Verschiedene: Die Gartenlaube (1883) | |
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wenigen Spalten bescheiden und können darum nur des Wichtigsten gedenken.
Jedenfalls hat auch die Wahl des Ortes Dresden für den zweiten deutschen Bergmannstag ihren Antheil an der ausgezeichneten Stimmung, die von vornherein alle Theilnehmer beseelte. Dresden mit seinen Naturschönheiten liegt am Fuße des Erzgebirges, in der Nähe von Freiberg, der classischen Bergmannsstadt; Dresden ist die Residenz eines Landes, dessen ganzer Habitus vom Bergbau herrührt, dessen Dampfhämmer ihren Urahn im Bergmannsfäustel haben und dessen Glanz und Reichthümer zum nicht geringen Theil aus der Erde geschürft worden sind. Am Sedanstage Abend kamen die Herren zur ersten Begrüßung auf dem „Belvedere“ zusammen. Sofort fiel ein Umstand Jedermann in’s Auge, und das waren die auffällig zahlreichen Charakterköpfe. Der gewaltige Ernst des Berufes, die außergewöhnlich große Verantwortlichkeit, welche auf diesen Männern lastet, der historische Zug, der dem ganzen Stande etwas Eigenartiges verleiht, und die gewaltigen Räthsel des Erdinnern, an denen derselbe seit Jahrhunderten seinen Scharfsinn übt, mögen vereint gearbeitet haben, um diese ungewöhnlich große Zahl fesselnder Gesichter herauszubilden.
Die wissenschaftlichen Vorträge begannen am Montag in der prächtigen Aula des neuen königlichen Polytechnicums. Am Aufgang hatten sich zu beiden Seiten auserwählte Bergmannsgestalten als eine Art Ehrencompagnie aufgestellt; einige derselben, wahrlich keine Theaterbergleute, brachte unser Zeichner auf seinen Bildern als Staffage an, da für eine Gesammtansicht leider der Raum zu beschränkt war.
Von den Vorträgen selbst haben wir nur zwei zu erwähnen, welche durch ihren Stoff weit über das fachmännische Interesse in das allgemein menschliche hinausragen. Der erste dieser Vorträge berührte ein dunkles, unheimliches Capitel. Bergrath Haßlacher aus Berlin sprach über die sogenannte preußische Schlagwettercommission, welche eigens eingesetzt wurde, um den entsetzlichen Massacres der Bergleute durch schlagende Wetter Einhalt zu thun und den grimmigsten Feind des Bergbaues zu bändigen.
In den letzten zwanzig Jahren sind in den preußischen Bergwerken 1850 Explosionen dieser dem Erdinnern entströmenden Gase vorgekommen - das ist eigentlich ein entsetzliches Ergebniß der Statistik.
Welche Massen verstümmelter Leichen, jammernder Wittwen und Waisen tauchen da vor unserer Phantasie auf! – In jeder Woche mehr als eine Explosion. – Es sind allerdings auch zwei Dritttheile aller preußischen Kohlengruben mit Schlagwettern behaftet, und das erklärt uns wohl die beklagenswerthen Verhältnisse, aber tröstet uns nicht darüber.
Die größte Zahl der Unglücke wurde durch offene Grubenlichter herbeigeführt, dann und wann haben jedoch auch die sogenannten Sicherheitslampen ihrem Namen keine Ehre gemacht, und ein kleinerer Theil ist ferner durch die Sprengungen herbeigeführt worden, das heißt die Pulver- oder Dynamitgase haben die schlagenden Wetter entzündet. – Der Vortragende führte eine glänzende Reihe von Sicherheitsmaßregeln auf, aber man mußte sich doch am Schlusse des Vortrages eingestehen, daß der Mensch noch ziemlich machtlos diesen Gefahren gegenübersteht. Riesenventilatoren, Abkühlungseinrichtungen, um die Entzündbarkeit der Gase zu vermeiden, die Sicherheitslampen – alles, alles hat den Bergmann schon treulos im Stich gelassen, und die Schlagwettercommission mag für menschliche Fähigkeit Glänzendes geleistet haben, aber den Gefahren gegenüber ist es leider noch blutwenig.
Fast ununterbrochen strömen diese dämonischen Gase aus, und der Bergmann spielt zuweilen mit ihnen wie mit den unschuldigsten Dingen von der Welt; der Verfasser selbst sah, wie ein Steiger in einem Zwickauer Kohlenwerk das offene Grubenlicht an eine Erdspalte hielt, und jedesmal züngelten die blauen Flämmchen um den Spalt wie Irrlichter. Das waren schlagende Wetter. Natürlich haben so schwache Ausströmungen bei guter Ventilation keine Gefahr – es ist aber doch ein etwas unheimliches Spiel.
Freundlicher war das Bild, das der Oberberghauptmann von Dechen aus Bonn in seinem Vortrage über den Mineralreichthum Deutschlands den Hörern vorzauberte. Deutschland ist darin ein reiches Land, mindestens viel reicher als unser großer Rivale Frankreich. Deutschland besitzt an der Ruhr, in Oberschlesien, an der Saar und am Fuße des Erzgebirges vier
Verschiedene: Die Gartenlaube (1883). Leipzig: Ernst Keil, 1883, Seite 665. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1883)_665.jpg&oldid=- (Version vom 14.9.2022)