Verschiedene: Die Gartenlaube (1883) | |
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So ziehen wir stundenlang über ebene Grate, durch enge Schluchten und cultivirte Thälchen, an steilen Hängen hinauf und hinunter. Ueberall und oft auf künstlich angelegten Terrassen stehen einzelne Hütten, kleine Gruppen derselben, ganze Dörfer, zwischen Strauchwerk, Palmen und anderen Bäumen. Und wo immer ein Ausblick sich öffnet, da sieht man nah und fern noch viele mehr in ähnlicher Lage, selbst noch hoch oben an den Waldkappen der Alles überragenden Gipfel.
In hellen Haufen erwarten uns überall Menschen, oder kommen gelaufen, uns anzustaunen, zu begrüßen, passiren zu sehen. Viele schließen sich uns an und begleiten uns von Dorf zu Dorf, die Jugend beiderlei Geschlechts Allen voran.
Der Reichthum an Kindern steht im schärfsten Gegensatze zu dem, was man sonst im Congoland beobachtet; manchmal schwärmen sie um uns, als ob sie eben aus der Schule entlassen wären. Die meisten sind hübsch, viele sogar sehr hübsch zu nennen; alle sind lustig und zutraulich und voller Muthwillen. Die kleinen Geschenke von Perlen und Messingschellen, die wir freigebig auszutheilen vermögen, nehmen sie froh entgegen. Sie könnten glauben, der Weihnachtsmann zöge durch ihre Heimath, und die dem Treiben zuschauenden Mütter gewinnen entschieden eine überaus günstige Meinung von uns. – Auch an Hausthieren ist Ueberfluß vorhanden. Die bekannten afrikanischen Köter findet man zwar überall, nicht aber solche Ziegenheerden wie in den Kukibuendi-Bergen. Man trägt aber auch Sorge für sie, wie die kleinen aus Knütteln und Stangen gefügten, gegen Leoparden gesicherten Ställe beweisen. In einzelnen derselben wälzen sich zufriedene Mutterschweine zwischen ihren Ferkeln. Viele andere Schweine laufen frei umher und fahren plötzlich vorüber, wo man sie am wenigsten vermuthet. Wir bemerken zwei Arten derselben: eine kleinere graue und gänzlich haarlose und eine große mit dickem schwarzem oder dunkelbraunem Borstenkeid. Die Zahl der Hühner ist gar nicht zu schätzen, und zum Ueberfluß giebt es ausnahmsweise auch wirklich stattliche Katzen in Menge. Sie sind weiß, schwarz, gelb, bunt; sie huschen über den Weg, schleichen zwischen den Hütten und ruhen mit Vorliebe auf den Dachfirsten. Die traditionelle Feindschaft zwischen ihnen und den Hunden scheint hier vollkommen beigelegt zu sein.
Endlich langen wir an der Grenze von des Häuptlings kleiner Herrschaft an. Dort nimmt er Abschied von uns. Inmitten eines großen, lautlos zuhörenden Zuschauerkreises setzen wir uns nieder und halten noch ein kurzes, feierliches Palaver ab. Wir versprechen Nadeka Davunda seinen Wunsch zu erfüllen und mit ihm und seinem Land recht bald eine dauernde Verbindung anzuknüpfen. Unter lebhafter Versicherung gegenseitiger Freundschaft werden die Hände geklappt und „mbote! mbote!“ (gut, schön) gerufen, welche Worte die Umstehenden emphatisch und mit beifälligem Grunzen wiederholen. Dann scheiden wir und wandern davon.
Meine Leute haben sich am Palmmost überaus gütlich gethan und sind in übermüthiger Stimmung; ebenso gut gelaunt sind auch unsere zahlreichen Begleiter, die sich an allen Wohnsitzen immer wieder erneuern. Wir sind in das Gebiet der Battadörfer gelangt und finden überall dasselbe Landschaftsbild, dieselben freundlichen Menschen.
Von einem letzten hohen Bergrücken erblicken wir unser heutiges Ziel: Kalubu. Dort zwischen den Uferhöhen der gleichnamigen Landschaft glitzert der breite gewundene Wasserspiegel des Congo (siehe Abbildung auf Seite 793); hinter uns liegen, zum Theil in Wolken gehüllt, die Kukibuendi-Berge. Nun geht es abwärts in eine Gegend, die zwar hügelig genug ist, aber jedes wechselvollen Reizes entbehrt. Das ist wieder echtes Congoland. Hohe, steife Halmgräser, verdorrt und geknickt, oft weithin von Bränden vernichtet, decken den trockenen, steinigen Boden; kaum, daß ein Zwergbäumchen eingestreut ist. Die Dörfer von Yanga, die wir nun passiren, liegen wie Oasen in den eintönigen Graswüsten.
In Kalubu, einem Fährplatz der Eingeborenen, zeigten sich die Leute widerwillig und mürrisch und waren erst sehr spät zu bewegen, uns einige Lebensmittel zu bringen; aber auch diese mußten wir schließlich der unverschämten Forderungen wegen zurückweisen.
Es erscheint auffällig, wie nahe bei einander in Afrika Gemeinden wohnen, deren Betragen schroffe Gegensätze aufweist. Sogar die nämlichen Menschen zeigen zu verschiedener Zeit und gegenüber verschiedenen Besuchern ein sehr abweichendes Verhalten. Mancherlei Einflüsse, aufregende Ereignisse, zufällige Umstände, die der Reisende nicht in seiner Gewalt hat, äußern ihre Wirkung.
Als ein Jahr zuvor die Herren Bentley und Crudgington der Baptisten-Mission von ihrer trefflich gelungenen Recognoscirungstour nach dem Stanley Pool auf der Karawanenstraße die Kukibuendi-Berge überschritten, fanden sie die Bevölkerung in sehr feindseliger Stimmung und verlebten dort angstvolle Stunden. Nicht besser erging es der zweiten Partie von Europäern, die wenige Monate vor uns wie die erste das Gebiet von Ost nach West durchzog: den Herren Lindner und Mahoney, Mitgliedern der Congo-Expedition.
Verschiedene: Die Gartenlaube (1883). Leipzig: Ernst Keil, 1883, Seite 796. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1883)_796.jpg&oldid=- (Version vom 21.1.2024)