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Seite:Die Gartenlaube (1883) 682.jpg

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1883)

„Wenn ich Ihnen nur nicht lästig falle!“ Er schloß sich ihr an. „Darf ich Ihnen den Shawl tragen – oder das Buch?“

„Die Gegenstände beschweren mich nicht.“

„Aber wenn man sich gern nützlich beweisen möchte! Ein Gebetbuch?“

Helene erröthete über das ganze Gesicht. „Nein!“ sagte sie in heftigem Ton.

Er lächelte. „Ich hätte meine Frage anders fassen sollen: doch nicht ein Gebetbuch?“

„Nein, nein!“ fiel sie nun fast ängstlich ein. „Ihre Voraussetzung war gewiß sehr gerechtfertigt: Der Platz eignete sich nicht –“

„Aber, mein bestes Fräulein,“ unterbrach er, „was für Ansichten wollen Sie mir da aufbürden? Braucht man zum Leben überhaupt ein Gebetbuch? Braucht man dazu eine bekannte Stelle? Oder glauben Sie sich in meinen Augen zu versündigen, wenn Sie das reizend schattige Plätzchen eines Friedhofes benutzen, um in idyllischer Zurückgezogenheit einen interessanten Roman –“

„Es ist kein Roman – gewiß nicht,“ versicherte sie lebhaft abwehrend.

Er warf einen Seitenblick auf das Buch. „Goldschnitt! Also wirklich kein Roman. Gut! es ist mir gleich. Eine Sammlung von schönen Gedichten, nicht wahr? Etwas für’s Herz. Vortrefflich! Für stimmungsvolle Verse ist das umgitterte Plätzchen unter der Linde ganz wie geschaffen. Wenn ich nicht irre, schlug vorhin auch eine Nachtigall in der Nähe. Poesie – das ist Gebet. Sie erhebt die weltmüde Seele zu allem Höchsten, sie idealisirt das Leben, sie macht uns gut und fromm, sie heiligt unser Fühlen und Denken. Womit besser können wir uns an dem Grabe eines theuren Verstorbenen beschäftigen?“

„Mit Gedanken an ihn,“ sagte sie rasch, aber leise.

Er blinzelte über die Brille hin. „Mein theures Fräulein, beschweren Sie sich doch nicht mit Vorwürfen, die Sie am wenigsten zu verdienen glauben können. Was verlangen wir denn von uns? Man kann nicht Jahre lang Tag für Tag in der Stimmung sein, Gedanken zu erneuern, die sich naturgemäß sehr bald erschöpfen müssen. Wohin man täglich geht, dahin trägt man auch sein tägliches Empfinden. Soll unser Gefühl nicht vollends verflachen, so müssen wir ihm ein geistiges Element zutragen. Was kann man Löblicheres thun, als sich an dem Orte, der eine ernste Bedeutung hat, mit den Gedanken erfüllen, die der Dichter in den feierlichsten Stunden seines Lebens dauernd schön geformt hat?“

Wieder sprach er nur aus, was sie selbst gedacht hatte. Aber es war ihr peinlich, daß er’s aussprach. Sie hatte, wie auch sonst schon mitunter, das Gefühl, daß er gewaltsam einen Zugang zu ihrem Innersten zu erzwingen bemüht sei. Und es war ihr, als ob sie sich um so ängstlicher verschließen müßte. Sie beschleunigte ihre Schritte.

Beim Einsteigen in den Wagen war er ihr behülflich. Konnte sie sich getäuscht haben? Nein, er hatte ihr die Hand gedrückt.

(Fortsetzung folgt.)




Aus dem dreieinigen Königreich.

Ein Beitrag zum Verständnis der kroatischen Wappenfrage.
Von Ferdinand Schifkorn.

Kroatien als Bezeichnung eines bestimmten Landgebietes gehört zu jenen geographischen „Begriffen“, welche dem Nichtösterreicher von der Schulzeit her als dunkle Punkte im Gedächtnisse haften, für deren spätere Klärung sich jedoch höchst selten Gelegenheit ergiebt.

Die breite Heerstraße der Touristen führt eben nur in die pittoresken Alpenländer Oesterreichs, um von dem großen Ausgangspunkte, der lebensfrohen Residenz, über Triest auf glatter Eisenspur oder sonniger Meeresfläche den alten germanischen Herzenszug nach dem Süden zu befriedigen; selbst ein gelegentlicher Abstecher nach Fiume, der aufstrebenden Rivalin Triests und Venedigs, erinnert nur insofern an die Existenz des „Königreiches Kroatien“, als man erfährt, daß die stets begehrlichen Magyaren auch dieses Kleinod mit eiserner Reiterfaust festhalten, ohne sich den Besitz durch rechtliche Scrupel oder liebevolle Rücksichten für die „kroatischen Brüder“ verkümmern zu lassen.

Als nun vor wenigen Wochen der elekrische Funke uns aus jenem Lande die Nachricht von plötzlich ausgebrochenen Unruhen brachte, da fehlte wohl den meisten deutschen Lesern das Verständniß für die Bedeutung und Tragweite jener Vorgänge. Warum hat denn die Anbringung eines Wappenschildes mit magyarisch-kroatischer Umschrift an dem Finanzgebäude zu Agram einen solchen Sturm entfesselt? Warum behandelte man die Revoltirenden mit einer für unsere Begriffe von staatlicher Ordnung so zarten Nachsicht? Das waren Fragen, die auf den Lippen Vieler schwebten und zum größten Theil unbeantwortet blieben.

Nur ein Blick in die Geschichte des Landes löst den Schleier dieses Geheimnisses, und diese Geschichte läßt sich zum Theil an der Hand der kroatischen Wappen erkären.

Sehen wir uns zuerst das nebenstehende an! Es ist das alte Wappen des dreieinigen Königreichs Kroatien, Slavonien und Dalmatien mit der kroatischen König Zwonimir-Krone. Es weckt in uns Erinnerungen an längst vergangene Zeiten, in denen jenes Land eine nicht unbedeutende und blühende Macht bildete. Und diese Blüthe hatte es nur der deutschen Schirmherrschaft zu verdanken!

In den ersten Jahrhunderten der neueren Geschichte bildete Kroatien eine öde Wildniß, denn sengende und plündernde Avarenhaufen hatten in ihm nach barbarischer Sitte gehaust. Als sie aber ihre Raubzüge bis nach Thüringen ausgedehnt hatten, da zog der Frankenkönig Karl der Große gegen dieselben zu Felde, nicht aus Eroberungsgier, sondern um die Grenzen seines Reiches zu schützen. 796 wurde das wilde Asiatenvolk auf’s Haupt geschlagen und Kroatien als südöstliche Grenzmark dem deutschen Reiche angefügt. Da wurden Ruhe und Ordnung in dem verödeten Lande durch kaiserliche Beamte hergestellt, stammverwandte Ansiedler wanderten von dem benachbarten Dalmatien ein, bis die Eingeborenen allmählich zur Macht gelangten und ihre Herrscher als selbstständige kroatische Herzöge auftreten durften.

Schon im Jahre 888 konnten sie als Schutzherren dalmatinischer Seestädte Venedig Trotz bieten, und ihre Herrschaft wuchs beständig, bis mit dem kroatischen Wappen, welches ein roth-weißes Schachfeld zeigte, auch die drei goldenen Leopardenköpfe des dalmatinischen Wappens und dasjenige von Slavonien vereinigt wurden. Schon um das Jahr 970 nahm der kroatische Fürst Dirzislaw den königlichen Titel an und sein Nachfolger Zwonimir wurde auch als solcher anerkannt.

Aber seine Krone sollte nicht lange das kroatische Wappen schmücken, schon gegen das Ende des elften Jahrhunderts mußte sie einer andern weichen, der ungarischen Stephans-Krone, welche auf dem zweiten von uns abgebildeten Wappen zu sehen ist. Seit jener Zeit begann die lange Leidensperiode des kroatischen Volkes, deren Folgen, wie die neusten Vorfälle zeigen, bis heute nicht verwunden sind. Kroatien wechselte seine Herrscher, bald waren es Ungarn, bald Venetianer oder Türken, welche sich als Herren und Gebieter des Landes benahmen und trotz der Fruchtbarkeit desselben keinen Wohlstand aufkommen ließen.

Das Geschick der kroatischen Nation erfuhr auch unter österreichischer Herrschaft (seit 1797) keine nennenswerthe Veränderung, denn auf Wunsch magyarischer Magnaten wurde Kroatien mit dem Gebiet der Stephans-Krone vereinigt. Eine Ausnahme hiervon bildete die sogenannte Militärgrenze, deren allmähliche Organisation in den Zeitraum von 1741 bis 1766 fällt, die sich vom adriatischen Meere bis Orsova erstreckte und, in neunzehn Regimentsbezirke eingetheilt, unter militärischer Verwaltung stand.

So blieb es bis 1848, in welchem Jahre die lange unterdrückte Erbitterung gegen die magyarische Herrschaft im ganzen Lande in hellen Flammen emporloderte. Es ist genugsam bekannt, welche Gräuel leidenschaftlicher Nationalhaß und rachsüchtige Erbitterung auf beiden Seiten in den nachfolgenden Wirren herbeiführten, ebenso, welchen bedeutenden Einfluß die militärisch organisirten

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1883). Leipzig: Ernst Keil, 1883, Seite 682. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1883)_682.jpg&oldid=- (Version vom 28.1.2024)