Verschiedene: Die Gartenlaube (1883) | |
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bei fast immer ausverkauften Hause auf, gefeiert von der deutschen und amerikanischen Presse als eine Küntstlerin ersten Ranges. Mit Dollars reich beladen kehrte sie auf ihren Landsitz in Baiern zurück.
Im Jahre 1881 trat sie in Berlin auf und erzielte dort als Brunhilde in Geibel’s Tragödie großen Erfolg; daran schloß sich ein Gastspiel in Rußland. Das Jahr darauf nahm sie ein Engagement unter der Staegemann’schen Direction in Leipzig an, wo sie zuerst als Medea mit vielem Beifall auftrat. Doch Frau Magda Irschick, gewöhnt an die Freiheit des Gastspielwesens in zwei Welttheilen, fühlte sich durch die Bedingungen eines festen Engagements eingeengt, und da ein Unwohlsein von längerer Dauer hinzukam, so wurde der Contract auf ihren dringenden Wunsch wieder gelöst. Seitdem lebt sie auf ihrer Besitzung an dem schönen Schliersee in Baiern, doch lange wird ihre Wanderlust wohl nicht ruhen; wie wir hören, soll sie bereits wieder für Amerika einen Contract abgeschlossen haben, der sie zum dritten Male in der nächsten Saison über das Meer führt. Vor ihrem Scheiden beabsichtigt die Künstlerin noch auf einigen hervorragenden Bühnen Deutschlands aufzutreten.
Magda Irschick ist eine Darstellerin großen Stils, sie steht und fällt mit der Tragödie. Schon ihr schönes volltönendes Organ befähigt sie wie Wenige, der Sprache der Dichter gerecht zu werden. Es herrscht freilich jetzt, unter den Einflüssen der Laube’schen Schule, die Neigung, das Recht jener schönen Sprache auf der Bühne möglichst zu verkümmern, und je mehr man die Verse im Conversationston spricht, ihren Vollklang erstickt, ihre rhythmische Bewegung zu verbergen sucht, desto näher glaubt man dem Ideal der darstellenden Kunst zu kommen, für welches der dichterische Ausdruck nichts ist als ein nothwendiges Uebel. Wenn der Altmeister selbst die Verse bei den Proben mit hohlem Grabeston und verloschenem Colorit vortrug, so wandelte die Jünger ein Grauen an vor jener Erbsünde der Poesie, die sich bei einzelnen großen Dichtern, wie bei Schiller, gar nicht ganz ausrotten läßt.
Doch die Dichter machen ihre Verse nicht, damit sie auf der Bühne verstümmelt und ertödtet werden. Die dichterische Schönheit hat ihren eigenen Zauber, verlangt ihr volles Recht: wenn die Verse eines Goethe, Schiller, Grillparzer, Halm mit einem volltönenden und modulationsfähigen Organ vorgetragen werden, dann wird erst eine der Lebensbedingungen der dramatischen Dichtung erfüllt. Dies ist bei Magda Irschick stets der Fall und ein entschiedener Vorzug dieser Künstlerin. Freilich ist ihr oft der Vorwurf gemacht worden, daß sie in Bezug auf das sprachliche Colorit zu viel thue, daß sie zu sehr liebe, sich auf den rhythmischen Wellen der Declamation zu schaukeln und durch den Wohlklang ihres Organs einen gewissen Zauber auszuüben, daß sie hier und dort in eine singende Vortragsweise verfalle. Doch wer hat nicht den Fehler seiner Vorzüge? Frau Irschick bringt dafür auch alle poetischen Stimmungen ihrer Rolle zu ergreifendem Ausdruck: den düstern Groll der Medea, die zarte Hingebung der Griseldis, die leidenschaftliche Glut der Brunhilde weiß sie schon durch die sprachliche Beleuchtung wirksam hervorzuheben. Wo es eben dem tragischen Medusenblick gilt, da versagen Frau Irschick niemals ihre Mittel. Auf der tragischen Höhe hat sie stets etwas Imponirendes; die aufflammende Leidenschaftlichkeit einer Brunhilde und Medea wiederzugeben, vermag sie wie Wenige. In letzterer Rolle glänzt sie namentlich in jener Scene des zweiten Actes der Grillparzer’schen Dichtung, wo sie vergeblich durch ihr Saitenspiel Jason an sich zu fesseln sucht, der sich nur mit Kreusa beschäftigt, und wo die wilde Gluth der Eifersucht in ihrer Seele aufflammt: das ist die Situation, die unser Bild darstellt. Doch auch die edle Haltung einer Iphigenie mit schöner Plastik der Diction und der Attitüden, die zarteren Gemüthsstimmungen einer Griseldis darzustellen, ist ihr nicht versagt. In ihrer Elisabeth im „Essex“ weiß sie die psychologischen Nüancen fein herauszuarbeiten.
Eine eigenartige Schöpfung ist ihre Geierwally. Das Naturkräftige, Derb-Wilde dieser Gestalt ist ihr Element; dazu kommt, daß sie durch langen Aufenthalt in den oberbaierischen Bergen das volksthümliche Colorit studirt hat, das ihr für diese Rolle des wilden Bauernkindes sehr zu statten kommt. Jedenfalls kommen auch die grellen Accente, welche Frau von Hillern in diesem etwas wüst-genialen Erzeugniß ihrer Muse anschlägt, zu ihrem vollen Recht.
Als Jungfrau von Orleans zeigt die Darstellerin heroischen Schwung, und als Sarema in der „Rose vom Kaukasus“ weiß sie der Heldin ein farbenprächtiges, romantisches Colorit zu geben und den Ausdruck hingebender Liebe, elegischer Klage um das verlorene Glück der Heimath mit der Begeisterung heißlodernder Kampfeslust glücklich zu vereinen.
Wir haben die Hauptrollen erwähnt, welche Frau Magda Irschick bei ihren Gastrollen vorzuführen pflegt. Ihr Repertoire ist noch viel reichhaltiger, gleichwohl muß man bedauern, daß sie nicht durch ein festes Engagement an einer ersten Bühne Gelegenheit und Muße findet, in dasselbe noch mehr Gestalten aus den Schöpfungen neuer Dichter aufzunehmen. Dies Zusammenwirken der dichtenden und darstellenden Talente ist so förderlich für den Fortschritt der dramatischen Kunst, daß man nur mit Bedauern wahrnehmen kann, wie hervorragende schauspielerische Kräfte sich durch ein feststehendes Gastspielrepertoire selbst beschränken. Denn im Exiren neuer Rollen bewährt und steigert sich die schöpferische Kraft, während die beständige Wiederholung derselben Rollen leicht zur Ueberladung mit Nüancen verführt, in denen sich der zurückgedrängte Trieb nach neuer Gestaltung zu bewähren sucht.
Doch Frau Magda Irschick ist einmal an die transatlantischen Wanderschaften gewöhnt, und so muß man ihre freizügigen Neigungen gewähren lassen. Sie ist eine glänzende Vertreterin der deutschen Tragödie, und es ist erfreulich, daß sie das schöne Wort der deutschen Dichtung dort verkündet von Ort zu Ort, so weit die deutsche Zunge reicht in den Landen, über denen das Sternenbanner der großen Republik weht.
Die gewerblichen Anwendungen der flüssigen Kohlensäure.
„Nur nicht den Muth verlieren!“ heißt der unentbehrliche Trostspruch des Erfinders von Beruf. Denn gar manche Erfindung braucht viel Zeit, um durchzudringen und Werth für das praktische Leben zu erringen, und so ist es auch der flüssigen Kohlensäure gegangen, über deren Darstellung und merkwürdige Eigenschaften wir den Lesern der „Gartenlaube“ im Jahrgange 1878 (S. 80) eingehende Mittheilungen gegeben haben. Wir erwähnten bei jener Gelegenheit, daß sie bisher fast nur als ein kostbares Product der chemischen Laboratorien zur Erzeugung intensiver Kältegrade benützt werde, daß aber amerikanische Ingenieure vorgeschlagen hätten, mit ihrer Hülfe entstehende Schiffsbrände zu bekämpfen. Seitdem haben erfinderische Köpfe eine ziemliche Anzahl anderer Anwendungsarten erdacht. Bekanntlich läßt sich die Kohlensäure, das moussirende Gas unserer Mineralwasser, Biere und Champagner, unter einem Druck von 50 Atmosphären und bei einer Temperatur von 15 Grad C. zu einer wasserhellen Flüssigkeit verdichten, die jedoch sofort in den gasförmigen Zustand zurückkehrt, sobald der Druck entfernt worden ist. Um nun die Anwendung der flüssigen Kohlensäure für gewerbliche Zwecke zu ermöglichen, preßt man in starke eiserne Flaschen gasförmige Kohlensäure unter gleichzeitiger Abkühlung hinein, bis dieselbe flüssig geworden ist, wozu das vierhundertfünfzigfache Volumen des Gases nöthig ist. Es ist nun klar, daß in jedem Augenblicke nicht nur diese bedeutende, auf den kleinsten Raum zusammengedrückte Gasmenge, sondern auch die zur Verflüssigung gebrauchte Druckkraft und Kälte aus solcher Flasche wieder gewonnen werden kann, die somit den dreifachen Charakter eines Gas-, Kraft- und Kältemagazins in ihrem metallenen Bauche vereinigt.
Ganz besonders ist es den Bemühungen des Dr. W. Raydt in Hannover zu danken, daß dieses verflüssigte Gas nunmehr bereits eine Anzahl verschiedenartiger und zum Theil sehr wichtiger Anwendungen erlangt hat, und wir freuen uns hier nach einer
Verschiedene: Die Gartenlaube (1883). Leipzig: Ernst Keil, 1883, Seite 631. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1883)_631.jpg&oldid=- (Version vom 14.1.2024)