Verschiedene: Die Gartenlaube (1883) | |
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„Ich bin dazu geboren, daß ich mit Rotten und Teufeln muß kriegen und zu Felde liegen, darum meiner Bücher viele so stürmisch und kriegerisch sind. Ich muß die Klötze und Steine ausrotten, Dornen und Hecken weghauen, Pfützen ausfüllen, Bahn machen und zurichten. Soll ich aber ein Fehl haben, so ist es mir lieber, daß ich zu hart rede und die Wahrheit zu heftig herausstoße, denn daß ich irgend einmal heuchelte und die Wahrheit inne behielte.“
Da haben wir den gewaltthätigen, rücksichtslosen Mann, den öffentlichen, den historischen Luther, der mit ganz erstaunlicher Energie und Unerschrockenheit in die papistische Finsterniß hineindonnerte, und dieser Mann steht unzweifelhaft dem Donndorf’schen Kopf näher.
Wir wollen uns nicht an dem Streit betheiligen, wir suchten beiden Auffassungen gerecht zu werden, aber wir dürfen hier nicht fragen: welcher Kopf ist sympathischer? sondern: welcher Kopf ist wahrer? Einzelne Stimmen gingen so weit, zu fordern, der Donndorf’sche Kopf sollte vom Wormser Denkmal entfernt und durch den von Rietschel ersetzt werden. Diese Pietät gegen den verstorbenen Meister mag rühmlich sein, ob sie berechtigt ist, steht dahin, das Luther-Denkmal steht schließlich doch nicht um Rietschel’s, sondern um Luther’s willen an seinem Platze.
Nun, das deutsche Volk kann sich jetzt sein Urtheil bilden, die letzte Instanz bleibt ihm in dieser Angelegenheit vorbehalten. Th. G.
Vermißte (Fortsetzung von Nr. 36):
60) Karl Stein, geboren 1853 zu Festenberg in Schlesien, lernte in Berlin die Handlung, hatte dort mehrere Stellungen innegehabt und überall günstige Führungsatteste erhalten. Seit 26. Oktober 1881 ist er spurlos verschwunden, nachdem er seine Stelle aufgegeben und sich bei der Polizei abgemeldet hatte. Er soll die Absicht gehabt haben, nach Java zu gehen; da er aber alle Sachen in seiner Wohnung zurückgelassen hat, befürchten seine Eltern, es sei ihm ein Unglück zugestoßen.
61) Der Bäcker Wilhelm Spier aus Kleinenbremen bei Minden (Westfalen) hat wegen unglücklicher Verhältnisse 1861 seine Heimath verlassen. Nachdem derselbe drei Jahre in London als Bäcker gearbeitet hatte, machte er auf einem russischen Schiffe Reisen nach Triest, England und Australien. Seit 1867 hat er nicht mehr an die Seinen geschrieben.
62) Der Schuhmacher Gustav Schöps aus Eisenberg in Altenburg ging 1861 von Schandau aus auf die Wanderschaft. Von Köln schrieb er, daß er nach Paris zu gehen beabsichtige. Dies ist die letzte Nachricht, die er seiner um ihn bekümmerten Schwester zukommen ließ.
63) Eduard Rudolf Schröter, geboren 1840 zu Radeburg, früher Buchbinder, zuletzt Bahnbeamter, reiste vor viereinhalb Jahren nach Hamburg, um angeblich eine Erholungsreise zu machen, und ist seitdem spurlos verschwunden. Schröter trug schwarzen Voll- und Schnurrbart, graumelirtes Kopfhaar, hatte graue Augen er war kurzsichtig und trug eine goldene Brille. Mutter und Sohn desselben bitten dringend um Nachricht.
64) Eine arme Wittwe und verlassene Mutter, Frau A. M. in Danzig, sucht ihren Sohn aus erster Ehe, A. Rudolf Soth. Derselbe hat sie seit fast zehn Jahren ohne Nachricht gelassen. Rudolf Soth, geboren 1839, begab sich 1870 mit seiner Frau nach Moskau, wo er als Mechaniker arbeitete; 1873 schrieb er, daß er im Poltaw’schen Gouvernement Beschäftigung gefunden. In seinem letzten Briefe theilte er die Absicht mit, wieder nach Moskau überzusiedeln. Seitdem wartet die Mutter vergeblich auf Kunde.
65) Aehnliches haben die Eltern Schmidt in Soldin zu beklagen. Ihr Sohn, der Maurer Friedrich Adolf Schmidt, ist seit April 1880 verschwunden. Zuletzt hat er sich in Berlin aufgehalten, von da ist er angeblich nach Schweden gegangen. Schmidt hatte schwarzes Kopfhaar, röthlichen Schnurrbart; auf der Pupille des linken Auges hatte er ein Hornpickel von der Größe eines Stecknadelkopfes.
66) Der Schneider Karl Eduard Seifert, geboren 1835, ging 1862 aus Freiberg fort, ohne zu hinterlassen wohin, schrieb darnach aus Reichenbach im Voigtland, daß er auswandern werde. Seitdem hat er nicht wieder geschrieben und ist auch trotz aller von seinen nunmehr im Greisenalter stehenden Eltern aufgewendeten Mühen und Kosten nicht zu finden gewesen.
67) Joseph Popper aus Wällischbirken in Böhmen, 23 Jahre alt, ist seit 1878, zu welcher Zeit er sich in Paris aufhielt, verschollen. Sein alter Vater bittet um Nachricht über ihn.
68) Der Aufenthaltsort Moritz Platow’s, der bis 1878 in Hill Farm bei Framglingham in der englischen Grafschaft Suffolk wohnte, wird von dem Bruder des Vermißten gesucht.
69) Der Uhrmachermeister August Schumann, 55 Jahre alt, bis 1878 fast immer in Petersburg wohnhaft, wird gebeten, seine jetzige Adresse in der Redaction der „Gartenlaube“ abzugeben. Gleichzeitig ergeht die Bitte an diejenigen, welche etwas Näheres über den Aufenthaltsort des Schumann wissen, gütigst kurze Notiz darüber niederzulegen.
70) Ein Niederösterreicher, Namens Rohringer, wanderte in den 1820er Jahren als Begleiter eines ungarischen Grafen nach Amerika aus. Mitte der 1860er Jahre brachten österreichische Blätter eine Ladung Seitens französischer Behörden an die unbekannten Erben eines in Frankreich auf der Rückreise von Amerika in seine Heimath verstorbenen Oesterreichers, gleichen Namens, welche Aufforderung in den Jahren 1872 oder 1873 wiederholt wurde. Die Verwandten jenes Rohringer erfuhren hiervon erst mehrere Jahre später, weshalb es ihnen trotz aller Bemühungen nicht mehr gelang, jene Blätter, in denen die Kundmachung enthalten war, oder die Behörde, von welcher selbe ausging, ausfindig zu machen. Es ist ihnen nur bekannt, daß der Ort, woselbst Rohringer mit Tod abging, Charlier oder Charlieu genannt worden sei. Aber auch Nachfragen an verschiedenen Orten ähnlichen Namens in Frankreich blieben erfolglos. Vielleicht ist Jemand in der Lage, durch einige Zeilen an die „Gartenlaube“ der Familie eine nähere Mittheilung zu machen.
71) Paul Sander, geboren 1847 zu Greulich bei Bunzlau, war als Former in Prenzlau beschäftigt, fuhr dann nach England und arbeitete dort wiederum als Former in Liverpool und Edinburgh. Im Jahre 1867 ließ er sich von einem Bremer Schiffe „Else“ oder „Elisa“ zu einer Fahrt nach Ostindien werben. Vor seiner Abreise schrieb er zum letzten Male. Seitdem für seine greisen Eltern verschollen.
72) Die Geschwister Pavesch vermissen seit 1858 ihren Bruder Karl Pavesch. Derselbe, geboren 1830, fuhr mit seinem siebenzehnten Jahre als Schiffsjunge, später als Schiffsschreiber auf verschiedenen amerikanischen Handelsschiffen. Die letzten Briefe datiren aus London und aus Bombay.
73) Martin Christoph Ommen, geboren zu Wittmund, 32 Jahre alt, welcher von Essen an der Ruhr im December 1881 die letzte Nachricht an seine Eltern gelangen ließ, wird aufgefordert, seinen jetzigen Aufenthaltsort anzugeben.
74) Karl Höpker aus Wiesbaden hat seit August 1880, wo er aus Glasgow schrieb, nichts von sich hören lassen und wird hiermit aufgefordert, Erbschaftsangelegenheiten halber seine Adresse der Redaction der „Gartenlaube“ zukommen zu lassen.
75) Heinrich Ellerbrock, 1857 in Kleinborstel bei Hamburg geboren, im Waisenhause erzogen, ging, nachdem er einige Zeit bei einem Krämer gelernt, im Jahre 1871 zur See. Seitdem ist er verschollen. Einem ungewissen Gerüchte nach soll er sich in Montevideo aufgehalten haben. Ihn sucht seine Schwester.
76) Ende der 1840er Jahre wanderte aus Schwersenz bei Posen Karl Klose nach Australien aus, beschäftigte sich dort mit Goldgräberei und hinterließ bei seinem ungefähr 1860 erfolgten Tode ein Vermögen von circa 40,000 Dollars. Auf einen in den Zeitungen 1874 erfolgten Aufruf hin übergaben die in Lodz in Russisch-Polen wohnenden Verwandten einem Neffen des Verstorbenen ihre Papiere zur Erhebung des Vermögens. Dieser Neffe gab als seinen Wohnort Adelaide an; er konnte aber vom Consulat dort nicht aufgefunden werden. Warum? Vielleicht kann von einem Leser der „Gartenlaube“ der Wohnort des Verstorbenen oder des Neffen ausfindig gemacht werden.
(Fortsetzung folgt.)
Ernestine Wegner. Es ist ein tragisches Verhängniß, das über den Vertreterinnen der heiteren Kunst in der deutschen Reichshauptstadt waltet. Tausende erfreuen sie durch ihren glücklichen Humor, durch die Anmuth ihrer Erscheinung und ihres Spiels, und sie selbst, die so viel Fröhlichkeit um sich verbreiten, steigen früh in’s Grab. Bald nach Mathilde Ramm-Beckmann und nach Adele Krèn ist nun auch Ernestine Wegner gestorben, wie jene in der Blüthe ihrer Jugend und ihres Talentes, kaum nachdem sie ihren großen Ruf in der Künstlerwelt fest begründet hatte. Noch nicht dreißig Jahre alt, zur schmerzlichen Ueberraschung aller der zahllosen Freunde ihres Talentes, die kaum von ihrer Krankheit gehört hatten, ist Ernestine Wegner am 2. November in Wiesbaden entschlafen. Die „Gartenlaube“ hat im Jahre 1878, als Ernestine Wegner dem Berliner Wallner-Theater eine neue Glanzperiode schuf, das Portrait der Künstlerin und ihre Charakteristik aus der Feder Albert Traeger’s gebracht. Heute, wo wir den frühen Tod der unvergleichlichen Soubrette beklagen, können wir ihr kaum einen treffenderen Nachruf widmen, als mit der Wiederholung der damals geschriebenen Worte Traeger’s: „Ihr sprudelnder Humor, ihre liebenswürdige, kecke Unbefangenheit, ihre übermüthige Laune machen sie zu einer der vorzüglichsten, unwiderstehlichsten Soubretten, aber sie ist unendlich mehr als ein weiblicher Clown oder ein Hanswurst im Unterrock. Sie hat Natur und Herz und jenes feine Gefühl, das man den künstlerischen Verstand nennen möchte; ihre jedes Hindernisses spottende Gestaltungsfähigkeit bleibt immer auf jenem Gebiete, das von den Linien der Wahrheit und der Schönheit begrenzt wird.“ Dieser ewig lachende Mund hat sich nun für immer geschlossen.
Kleiner Briefkasten.
K. F. in Hamburg. Ueber die erste Frage wird Ihnen in jeder Buchhandlung Auskunft ertheilt. Als Reuter-Verehrer wird Ihnen die Nachricht willkommen sein, daß die hiesige Verlagshandlung von C. A. Koch soeben zwei „Ergänzungsbände zu den sämmtlichen Werken von Fritz Reuter“ in zweiter Auflage herausgegeben hat. Der erste Band zeigt Ihnen Reuter als Dramatiker; indem er die Lustspiele: „Der 1. April 1856“ und „Fürst Blücher in Teterow“ enthält; der zweite Band bringt unter dem Namen „Julklapp“ eine Sammlung von Polterabendgedichten (gleichfalls in leichter dramatischer Form). Aus den meisten der hübsch erfundenen Julklapp-Gedichte lacht Reuter’s prächtiger, gemüthvoller Humor, und die beiden Lustspiele sprechen vorzugsweise durch die natürliche Zeichnung der einzelnen Personen an.
R. P. in Lausanne. Marlitt’s „Haideprinzeßchen“ finden Sie im Jahrgang 1871, Nr. 31.
J. F. in Paris. Sie haben darin Recht, daß die Melodie der Marseillaise kein französisches Original ist: Rouget de l’Isle entnahm sie der „Missa solemnis“ Nr. 4 des deutschen Componisten Holzmann.
F. M. in Bremen. Nach ärztlichen Autoritäten Schwindel.
Inhalt: Glockenstimmen. Eine Bürgergeschichte aus dem 17. Jahrhundert. Von Stephanie Keyser. S. 741. – Die Pürschfahrt. S. 744. Mit Illustration von Ludwig Beckmann. S. 745. – Eine chinesische Seeräubergeschichte. Aus dem Originalberichte eines Seecapitains. S. 746. – Die Braun in Trauer. Von Ernst Wichert (Fortsetzung). S. 748. – Doctor Martin Luther. Von Emil Zittel (Schluß). S. 751. – Blätter und Blüthen: Die Taubenfütterung auf dem Marcus-Platz in Venedig. S. 754. Mit Illustration S. 749. – Eine Locomotive. – Der Luther-Kopf zu Worms. S. 755. Mit Abbildungen. S. 752 und 753. – Vermißte. – Ernestine Wegner. – Kleiner Briefkasten. S. 756.
Verschiedene: Die Gartenlaube (1883). Leipzig: Ernst Keil, 1883, Seite 756. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1883)_756.jpg&oldid=- (Version vom 20.1.2024)