Verschiedene: Die Gartenlaube (1883) | |
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von Vivi der reichhaltigen Vegetation. Die hohen Gräser, untermischt mit Zwergbäumen und Buschwerk, beherrschen Hügel und Hänge; blos an einigen Stellen der Bachbetten und des Congo-Ufers stehen Waldbäume in lichten Reihen. Auf den öden Berghalden findet sich hier zum ersten Male die Camoensia maxima (siehe Abbildung S. 730). Sie entwickelt vorzugsweise während der Trockenzeit lockere Sträuße ihrer schön gestalteten, vornehmen, zart weißen Blüthen, welche einen betäubenden Orangenduft aushauchen und bisweilen die Größe einer Hand erreichen. Der sonst unscheinbare, Ruthen wie Ranken treibende und wenig belaubte Strauch ist eine der Charakterpflanzen des Hochlandes.
Oberhalb Vivi, wo der Congo von links zwischen den jäh abfallenden Bergwänden hervorkommt, mündet am Südufer der wildbachähnliche Mposofluß. Von dort setzen die Eingeborenen in Canoes über den Strom. Vor seiner Mündung liegen einige spärlich bebuschte Klippen: die Burton-Klippen. Wir haben sie Consul Burton zu Ehren so benannt. Denn dort übernachtete der unermüdliche Reisende, der von Afrika mehr gesehen hat, als irgend ein Anderer, und von dort kreuzte er den Congo, als er, 1863 von Noki über Land dahin gelangt, als der erste Europäer nach Tuckey’s Expedition bis zu den Yelalafällen vordrang.
Der Yelala liegt hinter den Bergen versteckt, in gerader Linie etwa sechs Kilometer von Vivi entfernt; indessen bildet der Congo, wie bereits Tuckey und Burton hervorheben, dort nicht einen Wasserfall, sondern nur eine ungeheure, etwa zwei Kilometer lange, durch zahlreiche Klippen verursachte Stromschnelle. Zu manchen Zeiten schallt deren tiefes, mächtig vibrirendes Tosen deutlich bis nach Vivi herüber.
Doctor Martin Luther.
Nach jener Erklärung Luther’s, auf der Leipziger Disputation, die wir als „Proclamation des protestantischen Princips“ bezeichneten, wurde es dem Dr. Eck gar leicht, in Rom den Erlaß einer Bannbulle gegen den Ketzer zu erwirken, und triumphirend kehrte er mit ihr nach Deutschland zurück. Hier aber kam er damit freilich fast überall recht übel an: er wurde öffentlich verhöhnt, in Erfurt geradezu aus der Stadt gejagt und am Anschlag der Bulle vielfach mit Gewalt verhindert; Luther aber, der dieselbe zuerst in einer Flugschrift als eine Fälschung Eck’s bekämpfte, übergab sie, nachdem er eines Besseren belehrt war, am 10. December 1520 öffentlich und feierlich vor dem Elsterthor in Wittenberg dem Feuer, nachdem er zu gleicher Zeit eine „Appellation an ein allgemeines Concil“, das über den Papst zu richten habe, hatte ausgehen lassen, und schrieb gegen den Letzteren das schon durch seinen Titel den Bruch offen kennzeichnende Buch „Wider die Bullen des Antichrists“, oder wie man damals zu schreiben pflegte, „des Endechrists“.
Wenn damals der ehemalige Jurist mit der Bulle und den päpstlichen Decretalen auch das Corpus juris canonici dem Feuer überantwortete, so verkündete er damit in prophetischem Geiste die Emancipation des modernen Rechtsstaates von der Oberherrschaft des theologischen Dogmas und der kirchlichen Clerisei!
In diesem denkwürdigen Jahre 1520 hat Luther nicht weniger als zwanzig Flugschriften, zum Theil von erheblichem Umfang, ausgehen lassen, darunter seine drei berühmtesten Reformationsschriften: „An den christlichen Adel deutscher Nation von des christlichen Standes Besserung“, dann „Von der Freiheit eines Christenmenschen“ und „Von der babylonischen Gefangenschaft“, von welchen die beiden letzteren zuerst in lateinischer Sprache, dann in deutscher Bearbeitung von Luther’s Hand erschienen. In der Vorrede zu dem Büchlein „Von der Freiheit eines Christenmenschen“, welches Luther in naiv-treuherziger Weise dem hochgebildeten Papst Leo X. widmete, stehen die bedeutsamen Worte:
„Ich habe freilich die römische Curie angetastet, von der Du aber selbst bekennen mußt, daß sie nichts besser ist als je ein Sodoma, Gomorrha oder Babylon gewesen ist. Dadurch ist die römische Kirche, die vor Zeiten die allerheiligste war, nun eine Mördergrube geworden, ein Haupt und Reich aller Sünde, des Todes und der Verdammniß, das nicht schlimmer sein könnte, wenn gleich der Antichrist selbst käme. Indeß sitzest Du, heiliger Vater Leo, wie ein Schaf unter den Wölfen (Matth. 10, 16) und gleichwie Daniel unter den Leuen (Dan. 6, 16 ff.) und mit Ezechiel unter den Scorpionen (Ezech. 2, 6). Was vermagst Du Einziger, wenn Dir schon drei oder vier gelehrte und fromme Cardinäle zufielen, unter solchem Haufen? Ihr müßtet eher durch Gift untergehen, ehe Ihr helfen könntet. Die Krankheit spottet der Arznei, Pferd und Wagen geben nichts auf den Fuhrmann.
Das ist die Ursach, warum es mir allzeit ist leid gewesen, Du frommer Leo, daß Du ein Papst geworden bist in dieser Zeit, der Du wohl würdig wärest, in besseren Zeiten Papst zu sein. Der römische Stuhl ist Deiner und Deines Gleichen nicht werth, sondern der böse Geist sollte Papst sein, der auch gewißlich mehr als Du in dem neuen Babylon regiert.
So habe ich gehofft, bei Dir Gnade und Dank zu verdienen und für Dein Bestes zu handeln, wenn ich solchen Deinen Kerker, ja Deine Hölle nur frisch und scharf angriffe.
Also komm ich nun, heiliger Vater Leo, um Dich, zu Deinen Füßen liegend zu bitten, Deinen Schmeichlern einen Zaum anzulegen. Daß ich aber sollt’ widerrufen meine Lehre, da wird nichts daraus; soll’s auch Niemand fordern, er wolle denn noch größere Wirren anfachen. Dazu kann ich auch nicht Regeln oder Maße für die Auslegung der Schrift dulden, weil das Wort Gottes, das alle Freiheit lehrt, nicht soll noch darf gefangen sein. Wo mir diese zwei Stück bleiben, so will ich, was mir sonst sollt’ aufgelegt werden, willig thun und leiden.“
Unterdessen war der alte Kaiser Max, der im Anfange des Streites gemeint hatte, diesen Mönch müsse man aufheben, man könne ihn vielleicht wohl gegen den Papst brauchen, im Januar 1519 gestorben. Man hatte an die Wahl Friedrich’s des Weisen gedacht, der aber bei seiner kleinen Hausmacht nicht Lust hatte, ein Spielball der übrigen Fürsten zu werden. Um so weniger wollten Papst und Fürsten es vor der Wahl mit ihm verderben und ließen deshalb die Wittenberger einstweilen unangefochten. Aber als nun gegen Ende des Jahres 1520 der jugendliche Karl V. als deutscher Kaiser erwählt worden war, wollte derselbe denn auch sofort daran gehen, die ungeordneten kirchlichen Zustände in Deutschland, insbesondere in Sachsen, zu beseitigen und mit vielen anderen kirchlichen wie politischen Angelegenheiten auf einem Reichstage, den er auf das Frühjahr 1521 nach Worms ausschrieb, von sich aus so gut als möglich ordnen. Der Wormser Reichstag, insbesondere der Festzug des gebannten Luther’s von Wittenberg nach Worms und sein Verhalten daselbst ist das allbekannteste und auch in der That bedeutsamste Stück seines Lebens. Denn wenn er hier gezagt und nachgegeben hätte, so wäre sein Name gar bald von den Wogen der Zeit verschlungen worden und die Reformbewegung vielleicht gänzlich in’s Stocken gerathen oder doch jedenfalls auf andere, für uns völlig unberechenbare Wege geführt worden. Hier in Worms aber bewährte sich Luther durch seinen ebenso festen und trotzigen, als bescheidenen Heldenmuth als ein echter Führer des Volkes. Damals schrieb er dem Freunde Spalatin: „Der lebt und herrscht noch, der die drei Männer im Feuerofen des Königs von Babel erhalten hat. Will er mein Haupt nicht erhalten, so ist wenig daran gelegen,“ und fügte dann das Wort hinzu, daß er hingehen werde, „wenn auch so viel Teufel in Worms wären, als Ziegel auf den Dächern“ – ein Wort, das in dem später gedichteten Liede „Ein’ feste Burg ist unser Gott“ seinen Nachklang gefunden hat.
Und treu hat er es auch durchgeführt, als der heldenhafte Zeuge des protestantischen Grundgedankens von der Nothwendigkeit einer persönlichen, selbsterfahrenen, innerlichen Geistes- und Herzensfrömmigkeit, eines individuellen und subjectiven Verständnisses der überlieferten Religion, das sich, eben weil es ein
Verschiedene: Die Gartenlaube (1883). Leipzig: Ernst Keil, 1883, Seite 734. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1883)_734.jpg&oldid=- (Version vom 20.1.2024)