Verschiedene: Die Gartenlaube (1883) | |
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Auf demselben Gebiete thätiger Nächstenliebe haben die Gründer der deutschen Reichsfechtschulen durch Ankauf und Einrichtung des Reichswaisenhauses zu Lahr einen glänzenden Erfolg zu verzeichnen. Das Reichswaisenhaus zu Lahr, das die „Gartenlaube“ in Nr. 27 dieses Jahrgangs in Wort und Bild dargestellt hat, ist jedoch nur für Knaben bestimmt. Richtig ist es allerdings, daß speciell die Knaben zur Erziehung in geschlossenen Waisenhäusern oder ähnlichen Instituten, welche dem Internatsprincip huldigen, besser geeignet erscheinen, als die Mädchen, deren Erziehung vorzugsweise in’s Haus, in die Familie gelegt werden sollte.
Wünschenswerth wäre allerdings, daß auch die Knaben in Familien untergebracht wären, sodaß die Waisenhäuser mehr den Charakter von Waisenstationen annähmen, in welchen die Waisen so lange in Pflege genommen würden, bis eine anderweite Versorgung in einer guten Familie sich ermöglichte, wie dies z. B. in Leipzig der Fall ist. So lange man aber die armen Waisen gegen ein entsprechendes Entgelt in sogenannte „Ziehe“, womöglich, wie in manchen Dorfgemeinden, an den Mindestfordernden vergiebt, werden immerhin die Waisenhäuser, in rechter Weise geleitet, von tüchtigen Pädagogen geführt, die nicht nur die wissenschaftliche und praktische Befähigung, sondern auch Herz und Liebe für diese Erziehung der Waisen besitzen, den Vorzug haben, und deshalb begrüßen wir die Errichtung des Reichswaisenhauses mit großer Freude, weil dadurch eine einheitliche Erziehung der Kinder erreicht wird. Wir dagegen haben die Versorgung der Waisen in wohlhabenden Familien auf unser Panier geschrieben.
Da wir nun in den neun Jahren unserer Thätigkeit die Erfahrung gemacht haben, daß von der großen Mehrzahl der kinderwünschenden Ehepaare Mädchen der Vorzug gegeben, fast nur ausnahmsweise nach Knaben gefragt wird, so können wir nun um so freier unsere Hauptbestrebungen auf die Versorgung von Mädchen richten, sobald die Lahrer Anstalt uns die uns angemeldeten Knaben abnehmen kann. Ausgeschlossen ist es jedoch durchaus nicht, daß wir auch Knaben, so oft uns die Gelegenheit dazu geboten wird, dem Glück des Familienlebens zuführen.
Um aber unsere bisherige Einzelwirkung zu einer großen Gesammtthätigkeit zu erheben, ist es dringend nöthig, daß ein Zusammenschaaren aller für die Versorgung armer Waisen begeisterten und für deren Gelingen interessirten Kräfte stattfinde. „Vereinte Kräfte führen zum Ziel“ ist auch unser Wahlspruch. Ein Zusammenhalten vieler Menschen für denselben Zweck ist nöthig, um unablässig Ehepaare, die im Stande sind, sich in Liebe und Erbarmung armer Waisen anzunehmen, auf diese Bestrebungen aufmerksam zu machen, aber auch um in den weitesten Kreisen von dem Nothstand armer Waisen Kenntniß zu erlangen.
Es ist nun vor Allem festzustellen, in welcher Weise eine Vereinigung wohldenkender Menschen zum angedeuteten Zwecke gebildet werden kann.
Zunächst ist es nöthig, daß sich ein Kern von Kinderfreunden bilde, der sich durch Werbung und Anschluß von Gesinnungsgenossen fortgesetzt vergrößert und über ganz Deutschland ausbreitet. Es würde also ebenso wie die Reichsfechtschulen der ganze Verein sich gliedern müssen in Provinzial- und Ortsgruppen. Die Gründung von Waisenstationen zum Zwecke der Behütung der Kinder bei plötzlicher völliger Verwaisung und der Verpflegung derselben bis zur Versorgung in Familien wäre durch freiwillig, nach eigener Abschätzung zu gewährende Unterstützungen eine weitere Nothwendigkeit.
Diese wenigen Andeutungen genügen natürlich nicht, um auch den Weg anzuzeigen, auf welchem die Ausführung des Gedankens einer „allgemeinen deutschen Waisenversorgung in der Familie“ zu ermöglichen sei. Wir haben dies in einem Programm versucht, dessen Abdruck hier nicht möglich war, das aber durch die Redaction der „Gartenlaube“ und den Unterzeichneten Jedem zu Gebote steht, welcher die Sache genauer prüfen und, wenn das Herz zustimmt, auch die Hand zur Durchführung reichen will.
Möge der Segen, dessen wir uns bisher erfreut, bei dem Werke bleiben, wenn auch unser Wunsch, daß allen armen deutschen Waisenkindern sich die Arme liebender Pflege-Eltern öffnen möchten, zu groß und zu schön sein sollte, um ganz in Erfüllung zu gehen.[1]
Schuldirector in Burgstädt bei Chemnitz.
Blätter und Blüthen.
Der letzte Kampf Florian Geyer’s. (Illustration Seite 769.) Im Jahrgang 1860 der „Gartenlaube“ schilderte der Geschichtsschreiber des Bauernkrieges, Wilhelm Zimmermann, uns in einem längeren Artikel den hervorragendsten Helden jener großen Volksbewegung, den Ritter Florian Geyer, dessen Bildniß dort auf S. 85 dargestellt ist.
Läge nicht ein Zeitraum von dreiundzwanzig Jahren zwischen jenem Lebensbilde und unserer heutigen Illustration, so würden wir zur Erklärung derselben ohne Weiteres dorthin verweisen können. So aber müssen wir das Wesentlichste aus jenem Artikel hier anführen. Dort ist nämlich erzählt, wie Florian Geyer von Geyersberg, der Sprosse eines edlen Geschlechts, Rittermantel und Ritteradel ablegte, um sich zu den Bauern als ihr Bruder und ihr tüchtigster Anführer zu gesellen, wie er die „Schwarze Schaar“ begründete, die sich durch kriegerische Haltung und Tüchtigkeit vor allen anderen „Haufen“ auszeichnete, und welchen hervorragenden Antheil er an den Erfolgen der Bauern hatte. Nur dauerten bekanntlich diese Erfolge nicht lange, der schwäbische Haufen unterlag zuerst, und auch in Franken rückten Markgraf Kasimir von Baden und G. von Truchseß mit ihren Rittern und Reisigen vor. Florian Geyer stellte sich mit seiner Schaar dem Truchseß bei dem Flecken Sulzdorf entgegen, in der Hoffnung, bald von den fränkischen Brüdern unterstützt zu werden; er wußte nicht, daß die Königshofer Schlacht geschlagen und für die Bauern verloren worden war. Fechtend zog er sich nach Ingolstadt zurück, das er muthig gegen die Reisigen des Truchseß vertheidigte. Da kam der Pfalzgraf Ludwig dem Truchseß mit 1200 Reitern und Reisigen zu Hülfe, und dem Anprall dieser Macht erlagen die Vertheidiger. Zweihundert von der Schwarzen Schaar flüchteten sich in die Kirche, die indessen durch hineingeworfene Feuerbrände in Flammen aufging und ihren Vertheidigern zum Grab wurde, während Florian Geyer mit vierhundert der Seinigen das Schloß erreichte und es tapfer gegen die große Uebermacht der Feinde hielt. Zweimal wurde der Sturm abgeschlagen, und erst als sie ihr letztes Pulver verschossen hatten, wurden die Bauern in furchtbarem Ringen, bei welchem um jeden Fuß Erde gekämpft wurde, überwältigt. Die Hälfte von Geyer’s kleinem Anhang fand hier den Tod, mit dem Rest schlug er sich, von dem Dunkel der Nacht begünstigt, glücklich durch den Ring der Gegner durch. Noch hatte der kühne Mann, der ebenso bedeutend als Agitator wie als Anführer war, die Hoffnung nicht ganz verloren; er gedachte sich mit dem Gaildorf-Hallischen Haufen in Verbindung zu setzen, der noch keine Verluste erlitten hatte, und das Land von Neuem gegen die Fürsten zu erregen.
Aber die Ordnung im Bauernheere war aufgelöst, Alles entmuthigt, überall traf Florian Geyer nur Verwirrung, Verzagtheit und wohl sogar Verrath. Die bündischen Truppen stellten ihm und seinen arg zusammengeschmolzenen Leuten nach. Am 9. Juni 1525 wurde Geyer auf dem Spaltich, einer Waldhöhe zwischen den Schlössern Vollberg und Limburg, in der Nähe von Hall, mit dem Rest der Seinigen aufgespürt und zum Kampf gezwungen. Von seinem eigenen Schwager Wilhelm von Grumbach überfallen, fand hier Florian Geyer mit allen seinen Genossen in hoffnungslosem Kampfe den Heldentod. Der Tod im Gefecht rettete ihn vor dem Schaffot, das seine Feinde ihm zugedacht hatten.
Florian Geyer ist unzweifelhaft die edelste und charaktervollste Erscheinung in den Reihen der Bauern von 1525; klar in seinen Absichten und Plänen, entschlossen im Handeln, überragt er seine Genossen, die nicht aus der Halbheit und Unentschlossenheit herauskamen und dadurch sich selbst um die Früchte der anfangs siegreichen Bauernbewegung betrogen. Kein Zug von wildem Fanatismus oder unreiner phantastischer Ueberschwänglichkeit, wie wir beides bei Thomas Münzer und Johann von Leyden finden, entstellt sein Charakterbild; er ist in der Bestimmtheit seines Wollens, in der Einfachheit und Energie seines Wesens eine durchaus sympathische Figur und monumental steht die Erscheinung dieses Ritters im Bauernrock in der deutschen Geschichte des sechszehnten Jahrhunderts da.
Vom Bücher- und Bildermarkt für den Weihnachtstisch. Unser deutsches Christfest ist der große Kinderfreudentag. Wie die Sehnsucht unserer Herzenslieblinge nach ihrem Jubel unter dem Weihnachtsbaum von Tag zu Tag wächst, je näher wir der „heiligen Zeit“ rücken, so nimmt auch die Sorge der Eltern und aller Aelteren zu, welche die Kinderfreuden vorzubereiten haben. Das Christfest ist aber ebenso der Freudentag für die großen Kinder, in welche unter der Weihnachtstanne auch alle Aelteren sich verwandeln, die längst keine Kinderschuhe mehr tragen. Auch ihnen steht an dem leuchtenden Abend das Wort zu: „O glücklich, o selig, ein Kind noch zu sein!“
Darum hat der Weihnachts-Bücher- und Bildermarkt für Jung und Alt zu sorgen und richtet sich stets bei Zeiten darnach ein.
Bei diesem Freudenfestzug marschiren die Kleinen voran. Wir haben für sie noch wenig Vorrath vorliegen, aber doch recht Erquickliches.
Die Leipziger Lehrmittel-Anstalt von Dr. Oscar Schneider bringt ein richtiges Kinder-Märchenbuch: 1) „Das Märchen vom alten Drachen und der treuen Lisbeth“ 2) „Das Märchen vom Prinzen Pussack“ und 3) „Hansi und sein Nußknacker“. Die kühnste Kinder-Phantasie kann ihre kleine Welt nicht drolliger ausdenken, und die Bildchen sind dem Text vollkommen angemessen.
- ↑ Alle Anmeldungen von Kindern und Eltern sind an die Redaction der „Gartenlaube“ zu richten, welche mit ihrem Vertrauensmann in dieser Wohlthätigkeitssache in fortwährendem Verkehr steht.
Verschiedene: Die Gartenlaube (1883). Leipzig: Ernst Keil, 1883, Seite 770. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1883)_770.jpg&oldid=- (Version vom 20.1.2024)