Verschiedene: Die Gartenlaube (1883) | |
|
Zwanglose Blätter. Beilage zur Gartenlaube Nr. 41, 1883.
Eine billige und praktische Bienenwohnung.
Neu ist die Erfindung nicht, auf welche wir heute unsere Leser aufmerksam machen wollen. Aber es ist nicht allein die Pflicht eines Volksblattes, nur mit Neugkeiten vor seinen Leserkreis zu treten, nicht minder wichtig und dankbar ist auch die Aufgabe, bereits bewährte Einrichtungen in Erinnerung zu bringen und durch ihre Verallgemeinerung zur Hebung des allgemeinen Wohlstandes beizutragen.
Es giebt viele Quellen des Wohlstandes, die leider in unserm Vaterlande nicht gehörig ausgenutzt werden, weil das Verständniß für dieselben im Volke fehlt, und bedauernswerther Weise muß auch die Bienenzucht als solche bezeichnet werden. Und doch ist sie ebenso wie die Seidenzucht geeignet, gerade dem „kleinen Manne“ die größten Vortheile zu bieten, ihm eine nicht unbeträchtliche Nebeneinnahme zu sichern, und ihm auf diese Weise von mancher Sorge zu befreien.
Wie wir aus denselben Gründen vor Kurzem nicht ohne Erfolg für den rationellen Anbau des Maulbeerbaumes eintraten, so möge uns heute gestattet sein, auf einen Fortschritt in dem uralten Gewerbe des Imkers hinzuweisen. Die Anzahl der kleinen, über Haus und Garten verfügenden Leute, an die sich unsere Worte richten, ist so bedeutend, daß dieses Thema nur einem geringen Theile unserer städtischen Leser fremd erscheinen dürfte.
Nirgends im deutschen Reiche wird die Bienenzucht mit solcher Sachkenntniß und Geschicklichkeit und in solcher Ausdehnung betrieben, als in der nördlichen Gegend der Provinz Hannover, dem Herzogthum Braunschweig und dem hieran grenzenden Theile der Provinz Sachsen, wo viele Bewohner ausschließlich von ihr leben, mindestens eine sehr reichlich lohnende Nebenbeschäftigung in ihr besitzen. Prediger, Lehrer, kleine Grundbesitzer und Handwerker stellen hier das Contingent der Imker. Dieselben haben je nach Umständen 40 bis 200, auch mehr Standvölker, die sie auf einem verhältnißmäßig kleinen Raume in einem Bienenhause, Bienenlagd, aufstellen und im Frühlinge verdreifachen, aber im September, am Schlusse der Saison, etwa wieder zu zwei Drittel tödten, um den Honig und das Wachs ernten zu können. Ihre Honigernte beläuft sich durchschnittlich für das Jahr auf 8 bis 40 Tonnen Honig, die Tonne zu 150 Kilo gerechnet. Das Kilo Seimhonig kostet etwa 1 Mark, demnach erzielen sie aus ihren Zuchten bei den niedrigsten Honigpreisen jährlich 1200 bis 6000 Mark. Der Ertrag aus dem gewonnenen Wachse deckt etwa die Betriebsunkosten. Nun stellen sich aber die Preise der besten Honigsorte dieser Imker meistens auf 1 Mark 50 Pfennig für das Kilo, und nicht selten ernten sie von 40 Standvölkern nicht 8, sondern 10 Tonnen Honig. Gewiß eine schöne Rente, wenn man dabei bedenkt, was für ein geringes Anlagecapital nöthig ist und wie wenig Zeit von April bis October täglich einige Stunden der Betrieb erfordert.
Und alle diese schönen Erträge gewinnen die Imker durch eine Betriebsweise, die uralt und von den Vätern auf sie vererbt worden ist, in einer Bienenwohnung, welche höchst einfach ist und durch eine vielleicht mehr als tausendjährige Erfahrung erprobt wurde, im sogenannten Lüneburger Strohstülper. Derselbe ist billig, leicht anzufertigen, gewährt durch sein einfaches Umstülpen, Herumnehmen, eine rasche Uebersicht und leichte Behandlung der Bienen, welche in ihm ganz vortrefflich gedeihen. Einen Hauptvorzug vor vielen anderen Bienenwohnungen hat der Strohstülper dadurch, daß er sich ganz vorzüglich zur Wanderung, das heißt zur Ueberführung der Bienen von einer Weide auf die andere, eignet.
Die Betriebsweise dieser Bienenwirthe, Haid-Imker genannt, weil sie mit ihren Völkern alljährlich nach den großen Haideflächen der Provinz Hannover wandern, ist durch und durch mit ihrem Stülpkorbe verwachsen und regelt sich nach allgemein anerkannten Grundsätzen, die ein Lehrgebäude bilden, welches man die alte Haid-Imkerschule nennt.
Seit längeren Jahren ist nun derselben eine neue Imkerschule zur Seite getreten, welche, den Fortschritten der Zeit huldigend, den größten Umschwung theils schon hervorrief, theils fernerhin hervorrufen wird. Sie wurde von dem großen Imkermeister Dr. Dzierzon, Pfarrer a. D. in Carlsmarkt, dessen Bildniß die „Gartenlaube“ schon im Jahre 1868 brachte, gegründet.
Derselbe erfand den Stock mit beweglicher Wabe, das heißt eine Bienenwohnung, der man den Bau der Bienen entnehmen und in welche man ihn wieder einstellen kann. Die Folgen dieser bedeutungsvollen Erfindung traten bald zu Tage. Das bisherige Dunkel des Bienenlebens wurde erhellt und die Theorie der Bienenwirthschaft von Dr. Dzierzon und anderen Imkern in Verbindung mit Männern der Wissenschaft, wie Professor Dr. Leuckart, von Siebold und Pastor Schönfeld nahezu vollständig festgestellt. Die Erfindung der Honigschleuder und der Kunstwaben folgte, kurz die neue Dzierzon-Schule wurde Schritt für Schritt vollkommener ausgebaut. Sie führte zu einer mehr humanen Behandlung des fleißigen Insectes, das nun nicht getödtet zu werden brauchte, wenn man seine süßen, köstlichen Schätze ernten wollte.
Was aber vorzugsweise in’s Gewicht fiel, war, daß sich die Erträge um mehr als das Doppelte wie bei der alten Betriebsweise erhöhen ließen und zwar durch eine reichlichere Ernte viel schöneren und wohlschmeckenderen Honigs.
Aber trotzdem seit nahezu 40 Jahren in Wort und Schrift für die neue Schule gewirkt worden ist, trotzdem ihre Ueberlegenheit so klar vor Augen liegt, trotzdem viele tüchtige Dzierzonianer es den Haid-Imkern in mehr als einer Beziehung zuvor thun, hat dennoch die Dzierzon-Schule noch nicht die allgemeine Anerkennung gefunden, die ihr gebührt und schließlich auch werden muß. Am meisten sträubten sich die Haid-Imker gegen die Neuerung, obwohl sie die Richtigkeit der Grundsätze der neuen Schule zugaben. Hin und wieder machten auch Einige von ihnen Versuche mit dem Stocke mit beweglicher Wabe, dem Dzierzon-Kasten, aber regelmäßig gingen sie wieder davon ab, weil sie der Dzierzon-Kasten, der noch dazu die ihnen gewohnte Behandlung der Bienen von unten nicht zuließ, höchst unsympathisch berührte. Es entstand sogar zwischen beiden Schulen ein harter Kampf, der sich jedoch jetzt zu Gunsten der Dzierzon-Schule zu entscheiden beginnt.
Es gelang nämlich nach vielfach fehlgeschlagenen Versuchen, den alten Lüneburger Strohstülper der Haid-Imker in vollkommenster Weise mit beweglichem Baue zu versehen, zu einem Dzierzon Stocke einzurichten, wobei man nur von der cylindrischen Form abwich. Diese Bienenwohnung, welche man, um sie von ihrem Vorbilde zu unterscheiden, Bogenstülper nennt, ermöglicht es nun, das Bewährte der Haid-Imkerschule mit dem Vorzüglichen der Dzierzon-Schule zu verbinden.
In welcher Weise das am besten geschieht, das macht sich ein unter der Presse befindliches Lehrbuch der rationellen Bienenzucht, „Der praktische Imker“ von C. J. H. Gravenhorst, unserem langjährigen Mitarbeiter, zur Aufgabe. Das Werk, welches im Verlage von C. A. Schwetschke und Sohn in Braunschweig in kurzer Zeit drei Auflagen erlebte und in mehrere Sprachen übertragen worden ist, hat vorzugsweise dazu beigetragen, daß nicht allein viele Haid-Imker zur Dzierzon-Schule bekehrt worden sind, sondern daß dieser Dzierzon-Korb, der Rettungsanker der Haid-Imker, wie ihn ein hervorragender deutscher Imker, der Pfarrer Weygandt in Eschbach bei Usingen, in der „Bienenzeitung“ nennt, in allen Ländern der Erde jetzt vertreten ist und darin geimkert wird.
Diese Bienenwohnung für das „Weidevieh des armen Mannes“, wie Berthold Auerbach die Bienen so bezeichnend nennt, ist, da sie sich Jeder selbst leicht anfertigen und mit dem geringsten Aufwande von Geld und Zeit die höchsten Erträge aus der Bienenzucht schöpfen kann, so recht für die geschaffen, welche nach Brod suchen und das kleine fleißige Insect in ihren Dienst stellen wollen.
Das Leuchtmoos als Zimmerpflanze.
Zu den hervorragenden Merkwürdigkeiten des an Naturschönheiten so reichen, sagenumwobenen Fichtelgebirges gehört unstreitig das Leuchtmoos (Schistotega osmundacea Web. et Mohr), welches namentlich die Grotten der Louisenburg mit magischem, grüngoldigem Glanze erfüllt, aber auch sonst im Gebirge vorkommt. Das winzige, nur wenige Millimeter hohe Pflänzchen besitzt zweizeilig gestellte Blätter; es überzieht die Steine, den Sand und allenfalls vorhandene Humuspartikelchen als ein bald mehr, bald weniger dichter Rasen.
In der Tiefe der Grotten macht dem Leuchtmoose kaum eine andere Pflanze den Platz streitig; während die in Beziehung auf Licht ebenfalls sehr genügsamen Farne und einige andere Moose nur die am besten beleuchteten Theile der Grotten zu bewohnen vermögen, dringt das Leuchtmoos tief in die Klüfte und Spalten ein und entwickelt sich hier gerade besonders schön. Es ist begreiflich, daß in einer wundergläubigen, für eine natürliche Erklärung der Dinge wenig befähigten Zeit der zauberhafte Glanz, welcher beim Herausnehmen der leuchtenden Erdtheilchen verschwindet, dem Treiben schadenfroher, den goldgierigen Sterblichen irreführender Bergkobolde zugeschrieben wurde.
Uebrigens ist das Leuchtmoos nicht der einzige leuchtende Bewohner der Grotten; es theilt die Eigenschaft des Leuchtens mit einer winzigen, einzelligen Alge, welche da, wo eine Wasserfläche sich gebildet hat, bei günstiger Beleuchtung als ein rein golden glänzender Ueberzug erscheint. Diese Alge, deren Zellen in einem gewissen Stadium der Entwicklung die Fähigkeit besitzen, sich mit Hülfe zweier Schwingfäden ziemlich rasch zu bewegen, verläßt ebenso wenig wie das Leuchtmoos das schützende Halbdunkel der Grotten, so zwar, daß Wasseransammlungen, welche ganz
Verschiedene: Die Gartenlaube (1883). Leipzig: Ernst Keil, 1883, Seite 676 a. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1883)_676_a.jpg&oldid=- (Version vom 18.1.2024)