Verschiedene: Die Gartenlaube (1883) | |
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eigenen Angabe des Genannten mittheilen zu können, daß ihm die Gartenlaube mit ihren zahlreichen Artikeln über die Bauerschen Schiffshebungsversuche die erste Anregung gegeben hat, der flüssigen Kohlensäure seine Aufmerksamkeit zuzuwenden. Bekanntlich benützte Bauer mit Luft gefüllte Ballons (sogenannte Kamele) zur Hebung gesunkener Schiffe. Raydt sagte sich nun, daß die Anwendung dieser Kamele um Vieles erleichtert sein würde, wenn man, statt sie nach Anbringung an den zu hebenden Schiffskörpern oder Schiffsgütern durch Compressionspumpen mit atmosphärischer Luft zu füllen, ihnen einen kleinen Behälter mit flüssiger Kohlensäure mitgäbe, um sie durch das Oeffnen ohne alle Mühe schnell aufzublähen.
Schon im August 1879 bewies Dr. Raydt durch einen im Ausrüstungsbassin der Kieler Werft angestellten Versuch die Tragweite seiner Erfindung, indem er mittelst eines solchen Ballons einen zehn Meter tief im Wasser liegenden Ankerstein von dreihundert Centner Gewicht emporhob. Acht Minuten nach Oeffnung des Kohlensäureventils erschien der Ballon mit seiner schweren Last an der Wasseroberfläche. Natürlich würden sich diese bequem zu handhabenden Kohlensäureballons ebenso praktisch zur Hebung gesunkener Schiffe anwenden lassen, denn ein derartiger Ballon von drei Metern Radius entwickelt im Seewasser eine Tragkraft von 113,000 Kilogramm. Sie werden aus starkem, gummirtem Segeltuch gefertigt, welches innen durch ein metallenes Längsgerüst gestützt wird, während außen ein Geflecht von Hanfgurten die Festigkeit der Außenwandung erhöht.
Vielleicht als noch folgenreicher dürfte sich eine weitere Idee Raydt’s erweisen, um durch Anbringung ähnlicher Ballons in nach außen sich öffnenden, dicht über dem Schiffsboden befindlichen Seitenkammern, die mit dem steigenden Verkehr immer häufiger vorkommenden Schiffsunfälle zu mindern, durch ihren Auftrieb angelaufene oder sonst beschädigte Schiffe über Wasser zu halten, oder wenigstens ihr Sinken derart zu verlangsamen, daß die Rettung der Passagiere und Mannschaften in Ruhe bewerkstelligt werden kann. Erinnert man sich, daß beim Untergange der „Cimbria“, wie in den meisten ähnlichen, keineswegs gänzlich zu verhindernden Schiffsunfällen, vor Allem die Schnelligkeit des Sinkens es ist, welche so verhängnißvoll einwirkt, indem sie das Aussetzen der Boote und alle Versuche, das Leck zu stopfen, vereitelt, so verdient Raydt’s Vorschlag, das ganze Schiff mit einem in der Stunde der Gefahr hervortretenden Rettungsgürtel von Ballons zu umgeben, gewiß die eingehendste Prüfung. Eine vom Decke aus in Thätigkeit zu setzende Vorrichtung würde die sämmtlichen Kohlensäure-Behälter und die Schiffsluken öffnen, durch welche die tragenden Ballons in dem Maße, wie sie durch das Kohlensäuregas angefüllt werden, zu beiden Seiten des Schiffes hervortreten.
Eine nähere Beschreibung der Vorrichtung findet der dafür sich interessirende Leser im laufenden Jahrgange (Nr. 32 und 33) des „Centralblattes der Bauverwaltung“. Wir wollen hier nur noch erwähnen, daß die Bildung einer Schiffsbergungs-Gesellschaft nach Raydt’schem Systeme im Gange ist und daß auf deren Veranlassung eine Kostenrechnung aufgestellt wurde, nach welcher die Einrichtung für einen Dampfer von der Größe der „Cimbria“ (deren Gewicht circa 3000 Tonnen betrug) einen Kostenaufwand von 19 bis 20,000 Mark, also eine im Verhältniß nicht beträchtliche Summe erfordern würde.
Viel schneller hat sich eine andere Anwendung der flüssigen Kohlensäure Bahn gebrochen, deren Vorzüge allerdings auf der Hand liegen und Jedem einleuchten müssen, der ihr nur einen Augenblick Aufmerksamkeit schenken will, nämlich der Bierausschank mittelst flüssiger Kohlensäure nach dem Systeme Raydt-Kunheim. Fachmänner, Chemiker, Gesundheits- und Sicherheitsbehörden, Gastwirthe und Publicum, kurz Sachverständige aller Classen, welche Gelegenheit hatten, diese Ausschanksweise zu prüfen, sind alsbald zu der Ueberzeugung gelangt, daß sie die Güte des Getränkes in höherem Grade sichert, als jede andere bisher gebräuchliche Methode, und, was die Hauptsache ist, von der Dauer des Ausschanks ganz unabhängig macht, sodaß das letzte Glas aus dem Fasse noch ebenso gut mundet und bekömmt, wie das erste. Jedem Biertrinker ist es ja hinlänglich bekannt, daß bei den bisherigen Ausschanksweisen, sei es durch bloßes Abzapfen oder durch Luftdruck, eigentlich nur die ersten Gläser ein Urtheil über die Güte des Getränkes erlauben, daß es in demselben Maße, wie es mit der Luft in Berührung kommt und die in ihm enthaltene Kohlensäure verliert, fortdauernd schlechter wird und bei längerem Zapfen zuletzt kaum noch genießbar bleibt, keinenfalls aber als ein zuträglicher, erquickender Trank gelten kann.
So bequem daher auch die häufig angewandte Methode, das Bier durch comprimirte Luft aus dem Keller in die Ausschankgefäße des Gastlocals zu heben, für den Wirth und seine Bediensteten war, so wenig konnte sie den Ansprüchen des Gaumens und des Wohlbekommens genügen. Schon die Berührung mit ganz reiner Luft bedingt ein allmähliches Abstehen des Bieres durch Kohlensäure-Verlust und langsame Säuerung, aber bei dem bisherigen Verfahren, welches daher auch wiederholt von der Gesundheitspolizei verboten werden mußte, handelte es sich obendrein häufig um ein gewaltsames Hineinpressen der ungesunden Kellerluft oder der verdorbenen, mit Cigarrendampf und anderen unnennbaren Gerüchen der Schanklocale verunreinigten Luft, was ein beschleunigtes Verderben des Bieres zur Folge hatte. Dasselbe gilt natürlich von der allgemein verbreiteten Praxis, dem Biere durch Aufspritzen mit der verdorbenen Luft des Locals den Anschein eines kohlensäurereichen, moussirenden Getränkes zu geben, eine Unsitte, die sich alle Trinker, da sie das Getränk noch mehr verschlechtert, entschieden und ein für allemal verbitten sollten.
Alle diese Uebelstände werden bei einem Ausschank vermittelst comprimirter Kohlensäure vermieden, und deshalb hatte man schon früher die Bierfässer, statt mit Luftdruckpumpen, mit Kohlensäure-Entwickelungsgefäßen in Verbindung gesetzt, wodurch das Abstehen verhindert und einem an Kohlensäure armen Biere unter Umständen sogar ein höherer Wohlgeschmack ertheilt werdelt kann.
Verschiedene: Die Gartenlaube (1883). Leipzig: Ernst Keil, 1883, Seite 632. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1883)_632.jpg&oldid=- (Version vom 14.1.2024)