnten wohl noch ein paar Schüsseln heute am Platz sein.“

„Eine Birntorte hab’ ich noch,“ sprach sie.

Er schüttelte den Kopf. „Süßes Geschlecke. Schicke Sie die Magd nach dem Fischersand. Ein Paar Karpfen können nicht schaden, und so Sie die Hühner, die draußen am Küchenhaken hängen, gleich in den Topf steckt, giebt es eine Suppe mit geröstetem Brod. In diesem Falle will ich Ihr durch die Finger sehen, so Sie nicht knickert.“

„Wie Er meint, Mosjö,“ stimmte sie zu.

„Wahrlich, Meisterin, Sie hat heute ein paar Backen, als ob sie im Gießofen geglüht wären,“ schmunzelte er. „Wie wär’s, wenn Sie mir als Vorkost ein Mäulchen gäbe?“

Sie hatte schon ihr „Wie Ihm beliebt“ auf der Zunge. Da klopfte es bescheiden. Die Meisterin schritt mit dem Leuchter von Glockenguß hin und öffnete. Da stand Hermann Zimmermann in dem braunen Rahmen der Thür. Frau Möhringin schrie auf und mußte den Leuchter hinsetzen, daß es klang wie ein Freudengeläut, und Eberhard’s Fingern entfiel die Pfeife und zerbrach.

Hermann merkte die Bestürzung nicht.

„Wollt Ihr mir noch einmal Arbeit geben?“ fragte er in so festem Tone, daß die Beiden meinten, er rede mit fremder Stimme. „Ich werde nicht wieder fortgehen. Ich bin dort ein unnützer Knecht worden.“

Die Meisterin machte nicht viel Worte; aber sie rannte nach den Schlüsseln von Keller und Speisekammer.

„Wie gut war es, daß Ihr eine herrliche Erkostung anordnetet, werther Obergesell,“ rief sie diesem eilig zu. „Ihr habt doch immer Recht. Und viel Dank, daß Ihr Euer Geld dazu gabt. Das ist einmal ein Festtag. Seht, der Traum geht aus. Nun ist auch das Glück da.“

Eberhard stampfte wüthend mit dem Fuße auf. „Und das Unglück und der Verdruß werden auch nicht ausbleiben. – Nehmt nur um Gotteswillen Eure fünf Sinne zusammen, daß der Karpfen wenigstens nicht mißräth,“ griesgramte er. „Denket daran: Essig, Wein, Ingwer, vier Loth gemeinen Pfeffer, zwei Loth langen Pfeffer, Zimmetröhren, Weinbeerlein, Mandeln habt Ihr an die Tunke zu spendiren.“

„Sorget nicht! Einen solchen Karpfen, wie ich heute schmore, habt Ihr noch niemals gespeist,“ tröstete sie. Beide hatten die alamode Anrede vergessen.

Verdrüßlich führte Eberhard seinen Vetter in seine Hinterstube. Als ihm dort Hermann seine bitteren Erfahrungen erzählte, kam er auf andere Gedanken. Er bedauerte seinen jungen Versippten; aber er that es auf seine Weise.

„Vermaledeites Weibsvolk!“ fluchte er. „Wir Männer müssen zusammenhalten. Wir sind jetzunder in der Minderzahl; es sind zu viele von uns in dem großen Kriege todtgeschlagen worden. Da nehmen die Weiber überhand. Nach dem Bauernkriege ist es ebenso gewesen. Dazumal sind sogar Gesetze gegen die Ueppigkeit des Weibsvolkes erlassen worden. Aber endlich haben sie doch zu Kreuze kriechen müssen, wie sich’s gebühret. Denn: Mannshand oben!“

„Sie soll oben bleiben,“ sprach Hermann. „Alsdann ist aber auch vonnöthen, daß wir selbst das Haus gegründet haben, darin wir das Regiment führen, und nicht Begehren tragen, uns in ein Nest zu setzen, welches das Weib gebaut hat.“


Eberhard nickte. „Bleibe bei diesem Grundsätze; ich kann ihm meinen Beifall nicht versagen, wiewohl ich für mich hierentgegen die Meinung hege, daß ein Weib Gott danken soll, so sich Einer findet, der ihr erbärmliches Nest regiert. Und sie danken zuletzt auch Alle Gott. „Aber“ – er blinzelte Hermann an – „es dürfen sich nicht Zwei dazu bereit erklären, sintemalen sie, so die Wahl ihnen zusteht, nicht wissen, wie sie am wohlsten thun wollen.“




In schweren Zeitläuften lernt der Mensch schnell mit dem Mißgeschicke fertig werden, bald wieder nutzbringenden Arbeiten, kleinen Freuden des Lebens sich zuwenden. Als in Arnstadt die Schneeflocken in stürmischem Getümmel herabtaumelten auf die welken Blätter der Gärten, das blanke spitze Kieselpflaster der Gassen, die schwarzen Erdhügel in der Pestilenzecke, da schallte von den Tennen der fröhliche Tact der Drescher, schnurrten in den Stuben lustig die Spinnräder, beehrten die Hausfrauen sich gegenseitig mit Schlachtschüsseln, ertönte das Jauchzen der Kinder, die sich im Schlitten fuhren und Schneemänner bauten.

In der Papiermühle fachte die Muhme Schmidtin das Fünklein Lebenslust wieder an. War es doch Erntemond, da die Heimsuchung hereinbrach, und nun befand man sich schon im Hornung. Sie redete so lange auf die Frau Henningin ein, bis diese eine Ausrichtung beschloß. Der Rathsbrunnenmeister war erbötig, als männlicher Beistand das junge Volk im Zaume zu halten; denn der fürsichtige Zacharias zögerte noch immer mit seiner Heimkehr, dieweil der Schnee des Winters die weite Reise gefährlich machte.

Eines Tages erschien Trine in allen befreundeten Häusern, wo es junge Gesellen und Jungfern gab, und brachte eine wohlgesetze Einladung zu der gütigen Fürliebnehmung einer Spinnstube mit möglichster Bedienung jetziger Zeit. Als der Abend kam, war die Stube festlich hergerichtet: der Boden mit Sand bestreut; der grüne Kachelofen geheizt; auf der braun gebeizten Kannerücke reihten die Bierkrüge sich an einander, die lange Tafel bedeckten Tücher, deren weißen Grund blaue und rothe Streifen durchzogen, und daraus standen wie Silber glänzende Zinnschüsseln, aus denen die Tractirung aufgetragen war.

Die Erste, welche ihren Einzug hielt, war die Muhme Schmidtin. Sie hatte sich bereit erklärt, den Gastgebern im

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1883). Leipzig: Ernst Keil, 1883, Seite 807. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1883)_807.jpg&oldid=- (Version vom 24.1.2024)