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Seite:Die Gartenlaube (1883) 577.jpg

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1883)

No. 36.   1883.
Die Gartenlaube.

Illustrirtes Familienblatt.Begründet von Ernst Keil 1853.

Wöchentlich 2 bis Bogen. 0 Vierteljährlich 1 Mark 60 Pfennig. – In Heften à 50 Pfennig.


Ueber Klippen.

Erzählung von Friedrich Friedrich.
(Fortsetzung.)


Langsam stiegen die drei Männer den Berg hinab. Der Gensd’arm hielt das Gewehr in der Hand und schritt dicht hinter dem Verhafteten her, um jeden Fluchtversuch desselben zu verhindern.

Er hätte es nicht nöthig gehabt, denn Hansel dachte nicht an Flucht. Das Gefühl seiner Unschuld erfüllte ihn mit trotzigem Muthe, aber dieser Muth schwand bald, als er den Blick auf den Oberburgstein richtete und an die Geliebte dachte. Wie mußte sie erschrecken, wenn sie seine Verhaftung erfuhr! Und wenn nun seine Unschuld nicht so schnell erwiesen wurde, als er hoffte, wenn er wochenlang im Gefängnisse sitzen mußte und die Geliebte nicht sehen konnte!

Dies hatte er nicht bedacht, als er versprach, willig zu folgen – dies nicht. Die Angst schnürte ihm die Brust zusammen, er rang nach Athem, es war, als ob es vor seinen Augen dunkelte, und er stand still, um sich an einem Felsblock zu halten.

„Hansel, Dein Gewissen regt sich,“ sprach der Richter, der ihm von Jugend auf wohlgewollt hatte. „Es wird Dir leichter um’s Herz werden, wenn Du Alles offen gestehst.“

„Ich hab’ nichts zu gestehen, Herr Bezirksrichter, mein Gewissen ist frei!“ rief Hansel und raffte sich zusammen.

Rasch stieg er den Berg hinab.

Als sie das Dorf erreicht hatten, als er sah, wie die Leute, die er alle kannte, neugierig auf der Straße standen, als er hörte, wie die Kinder einander zuriefen: „Er kommt!“ „Sie bringen ihn!“ als wäre es ein lustiges Schauspiel, dem sie entgegensähen, da fiel ihm doch das Herz vor die Füße. Glaubten denn auch sie an seine Schuld? Hielten auch sie ihn für einen Mörder? War keiner unter ihnen, der offen auftrat und rief, daß er einer solchen That nicht fähig sei?

Es schwiegen Alle. Er vernahm nur ein Flüstern und Gemurmel, als er durch die Reihen der Neugierigen mit gesenktem Blicke hinschritt. Nur einmal blieb er trotzig stehen und blickte herausfordernd um sich, als er hörte, wie eine Frauenstimme ihm eine laute Verwünschung nachrief, weil er den Unterburgsteiner erschlagen habe.

Der Gensd’arm drängte ihn vorwärts. Sie gelangten in dem Gerichtsgebäude an, wie ein Willenloser stieg er eine Treppe empor, eine schwere, mit Eisen beschlagene Thur wurde vor ihm geöffnet, er wurde hineingedrängt in einen halb dunklen Raum, die Thür wurde hinter ihm geschlossen, ein schwerer Riegel vorgeschoben.

Wie ein Träumender blieb er einen Augenblick stehen. Dann preßte er beide Hände auf die Stirn, als ob er sich besinnen müsse, was mit ihm geschehen sei. Sein Auge durchmaß den engen, düsteren Raum, der nur durch ein kleines Fenster schwach erhellt wurde.

Er war ein Gefangener. Wild bäumte es sich in ihm auf. Die Luft des engen Raumes schien ihn ersticken zu wollen. Mit der Kraft der Verzweiflung stemmte er sich gegen die Thür, um sie zu sprengen. Er wollte, er mußte frei sein, weil er unschuldig war!

Aber die Thür widerstand seiner Kraft. An ihr hatte vielleicht schon Mancher verzweiflungsvoll gerüttelt. Erschöpft sank er auf einen Schemel und bedeckte das Gesicht mit beiden Händen.




Als Moidl am Sonntag Morgen erwachte, wußte sie nicht, wie sie in das Bett gelangt war und wie lange sie bewußtlos auf der Erde gelegen hatte. Eine unsagbare Angst lag jetzt noch auf ihr. Sie fieberte. Sie wollte aufspringen, aber sie vermochte sich kaum zu rühren – die Glieder waren ihr wie gelähmt.

Starr, regungslos war ihr Auge auf die graue Wand des Gemaches gerichtet; grau, unfreundlich blickte auch der Morgen durch das Fenster.

„Er ist todt – die Lawine hat ihn erfaßt, denn er konnte das Thal noch nicht erreicht haben!“ rief es in ihr, und vergebens suchte die Hoffnung gegen diesen Ruf anzukämpfen.

Sie hatte die Hände über der Brust gefaltet, aber sie konnte nicht weinen.

So fand sie ihr Vater, als er in ihre Kammer trat, um nachzuschauen, weshalb sie nicht aufgestanden war.

Starr, fragend blickte sie ihn an.

Brachte er ihr bereits die Kunde von dem Tode des Geliebten?

„Was fehlt Dir, Moidl?“ fragte der Oberburgsteiner.

„Nichts – nichts!“ entgegnete die Kranke mit der Hast des Fiebers.

„Dein Gesicht glüht – Deine Stirn ist heiß!“ fuhr ihr Vater fort.

Moidl antwortete nicht; sie schloß die Augen.

„Ich werde die Magd zu Dir schicken, die mag Dir einen

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1883). Leipzig: Ernst Keil, 1883, Seite 577. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1883)_577.jpg&oldid=- (Version vom 9.1.2024)