Verschiedene: Die Gartenlaube (1883) | |
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Gehöft Deines Vaters in besten Zustand zu bringen, und daß Du Deinem eigenen ausgenutzten Walde zum Nachwuchse Zeit läßt. Dann kann Dein Besitzthum es mit vielen anderen aufnehmen, groß genug ist es, es hat ihm nur seit langen Jahren eine feste Hand gefehlt. Dein Vater war stets kränklich, er ist auch von manchem Unfalle heimgesucht, das hat ihn herabgebracht. Ich hoff’ indessen, mit der Moidl wird dort oben ein neues Glück einziehen. Ich gönn’ es Euch und Andere auch.“
Hansel hatte mit freudig glühenden Wangen zugehört. Gern ging er auf die ihm gemachten Vorschläge ein.
„An mir soll’s nicht fehlen, Herr Richter!“ rief er. „Lust zur Arbeit hab’ ich und Kraft auch. Wenn mich kein Unfall trifft, dann soll die Moidl nach Jahren sich jeder Bäuerin im ganzen Thale dreist zur Seite stellen können!“
„Ich halt’ Dich beim Wort,“ entgegnete der Richter und streckte ihm die Hand entgegen.
Mehrere Jahre sind seitdem vergangen.
In dem Dorfe sind von den Verwüstungen, welche das Hochwasser augerichtet, kaum noch einige Spuren zu erkennen. Das Bett des Flusses ist verbreitert und fest. Steindämme engen das Wasser ein, wenn es im Frühjahr oder Herbst hoch anschwillt. Die Sägemühle ist neu erstanden und größer und stattlicher als zuvor. Die Aecker sind von Sand und Steinen gereinigt und tragen neue Ernten.
Viel Arbeit hat das Alles gekostet, aber die Bewohner sind an Arbeit gewöhnt und blicken nicht ohne Stolz auf das Wiedererrungene.
Moidl ist schon seit Jahren Hansel’s Frau. Wer das Gehöft des Haidacher’s seit Jahren nicht betreten hat, wird Manches kaum wieder erkennen. Da zeugt Alles von Ordnung und Wohlstand.
Die Leute sagen wohl, der Hansel habe viel Glück und auf seiner Hand ruhe ein besonderer Segen. Ja, an Glück fehlt es ihm nicht an der Seite seiner jungen Frau, aber der Segen, der auf seiner Hand ruht, das ist der Segen eines unermüdlichen Fleißes und eines klugen Kopfes, der Alles am rechten Ende anfaßt.
Hansel selbst scheint größer und stattlicher geworden zu sein, und doch ist er nicht um die Breite eines Strohhalmes gewachsen. Das Glück, welches aus seinen Augen leuchtet, läßt ihn größer erscheinen. Es geht ihm gut, es stehen ihm zwei Knechte zur Seite, aber er selbst ist stets der erste und letzte bei der Arbeit.
„Du könntest Dir etwas mehr Ruhe gönnen, es geht Dir ja gut,“ spricht der Richter, der ihn oft besucht, häufig zu ihm, und er drückt damit zugleich die Ansicht der jungen Frau aus, aber lustig entgegnet ihm Hansel jedesmal:
„Noch nicht, Herr Richter! Was ich Ihnen und der Moidl einst gelobt hab’, ist noch nicht erreicht, und ich wüßt’ auch nicht, weshalb ich nicht arbeiten sollt’, es macht mir Freude und bekommt mir gut. Es fährt noch mancher Gedanke durch meinen Kopf, und was ich mir gesetzt habe, muß ich erreichen.“
„Du willst mit Gewalt es zum reichen Manne bringen,“ wirft der Richter wohl scherzend ein.
„Das ist es nicht, Herr Richter, denn ich hab’ für mich ja mehr, als ich brauche,“ giebt Hansel zur Antwort. „Es ist etwas Anderes, was mich treibt, und Sie selbst haben es veranlaßt. Als Sie mich dort unten so lange in Haft hielten, da hab’ ich Tag und Nacht gesonnen, was ich nach meiner Entlassung thun könne, um die Besitzung meines Vaters emporzubringen und dann ruhig vor Moidl’s Vater hintreten und ihre Hand verlangen zu können. Da hab’ ich ausgesonnen, wie viel sich hier noch thun ließe, und hundertmal hab’ ich da jeden einzelnen Punkt erwogen und hin- und hergewendet. Ich will hier noch Manches ändern. Wohl hätt’ ich es jetzt nicht mehr nöthig, aber was ich dort unten mir ausgedacht habe, ist mir an’s Herz gewachsen, deshalb führ’ ich es aus.“
Der Blick auf die graue Stätte, an der einst das väterliche Haus gestanden, hatte anfangs in Moidl manche schmerzliche Erinnerung wachgerufen. Aber Eins war unberührt geblieben, die kleine Capelle, in der sie so oft gebetet. Hell und weiß schimmerte dieselbe zwischen den Bäumen hervor und jeden Morgen, wenn die Sonnenstrahlen darauf fallen, ist es Moidl, als ob ihr ein Gruß von drüben gesandt werde.
Und auch die Stätte, an der das Gehöft des Oberburgsteiners gestanden, wo seine Wiesen und Felder gewesen waren, hat den düsteren, grauen Schein verloren. Gräser sprossen zwischen dem Steingeröll empor, die Walderdbeere breitet ihre grünen Blätter weiter und weiter auf. Wind und Regen haben den Samen der Lärchen über die öde, steil abfallende Fläche getrieben, und wo sich eine Felsenritze findet, keimt der Samen und die jungen, zierlichen Sämlinge schießen schnell auf. Schon erscheint das Steingeröll aus der Ferne wie mit einem grünen Schimmer überzogen zu sein.
„Moidl,“ spricht der Hansel öfter, wenn er drüben nach den Holzknechten gesehen hat und zurückkehrt, „wo das Gehöft Deines Vaters gestanden hat, dort wächst ein neuer Wald auf und wenn uns der Himmel gnädig gesinnt ist, dann erleben wir Beide es noch, daß ich dort Bäume fällen lassen kann.“
Germania am Rhein.
„Hurrah, du stolzes, schönes Weib,
Hurrah, Germania!
Wie kühn mit vorgebeugtem Leib
Am Rheine stehst du da!
Wie ziehst du risch dein Schwert!
Wie trittst du zornig frohgemuth
Zum Schutz vor deinen Herd!“
Das war ein deutscher Sängermund,
Zur Kriegesstund’ und Siegesstund’
Klang’s in den Herzen nach.
Wie Blitz, der aus der Wolke fährt,
Schlug’s in die Seelen ein –
Germania am Rhein!
Mit scharfer Waffe in der Faust,
So ging’s hinaus in’s Feld,
Und, wie die Klinge niedersaust’,
Nicht ward in mancher Völkerschlacht
Geführt ein solcher Streich –
Da wurde freie Bahn gemacht
Für’s deutsche Kaiserreich!
Vom Rheinstrom in die Welt.
Als stolzes Sinnbild deutscher Kraft
Ist dort es aufgestellt.
Es schwingt kein Schwert mit ernstem Droh’n
Die Rechte reckt die Kaiserkron’,
Die deutsche, himmelan.
Friedfertig wendet’s das Gesicht
Zum Friedensengel hin. –
Wir Segen und Gewinn!
Nicht späht das Aug’ nach Beute aus,
Von Ruhmbegier umstrickt;
Wir freu’n uns, wenn ob uns’rem Haus
Doch, wenn ein Feind den Krieg begehrt
Im frechen Uebermuth,
Noch scharfgeschliffen ist das Schwert,
Das in der Scheide ruht,
Zu wucht’gem Hieb und Stoß! –
Für unser deutsches Vaterland
Kein Opfer ist zu groß!
Hoch schaut herab vom Felsgestein
Heut’ weih’n wir’s ein am deutschen Rhein!
Hab’, Herr im Himmel, Dank!
Was auch die Zeiten bringen, bleib’
In Gnaden Du uns nah’! – –
Hurrah, Germania!
28. September 1883. Emil Rittershaus.
Verschiedene: Die Gartenlaube (1883). Leipzig: Ernst Keil, 1883, Seite 628. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1883)_628.jpg&oldid=- (Version vom 13.1.2024)