Verschiedene: Die Gartenlaube (1883) | |
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Mag eine Verwirklichung des angeregten Planes auch erst späteren Tagen vorbehalten sein, der Unterzeichnete glaubt die Aufmerksamkeit auf jene Stelle lenken zu sollen, von der schon Geibel singt:
‚Und an den Hügeln wandelt ein hoher Schatten her,
Mit Schwert und Purpurtmantel, die Krone von Golde schwer.
Das ist der Karl, der Kaiser, der mit gewalt’ger Hand
Vor vielen hundert Jahren geherrscht im deutschen Land!‘
welches herrliche Lied schließt:
‚Wir aber füllen die Römer und trinken in gold’nem Saft
Uns deutsches Heldenfeuer, uns deutsche Heldenkraft!‘“
In diesem Aufrufe und des Verfassers späterem Aufsatz in der „Gartenlaube“ sind alle Punkte enthalten, welche in der Folge von der gesammten Presse als die für den Niederwald ausschlaggebenden anerkannt und weiter ausgeführt worden sind.
Indessen ist anzunehmen, daß jener Aufruf, wenn schon von den Bewohnern des Mtttelrheins freudig begrüßt, ohne alle Folgen verhallt wäre, hätte ihn nicht ein Mann aufgegriffen, dessen Name und Energie alle Bürgschaft in sich trugen, den Gedanken auch zum endlichen Ziele zu führen. Es gebührt sich, dieses Mannes am heutigen Tage in hervorragender Weise zu gedenken. Es ist Graf Botho zu Eulenburg, damals Präsident des Regierungsbezirks Wiesbaden, Landes-Delegirter für die freiwillige Verwundetenpflege daselbst, welcher dem Verfasser seine Uebereinstimmung mit dem Projecte schon nächsten Tages nach Erscheinen des Aufrufs kundgab und dem ganz allein der heutige Erfolg zu danken ist. Wenn er auch später als Oberpräsident nach Lothringen und Hannover und dann in das königliche Staatsministerium berufen wurde - die Sorgfalt und Mühe, das Interesse für die endliche Lösung der Aufgabe ist dem trefflichen Manne stets nahe geblieben. Ohne ihn stände heute die Germania nicht hoch da droben, „ragend in des Aethers Blau“, ohne ihn wäre das Meisterwerk Schillings muthmaßlich nicht geschaffen.
Schon im Monat Mai 1871 waren Graf zu Eulenburg I, der damalige Minister und Onkel des jüngeren, sowie der Reichskanzler Fürst Bismarck bei Gelegenheit des Frankfurter Friedenscongresses für die Idee erwärmt, und während Graf Botho zu Eulenburg mit allem Eifer die parlementarischen Kreise in Bewegung setzte und in das Interesse für die Sache zog, führte an Ort und Stelle der jetzige Landesdirector Sartorius, damals Regierungsrath in Wiesbaden, die localen Geschäfte mit Aufbietung aller Kräfte fort.
Aber auch am Rheine regte es sich. Schon in den Pfingstfeiertagen 1871 pflanzte der Verschönerungsverein zu Rüdesheim an den drei zumeist hervortretenden Punkten des Rüdesheimer Berges am Abhange des Niederwaldes, auf Voglers-Ruhe, dem Leingipfel und der Rossel, Signalflaggen auf, um das Urtheil des Publicums festzustellen, welcher dieser Punkte für das Denkmal am geeignetsten erschien. In Geisenheim arrangirte man – allerdings in kleinen Verhältnissen – unter Anregung des Generalconsuls E. von Lade – der als Dritter im Bunde der thatsächlich eingreifenden Förderer genannt werden muß – Concerte, um die ersten Baarmittel zu schaffen. Bescheiden waren freilich diese Einnahmen, aber sie waren doch das erste wirkliche Vorgehen zur That.
Am 28. August 1871 fand das erste „Germania-Concert“ im Rathhaussaale zu Geisenheim statt. Schon damals wünschte der leider zu früh verstorbene Dichter Bernhard Scholz die „Gartenlaube“ in das Interesse zu ziehen, indem er den Verfasser Dieses aufforderte, Freund Ernst Keil’s Beihülfe anzugehen. Die Dinge hatten aber noch nicht genügende greifbare Gestalt gewonnen.
Am 22. September des genannten Jahres berief Graf zu Eulenburg auf den 29. desselben Monats Nachmittags 31/2 Uhr in den großen Sitzungssaal des Regierungsgebäudes zu Wiesbaden die erste Versammlung zur Besprechung der Ausführung des Denkmals, nachdem er vorher die Anwohner der Rheinortschaften, besonders jene von Rüdesheim, für die Idee gewonnen.
Im November 1871 lud durch Rundschreiben ein für den beregten Zweck zusammengetretenes provisorisches Comité, bestehend aus den Herren Graf zu Eulenburg, Regierungspräsident in Wiesbaden, von Heemskerck, Präsident in Biebrich, Hehner, Oberappellationsgerichtsrath in Wiesbaden, Generalconsul von Lade in Geisenheim, Geheimer Commerzienrath Lauteren in Mainz, Dr. Mumm, Oberbürgermeister in Frankfurt am Main – eine Anzahl der ersten und bedeutendsten Männer des deutschen Vaterlandes – nach Berlin und zwar auf Donnerstag den 16. November 1871 Nachmittags 6 Uhr in das Gebäude des deutschen Reichstages, Abtheilungszimmer Nr. 5, um im Auftrage jener Wiesbadener Versammlung die Bildung eines definitiven Comités und die Berathung der erforderlichen Schritte für die Herstellung des Denkmals vorzunehmen.
Fast gleichzeitig erhoben sich indessen auch in der Presse die abfälligsten Urtheile über die ganze Angelegenheit. Der Verfasser der ersten Anregung wurde des „patriotischen Taumels“ geziehen. Man sagte, „es sei ihm des Vaterlandes Ruhm zu Kopfe gestiegen und die solchergestalt erzeugten Gehirnaffectionen seien als patriotische Vorschläge in die Oeffentlichkeit gedrungen“. In abfälligster Weise wurde der Vorschlag der Aufrichtung einer Germania-Statue vom „Kunststandpunkte“ verurtheilt. Eine rheinische Zeitung widmete dieser Auslassung mehrere Spalten und schloß dieselbe mit den Worten: „Darum ein Protest im Namen der deutschen Kunst und des gesunden deutschen Sinnes gegen die Germania auf dem Niederwald.“
Es konnte auch nicht fehlen, daß am linken Rheinufer sich Stimmen laut werden ließen, welche für die Aufstellung linksseitig das Wort ergriffen, ja ein Vorschlag ging dahin, gegenüber Mainz, mitten im Strom, auf einem 50 Fuß hohen Unterbau ein Denkmal zu errichten, dasselbe mit den Ufern durch Brücken zu verbinden (die Zeichnung war im Reichstagsgebäude schon ausgestellt), und, umgeben von den Reitergestalten des Kaisers, des Kronprinzen und der Heerführer, sollte den Unterbau ein 191 Fuß hoher Säulenschaft und diesen ein 58 Fuß hohes Standbild des „Erzengels Michael“ krönen. Und dies in nächster Nähe der Festung Mainz! Andere wollten ein Invalidenhaus auf die Höhe des Niederwaldes gesetzt wissen – kurz, es konnte kaum Wunder nehmen, daß einer unserer bekanntesten Parlamentarier die ganze Angelegenheit als „eine verkrachte Gründung“ bezeichnete.
Unter diesem Für und Wider war es ein den Verhältnissen sehr entsprechender Gedanke des Grafen zu Eulenburg, die Presse, insbesondere die großen Weltblätter, für die Sache zu erwärmen. Die Anschauungen mußten sich auf diese Weise am schnellsten klären. Im December 1871 wurden denn auch Seitens des Comités die entsprechenden Anschreiben an die Redactionen erlassen, und wie Graf zu Eulenburg mittheilte, war ein solches auch direct an Ernst Keil abgegangen, eine Nachricht, die von der Bemerkung an den Verfasser begleitet war, „daß es sehr erwünscht sei, wenn er einige Zeilen dorthin richten wollte, um die Aufnahme des Aufrufes und die Befürwortung des Unternehmens zu sichern“.
Diesen Aufruf an die Presse hatten außer den oben bereits Genannten weiter gezeichnet: die Herren Dr. Stephani, Vicebürgermeister in Leipzig, Freiherr Franz von Stauffenberg, Landrath Fonck in Rüdesheim, Regierungsrath Sartorius in Wiesbaden, Dr. Hans Köster in Cottbus, von Dachröden, Schloßhauptmann in Berlin, Buzzi, Kaufmann in Frankfurt am Main, als Schatzmeister, und Dr. Ebner, Advocat in Frankfurt am Main. Diese Herren bildeten im Verein mit dem vormals provisorischen Comité von da ab den geschäftsführenden Ausschuß für das Niederwalddenkmal, während ein größeres Comité aus etwa 144 Mitgliedern bestehend und zusammengesetzt aus Männern aller Berufssphären und aller Landestheile Alldeutschlands, die Vertretung der Sache in weiteren Kreisen übernahm.
Umgehend antwortete Ernst Keil dem Verfasser, daß er selbst schon an die Publicirung der Angelegenheit in einer dem Sinne und Geiste der „Gartenlaube“ entsprechenden Form gedacht habe, und forderte zugleich zur Anfertigung von Zeichnungen auf, „die er gerne mit einem Texte begleitet wünschte, der an geeigneter Stelle die Theilnahme des deutschen Volkes für das Unternehmen anregen sollte“.
Schnell war nun der Maler E. Reichmann aus Wiesbaden gewonnen und mit Unterstützung des Comités eine Ansicht des ganzen Rüdesheimer Berges mit dem denselben krönenden Niederwald entworfen und ausgeführt, die zur Wahl gestellten Punkte waren darauf mit Flaggenstangen gekennzeichnet, und der Aufsatz erschien aus der Feder des Verfassers Dieses, wesentlich durch ein treffliches Poem von Emil Rittershaus gehoben und gefördert, in Nr. 19, Jahrgang 1872 der „Gartenlaube“. Hier trat zum
Verschiedene: Die Gartenlaube (1883). Leipzig: Ernst Keil, 1883, Seite 618. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1883)_618.jpg&oldid=- (Version vom 27.9.2023)