Verschiedene: Die Gartenlaube (1883) | |
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Gesichtszügen ein menschenfreundliches würdevolles Gemüth spricht. Sie wurde am 10. August 1829 auf dem Gute ihres Vaters, Herrn Walz, auf dem Schweizerhof bei Ellwangen in Württemberg geboren und zog mit ihren Eltern später nach Hohenheim, wo der Vater Director der Landwirthschaft- und Forstakademie wurde. Sie heiratete den Laudwirthschaftslehrer Dr. Weber, welcher später Professor an der Universität Tübingen wurde. Jahre lang lebten sie auf dem Lande, ihrem Gute Bläsieberg. Hier bildete sich im Verkehr mit dem Volke das Verständniß der human fühlenden Frau für dessen Bedürfnisse.
Seit 1870 nach Tübingen in’s eigene Haus übergesiedelt, wandte sie alle freie Zeit humanen Vereinen zu, die sie zum großen Theil selbst begründet und in denen sie die Mission der socialen Pflichten der Frau erfüllt, über die sie so meisterhaft geschrieben hat. Soeben erscheint von ihr eine Broschüre: „Die Mission der Hausfrau“.
Ein halbes Jahr später, als der „Allgemeine deutsche Frauenverein“, wurde zu Berlin auf Anregung des verewigten Präsidenten Lette, an dessen Namen sich so viele Schöpfungen für’s Wohl der Menschheit knüpfen, ein Verein zur Förderung der Erwerbsfähigkeit des weiblichen Geschlechts begründet, der bald nach dem Tode des Stifters den Namen „Lette-Verein“ annahm. Der Begründer, der zugleich Vorsitzender war, übergab alsbald das Amt der Schriftführung einer Dame, welche bereits den ersten Frauentag zu Leipzig besucht und sich stets mit den Bestrebungen für Frauenerwerb und Frauenerziehung beschäftigt hatte. Es war Jenny Hirsch, geboren den 25. November 1829 zu Zerbst, welche dies Ehrenamt mit großer Umsicht unterbrochen bis zum April 1883 verwaltete; in ihrer Eigenschaft als Schriftführerin besuchte sie die Frauentage zu Berlin, Darmstadt, Hamburg, Wiesbaden, Breslau und Lübeck. Von 1870 bis 1881 redigirte sie den „Frauenanwalt“. Seit dem April dieses Jahres hat sich Jenny Hirsch von aller Vereinsthätigkeit zurückgezogen, um sich ausschließlich der schriftstellerischen Thätigkeit zu widmen, die sie schon von 1860 bis 1864 als Mitglied der Redaction des „Bazars“ geübt hatte.
Nach des edlen Präsidenten Lette Tode leitete eine zeitlang Professor von Holtzendorff den nach seinem Stifter genannten „Lette-Verein“, bis die älteste Tochter des Verstorbenen den Vorsitz übernahm, welche seit 1855 ihrem Vater bereits eine wesentliche Stütze gewesen war.
Frau Anna Schepeler-Lette, welche als Delegirte des von ihr vertretenen Vereins den Frauentag zu Düsseldorf besucht hat, ist 1829 zu Soldin geboren, verbrachte ihre Jugendjahre in Frankfurt an der Oder und Berlin, wohin ihr Vater versetzt worden war, und begleitete denselben 1848 nach Frankfurt am Main, als er zum Abgeordueten in’s deutsche Parlament gewählt worden war. Hier entschied sich ihr Lebensschicksal. Sie lernte den Großhändler Herrn Schepeler kennen und wurde dessen Gattin. Allein ihr Eheglück wurde durch den Tod ihrer Kinder, durch langes Leiden und den Tod ihres Mannes getrübt, und Frau Schepeler, die ihm allzeit eine treue Freundin, Beraterin und Pflegerin gewesen, zog nach seinem Verlust auf den Wunsch ihres Vaters 1866 nach Berlin; doch auch hier entzogen sie bald wieder ernste Pflichten der Wirksamkeit nach außen hin. Der Vater erkrankte. Monate lang war sie ihm nebst der liebreichen Schwester eine unermüdliche Pflegerin bis zu seinem am 3. December 1868 erfolgten Tode.
Es ist ihr gelungen, das Werk des edlen Vaters zu einem Muster aller ähnlichen Bestrebungen zu machen, aber sie hat auch ihr ganzes Sein dafür eingesetzt. Das Lette-Haus in Berlin mit all seinen segensreichen Anstalten ist das schönste Denkmal, das dem Stifter errichtet ist. In ihm wird die Erziehung der Frau zur Arbeit gepflegt, die Berufsbildung, und es wird auf immer neue Mittel und Wege gesonnen, die Schranken wegzuräumen, welche einer Entfaltung geistiger Kräfte und technischer Fertigkeiten der Frauen hindernd im Wege stehen. 1876 unternahm Frau Schepeler-Lette die Reise nach Amerika, um auf der Weltausstellung zu Philadelphia und in andern bedeutenden Städten weibliche Unterrichtsanstalten und Unterrichtsmittel kennen zu lernen.
Im Jahre 1869 berief der „Lette-Verein“ einen Frauentag nach Berlin, auf welchem die Erwerbs- und Bildungsvereine zu einem Verbande zusammentraten, welcher den „Lette-Verein“ als geschäftsführenden Leiter wählte, mit der Bestimmung, alle zwei Jahre einen Frauentag da abzuhalten, wo schon Verbandvereine bestehen und ein Austausch der Erfahrungen stattfinden, neue Anregungen gegeben werden sollen. Nachdem bis zum Jahre 1877 beide Vereinsgruppen neben einander ohne jegliche Verbindung tagten, wurde auf dem Frauentage zu Frankfurt am Main eine Vereinbarung getroffen, von da ab gegenseitig Deputirte zu den Jahr um Jahr abwechselnd abzuhaltenden Versammlungen zu senden. Diesen Modus siegreich durchgeführt zu haben, war eines der letzten guten Werke der hoch verdienstvollen Luise Büchner aus Darmstadt, deren Name unsterblich und hervorragend fortleben wird in der deutschen Frauenbewegung.
Diese Frauenbewegung wie wir sie nunmehr kennen gelernt haben, kann nur unsere Sympathien erwecken, und wir schließen mit dem herzlichen Wunsche, daß diese Zeilen dazu beitragen mögen, dies edle Streben deutscher Frauen mehr und mehr zu verbreiten und zu fördern.
Unter Spitzbuben.
Der Staatsanwalt fragte mich zunächst, ob ich Italienisch rede. Als ich verneint hatte, ließ er mich durch den Dolmetscher, nachdem er ihn vereidet hatte, fragen, welche Sprachen ich spreche.
Ich erwiderte ihm: „Deutsch, Französisch, Englisch.“
Das könne nicht wahr sein, rief der kleine Mann, denn wie könne man diese Sprachen erlernt haben und nicht einmal das Italienische.
Als ihm der Dolmetscher in aller Bescheidenheit bemerkte, solcher Barbarismus sei in Deutschland oft zu finden, schüttelte er das weise Haupt und murmelte:
„Impossibile! Impossibile!“
Hierauf mußte ich mich über meine Person, meine Verhältnisse, den Zweck meiner Reise, sowie den an mir verübten Diebstahl und den Conflict mit dem Gastwtrth auslassen. Ich that dies und unterließ nicht, auf meine Legitimationspapiere hinzuweisen, sowie auf verschiedene Briefe, die die Wahrheit meiner Angaben zu bestätigen im Stande waren und die man mir abgenommen hatte.
Nach Schluß der Verhandlung wurde mir eröffnet, daß ich auf Antrag jenes Wirthes wegen Diebstahls angeklagt werde, da ich, wie er behaupte, lediglich in der Absicht bei ihm eingekehrt sei, um nicht zu zahlen. Ich glaubte erst, nicht recht gehört zu haben; dann aber, meiner kaum mächtig, protestirte ich laut und heftig gegen eine solche Insinuation und verlangte die Aufnahme des Protestes, indem ich bemerkte, daß wohl eher der Ankläger an meiner Stelle sein müsse, da aus der Rechnung ersichtlich sei, wie er Dinge angesetzt habe, die ich nicht empfangen, sogar die Zeit meines Aufenthaltes habe er doppelt gerechnet. Mein Protest wurde zwar aufgenommen; meine Angaben über den Wirth und seine Rechnung aber als nach Ansicht des Staatsanwaltes werthlos unbeachtet gelassen.
Während der Verhandlung hatten sich meine Schmerzen vermehrt und veranlaßten mich zu dem Versuch, einen gesünderen Aufenthalt zu erbitten und einen Arzt zur Untersuchung.
Lachend erwiderte der edle Herr: ein Mann, der noch am Tage vorher gegessen und getrunken habe – wobei er eine entsprechende Handbewegung nach dem Munde machte – könne heute unmöglich krank sein.
Darauf machte ich die Mittheilung, daß die Gefangenen voll – Ungeziefer wären.
Schallendes Gelächter war die Antwort und der Herr Staatsanwalt erkärte, indem er sich zurücklehnte und seine Virginia weiter schmauchte, ich werde behandelt, wie jeder andere Gefangene, mehr könne ich nicht verlangen.
Zurückgeführt in das feuchte Gewölbe, fühlte ich das Fieber zunehmen und mit ihm die Schmerzen. Aber niemand kümmerte sich darum. Am Abend kam Bruder Meiniges, um mit mir „gut deutsch zu spreche“. Ich fragte, ob es denn hier Gebrauch sei, die kranken Gefangenen ohne Arzt und Hülfe zu lassen.
„O, noi,“ erwiderte er, „wenn sein krank, muß melden an die Morgen bei Unterofficier.“
Nach einer abermaligen schlaflosen Nacht that ich dies denn auch, der Unterofficier notirte es und holte mich richtig gegen Mittag ab, um mich dem Arzte vorzustellen. Er war ein kleiner ältlicher Mann. Ich redete ihn in französischer Sprache an und bat ihn, mich auf meine Schmerzen hin zu untersuchen. Wie von der Tarantel gestochen, fuhr er auf und schrie mich an, hier habe man nur italienisch zu reden. Ich sah, hier war nichts zu machen, und deshalb ersuchte ich Bruder Meiniges, der dabei stand, mich in die Zelle zurückzuführen. Dieser zögerte und sah den Arzt an, indem er ihm mein Verlangen mittheilte. Da sprang dieser auf, stellte sich vor mich hin und: „Parlez français!“ lautete die nicht freundliche Aufforderung.
Verschiedene: Die Gartenlaube (1883). Leipzig: Ernst Keil, 1883, Seite 722. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1883)_722.jpg&oldid=- (Version vom 27.1.2024)