Verschiedene: Die Gartenlaube (1883) | |
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Kleine Bilder aus der Gegenwart.
Aus der glänzenden Ausstellung, welche an dem Ufer des Limmatflusses in Zürich das schweizerische Volk in diesem Jahre errichtet hat, greifen wir heute eine Abtheilung heraus, welche uns die Erzeugnisse einer den Bewohner des platten Landes nur wenig bekannten Thätigkeit vor Augen führt. Mitten unter den Fabrikanten, Landwirthen und Künstlern der Schweiz ist auch der Alpenclub erschienen, der sich die Aufgabe gestellt hat, die hohe Alpenregion dem Verkehr zu erschließen und sie wissenschaftlich zu erforschen. Sein zwanzigjähriges Wirken hat nicht nur für das engere Vaterland vielen Nutzen gestiftet, sondern muß auch von dem Strom der Touristen, der sich alljährlich in die Alpen ergießt, in hervorragender Weise anerkannt werden, es beansprucht entschieden ein allgemeineres Interesse, und hoffentlich werden auch die folgenden Angaben dem Leserkreis der „Gartenlaube“ nicht unwillkommen sein.
Seitdem 82 Söhne Albions unter Führung William Kennedy’s am 22. December 1857 in London den ersten „Alpine Club“ begründet hatten, ist bis auf den heutigen Tag die Zahl der Alpen- und Touristenvereine in Europa riesig gewachsen. Dentschland allein zählt gegen 40 solcher Vereine, die an der Erschließung, Erforschung und Verschönerung der heimischen Berge rastlos und mit vielem Erfolg arbeiten. Ja selbst nach Asien pflanzte sich diese Bewegung fort, denn die englischen Welttouristen haben vor Kurzem einen Himalayaclub gegründet. Frankeich, Oesterreich und Italien haben sich dieser für unsere wanderlustige Zeit so charakteristischen Bewegung gleichfalls angeschlossen.
Unter allen diesen Vereinen nimmt aber, was die Gediegenheit der Leistungen anbelangt, der Schweizer Alpenclub unbestritten den ersten Rang ein. Und das darf uns nicht wundern, denn die 35 Mann, welche an der von dem verstorbenen Dr. Simmler nach Bern am 19. April 1863 berufenen Gründungssitzung Theil nahmen, befanden sich von Anfang an in einer äußerst glücklichen Lage. Die Zusammensetzung der Schweiz aus verschiedenen Nationalitäten machte dem rasch aufblühenden Verein alle nationalen Sonderbestrebungen unmöglich und lenkte seine gesammte Kraft auf rein wissenschaftliche Forschung. Außerdem hat der rege Fremdenverkehr die Bevölkerung der Hochthäler schon frühzeitig zur Gründung zahlreicher Hotels, zur Anlage von Wegen und Straßen veranlaßt und auch zur Entwickelung eines selbstständigen Führerwesens vielfach angeregt.
So mußte sich denn die Thätigkeit des schweizerischen Alpenclubs naturgemäß auf jene Hochgebirgsregionen richten, in welche nur der Tourist zu steigen pflegt und in welche ihm die private Speculation nicht mehr folgen kann. Hier aber kommen nur die Bedürfnisse abgehärteter Männer in Frage, und für diese genügen schon einfache Unterkunftshütten, in welchen sie übernachten oder vor dem einbrechenden Unwetter Schutz finden können. Unsere Abbildung zeigt dem Leser eine solche, die Schwarzeckhütte, eine Schöpfung der Section Oberland, welche am westlichen Fuße des Schreckhorns auf dem unteren Grindelwaldgletscher circa 2500 Meter über dem Meeresspiegel liegt. Sie wurde 1877 errichtet, ist gut gebaut und unterhalten und bietet für acht Mann Raum. Die Hütte dient als Ausgangspunkt für Excursionen auf das Schreckhorn und über die Gletscherpässe Strahleck, Finsteraarjoch, Agassizjoch und Vischerjoch.
Seit der Alpenclub besteht, sind auf seine Kosten oder unter seiner Mitwirkung 30 Clubhütten in der oberen Alpenregion errichtet worden, welche die größte Zeit des Jahres hindurch unbenutzt bleiben und in denen der selten einkehrende Gast sich selbst bewirthen und mit einigen Bänken, Decken und wenigem Feuerungsmaterial zufrieden sein muß.
Außerdem war der Schweizer Alpenclub bemüht, das bereits von früher her in der Schweiz stark ausgebildete Führerwesen zu organisiren, und es ist ihm dies gelungen in einer Weise, welche ebenso den Touristen wie den Führern selbst zum Vortheil gereichte. So wurden in den verschiedenen Sectionen des Vereins Lehrcurse für Führer eingerichtet, und zahlreiche Unterstützungen Familien von Führern zugewandt, welche bei Ausübung ihres Berufes um’s Leben kamen. Vor Kurzem aber ist es dem Verein gelungen, eine Führer-Versicherung in’s Leben zu rufen, welche die Gesellschaft Zürich übernahm und wobei der Alpenclub ein Fünftel bis ein Viertel der Assecuranzprämie zahlt.
Auf unserer heutigen Abbildung sehen die Leser einen Alpenführer in lebenstreuer Darstellung, mit seiner einfachen aus Bergstock und Gletscherseil bestehenden Ausrüstung. An diesem Seile hängt oft das Leben des Führers und der ihm anvertrauten Bergsteiger, und darum muß es mit besonderer Sorgfalt auf seine Festigkeit geprüft werden. In der Regel giebt man den von Manillahanf gefertigten Seilen für touristische Zwecke den Vorzug. Ein solches Seil von etwa 15 Meter Länge wiegt 1,8 Kilogramm und reicht zum Anseilen von vier Personen. Für größere Touren braucht man dagegen Seile von 30 Meter Länge, welche ein Gewicht von 2,10 Kilogramm haben. Die meisten Führer in den Alpen sind heutzutage nur mit kürzeren Hanfseilen ausgerüstet, welche für kleinere Partien vollkommen genügen.
Der Bergstock des Führers, auch Pickel genannt, ist etwas kürzer als die gewöhnlich von den Touristen gebrauchten Bergstöcke, und hat ungefähr 1 Meter Länge. Unten läuft derselbe in eine scharfe Spitze aus, am oberen Ende hat er ein querliegendes Eisen, welches an dem einen Ende spitz, an dem andern aber breit ist, welche Theile danach die Namen Spitzhaue und breite Haue erhalten haben. Es mißt etwa 30, höchstens 33 Centimeter.
Wer aber bei Betrachtung dieser und anderer Gegenstände, als da sind: Touristenkleidung, Bergschuhe, Schneereifen, Schneebrillen etc., meinen wollte, daß der Club eigentlich nur den Sport des Bergsteigens fördert, von dem die Welt wenig Nutzen hat, den belehrt ein Blick auf den wissenschaftlichen Theil dieser Ausstellung eines Besseren. Da finden wir zunächst eine große Anzahl von Abbildungen und Landkarten, für welche wissenschaftliche Autoritäten dem Verein den größten Dank wissen und die unter Anderem auch auf der geographischen Ausstellung in Venedig im Jahre 1881 durch das Ehrendiplom erster Classe ausgezeichnet wurden. Anerkennenswerth sind auch die Bemühungen des
Verschiedene: Die Gartenlaube (1883). Leipzig: Ernst Keil, 1883, Seite 569. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1883)_569.jpg&oldid=- (Version vom 21.2.2024)