Verschiedene: Die Gartenlaube (1883) | |
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von Commius, Viridomarus, Eporedirix, Vercassivellaunus, Häuptern verschiedener Stämme. Cäsar’s Heer, sehr hoch auf 50,000 Mann geschätzt, hatte also, mit Front nach zwei Seiten, gegen eine siebenfache Uebermacht zu kämpfen! Fußvolk erfüllte die Höhen dort im Westen, wo jetzt im Sonnenglanze die friedlichen Fluren und Dörfer von Mussy und Venarey sichtbar sind. Vom Canal bis zu den Cevennen hatten die Völker jeden Nerv angestrengt, um den Kern ihrer Patrioten, den Feldherrn ihrer Wahl zu retten. Nur die Männer eines Stammes, einsichtslos und eigensinnig, hatten geantwortet, daß sie wohl gegen die Römer, aber nicht außerhalb der eigenen Grenzen zu fechten gesonnen seien.
Auf dieser Westseite fand jedenfalls der erste Sturm statt, den die Belagerten von Alesia aus und die Entsatztruppen draußen auf die römische Doppellinie unternahmen. Er dauerte unter Anspannung aller beiderseitiger Kräfte, da auf der leicht übersehbaren Wahlstatt weder Tapferkeit noch Feigheit unbemerkt blieb, von Mittag bis Sonnenuntergang, bis endlich Cäsar’s germanische Reiter die gallischen Reiter und Bogenschützen und die Legionen das übrige Fußvolk in die Stadt zurückwarfen. Aber als nach eintägiger Rast um Mitternacht der Angriff wiederholt ward, gelang es in der Dunkelheit an einer Stelle, wo die Umwallungslinie über den Abhang eines Berges – im Nordosten, bei Bussy – hinlief und von dessen Höhe herab angegriffen werden konnte, die Gräben zuzuschütten und die Vertheidiger vom Wall herunterzuwerfen. Der Augenblick war kritisch. Da nahm Labienus, Cäsar’s fähigster Unterfeldherr und rechte Hand, die nächsten Cohorten zusammen und warf sich, mit unwiderstehlicher Wucht ausfallend, auf den Feind. Unter den Augen des von den Seinen für unbesiegbar gehaltenen Imperators, der selbst, an seinem rothen Kriegskleid weithin erkennbar, in dem gefährlichsten Momente erschien, wurden in verzweifelten Nahgefecht die Stürmenden zurückgejagt; die mit Cäsar eingetroffenen Reiterschaaren und Cohorten faßten die Flüchtenden im Rücken und vollendeten ihre Niederlage. So hatten Kriegskunst und kalte Entschlossenheit über Tapferkeit und edle Begeisterung, die aber der Ordnung ermangelten, gesiegt. Es war aber mehr als ein großer Sieg; über Alesia, ja über die gallische Nation war damit unwiderruflich entschieden. Das Entsatzheer, völlig entmuthigt, verlief sich unmittelbar vom Schlachtfeld nach Hause. Vercingetorix hätte vielleicht noch jetzt fliehen, wenigstens durch das letzte Mittel des freien Mannes sich erretten können; er that es nicht, sondern erklärte im Kriegsrath, daß, da es ihm nicht gelungen sei die Fremdherrschaft zu brechen, er bereit sei, sich als Opfer hinzugeben, um so weit als möglich das Verderben von der Nation auf sein Haupt abzulenken. So geschah es. Die Gallier lieferten ihren von dem ganzen Volke feierlich erwählten Feldherrn dem Landesfeind zu geeigneter Bestrafung aus. Hoch zu Roß und in vollem Wäffenschmuck erschien der König der Arverner vor dem römischen Proconsul und umritt dessen Tribunal; darauf gab er Roß und Waffen ab und ließ sich schweigend auf den Stufen zu Cäsar’s Füßen nieder. Fünf Jahre später, als Cäsar nach der Entscheidungsschlacht von Pharsalus einen glänzenden Triumph feierte, wurde der Held von Alesia hinter dem Imperator-Triumphator durch die Gassen der italischen Hauptstadt geführt und dann als Hochverräther an der römischen Nation, während sein Ueberwinder den Göttern seinen feierlichen Dank auf der Höhe des Capitols darbrachte, an dessen Fuß enthauptet. Gegen besiegte Feinde haben die Römer immer brutal gehandelt, wenn nicht die Staatsraison es anders gebot.
Mommsen schließt seine Darstellung dieses Kampfes: „Wie nach trübe verlaufenem Tage wohl die Sonne im Sinken durchbricht, so verleiht das Geschick noch untergehenden Völkern wohl einen letzten großartigen Mann. Also steht am Ausgang der gallischen Geschichte Vercingetorix. Er vermochte nicht sein Volk von der Fremdherrschaft zu erretten, aber er hat ihm die letzte noch übrige Schande, einen ruhmlosen Untergang, erspart. Er hat nicht blos gegen den Landesfeind kämpfen müssen, sondern vor Allem gegen die antinationale Opposition verletzter Egoisten; ihm sichern seinen Platz in der Geschichte nicht seine Schlachten und Belagerungen, sondern daß er es vermocht hat, einer zerfahrenen und in Particularismus verkommenen Nation in seiner Person einen Mittel- und Haltpunkt zu geben, wenn auch seine gewaltigen Thaten und seine hochherzige Aufopferung nur ein kurzer Sommer einschließt. Das ganze Alterthum kennt keinen ritterlicheren Mann, in seinem innersten Wesen wie in seiner äußeren Erscheinung. Aber der Mensch soll kein Ritter sein und am wenigsten der Staatsmann. Es war der Ritter, nicht der Held, der es verschmähte sich aus Alesia zu retten, während doch an ihm allein der Nation mehr gelegen war als an hunderttausend gewöhnlichen tapferen Männern. Es war der Ritter, nicht der Held, der sich da zum Opfer hingab, wo durch dieses Opfer nichts weiter erreicht ward, als daß die Nation sich öffentlich entehrte und ebenso feig wie widersinnig mit ihrem letzten Athemzug ihren weltgeschichtlichen Todeskampf ein Verbrechen gegen ihren Zwingherrn nannte. Es ist nicht möglich ohne geschichtliche und menschliche Theilnahme von dem edlen Arvernerkönig zu scheiden; aber es gehört zur Signatur der gallischen Nation, daß ihr größter Mann doch
Verschiedene: Die Gartenlaube (1883). Leipzig: Ernst Keil, 1883, Seite 669. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1883)_669.jpg&oldid=- (Version vom 23.11.2023)