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Seite:Die Gartenlaube (1883) 568.jpg

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1883)

Die eingebürgerte fremde Art soll ihm vollständig das Aussehen einer wilden einheimischen Pflanze gewähren. Er will sie, wenn er ihre Geschichte nicht kennt, für eine seit nicht mehr nachweisbaren Zeiten seiner Flora zugehörige halten müssen; sie muss ihm die höchste Wahrscheinlichkeit bieten, daß sie aus seinem Gebiet nicht wieder verschwinden wird, zu welchem Zwecke sie eine gewisse Ausbreitung erlangt haben und in vollkommen hinreichender Anzahl vorhanden sein muss, sodaß sie nicht durch locale Veränderung des Standorts oder durch abweichende klimatische Einflüsse der Vernichtung völlig preisgegeben ist.

Dr. R. Büttner.




In der Volks-Kaffeeschenke.

Wer eine jener neuen Schenken (vergl. Jahrg, 1882, S. 279) kennen zu lernen wünscht, in denen man sich nicht betrinken kann, der braucht jetzt nicht mehr nach England zu reisen. Auch in Deutschland sind sie schon an mehreren Orten zu finden, z. B. in Bremen. Wollen wir dem dortigen „Volks-Kaffeehause“ einen Besuch abstatten?

Es nimmt sich schon von außen recht stattlich und einladend aus. Man hat dafür in der westlichen Vorstadt, wo die meisten Fabrikarbeiter beschäftigt sind und wohnen, eine Ecke gewählt, welche die Hauptstraße der Gegend mit einem der betretensten Wege zwischen den Fabriken und den Wohnquartieren bildet. Ringsum liegt es frei. Ein Siechenhaus, eine Anstalt zur Ausbildung von Kranken-Pflegerinnen und ein großes Volksschulgebäude machen seine Nachbarschaft aus. Aus dunkelrothen Backsteinen mit heller Sandsteineinfassung neu gebaut, ist es nicht das mindest hübsche unter diesen öffentlichen Gebäuden. In dem kleinen Vorgarten stehen für die gute Jahreszeit Tische und Bänke, auf denen man im Freien seine Erfrischung zu sich nehmen und die Wagen der Pferdebahn vorüberfahren sehen kann, eine noch junge und deshalb sehr beliebte Augenweide in diesem Stadttheil, dessen Bevölkerung nicht durch Ferienreisen und Sommerfrischen verwöhnt ist.

Wir treten in’s Innere des Hauses und finden rechts den Schenkenraum. Die feinste Dame braucht sich nicht zu scheuen, hineinzugehen und an einem der Tische sich niederzulassen. Auf der andern Seite aber ist die Sauberkeit auch sein größter Luxus, sodaß der schlichte Arbeiter sich hier nicht unbehaglich fühlen wird, falls er nur selbst vorher sich von den Spuren seiner Beschäftigung gereinigt hat. Es kommt trotzdem noch vor, daß Männer oder junge Leute dieser Classe, für die die Schenke doch eigentlich bestimmt ist, in der Thür zurückschrecken und Miene machen, gleich wieder davonzugehen. Entweder fällt ihnen dann ein zu großer Unterschied des Locals von den gewohnten dumpfen, verräucherten und schlecht ausgestatteten Branntweinkneipen oder Bierhallen auf, oder sie gewahren an einem Tische Leute, in deren Gesellschaft zu sitzen und etwas zu verzehren sie nicht gewohnt sind.

Dann aber eilt der wachsame Wirth hinter ihnen her. Er will keinen Gast wieder verlieren, der einmal die Schwelle übertreten hat. Mit einer gemütlichen Begrüßung, einem Scherze oder ein paar Worten zur Zerstreuung des störenden Eindrucks veranlaßt er sie, vollends hineinzukommen und Platz zu nehmen. Es däucht ihm geradezu eine der Aufgaben des Volks-Kaffeehauses, eine heilsame gesellige Mischung der Stände zu befördern. In Mittel- und Süddeutschland, vom europäischen Süden zu schweigen, ist diese sociale Ausgleichung ja längst erfolgt. Im Norden befördert und durchgeführt, würde sie viel unsinnigen Classenhaß im Keime ersticken und gegenseitige Beziehungen herstellen oder erleichtern, welche noch unmittelbar daraus hinwirkten, die verhängnißvolle Kluft zwischen Reich und Arm auszufüllen.

Aber was ersetzt denn in diesen Schenken den Schnaps? Das ist doch wohl die Hauptsache!

Die Hauptsache vielleicht nicht so sehr, wie Nichtkenner und Verächter der niederen Stände denken mögen. In dem trinkbaren Branntwein steckt gewiß eine starke, verführerische Anziehungskraft, aber das Einzige, was in die Schenke lockt, ist er doch bei Weitem nicht. Noch stärker zieht dahin das Bedürfniß der Unterhaltung mit Seinesgleichen, und Viele, leider, treibt von Hause weg, was sie da zu der abendlichen Ruhe in den Kauf nehmen müssen. Wie viele Arbeiterfrauen entbehren der Kunst oder auch nach aufreibendem Tagewerke der erforderlichen Kraft, ihrem Manne die Häuslichkeit angenehm und erquicklich zu machen!

In wie manchen Wohnungen dieser bedrängten Menschenclasse fehlt es dafür selbst an dem unentbehrlichen Raume! Deshalb ist die Schenke mit ihrer Wärme, ihrem Licht, ihrer Einrichtung auf unterhaltendes Gespräch anziehender als das Getränk, das in ihr geboten wird, es sei denn für diejenigen, welche dem Dämon im Alkohol, der gefährlich umstimmenden Wirkung dieses süßen Giftes, bereits verfallen sind. Alle übrigen Arbeiter, und das sind sicher die meisten, sehnen sich am Feierabend mehr nach einem solchen Aufenthalt, als nach einer bestimmten Flüssigkeit für ihren Durst. Es ist mithin möglich, den Schnaps durch ein anderes Getränk zu ersetzen. Das hat sich ja schon an der Ausdehnung des Biergenusses auf Kosten des Branntweintrinkens gezeigt. Unzweifelhaft ist dies ein Vorgang, dessen wir uns freuen dürfen, denn Bier führt, auch wenn es im Uebermaß getrunken wird, nicht entfernt so rasch und unaufhaltsam abwärts wie Branntwein. Ganz ohne Bedenken ist es indessen doch auch nicht; und die Unternehmer der Volks-Kaffeehäuser in Bremen sind deswegen willens, es in ihren Schenken nicht zuzulassen. Ohnehin ist an Bierhallen ja nirgends Mangel.

Das Getränkverzeichniß, welches in dem Kaffeehause an der Nordstraße ausgehängt ist, weist auf: ein Glas Milch, eine Tasse Kaffee oder Thee ohne Zucker für 5 Pfennig, eine Tasse Chocolade für 10 Pfennig.

So wenig wie in England der übliche Name Coffee Public House etwa beweist, daß dort mehr Kaffee gefordert würde, als das Nationalgetränk Thee, so wenig darf man glauben, in den Bremer Kaffeestuben werde meist Kaffee getrunken, Seitdem die Chocolade eingeführt ist, kommen drei bis dreieinhalb Tassen von dieser auf zwei Tassen Kaffee. Sie hat die Rentabilität des Unternehmens entschieden; noch nicht freilich in dem großen neuen Volks-Kaffeehause an der Nordstraße, das kaum ein Jahr im Betrieb ist, aber doch schon in seiner Vorläuferin, der kleinen Kaffeestube an der Langenstraße.

Es ging dort anfänglich, wie es jetzt in der größeren Kaffeeschenke geht: den Winter über ausgiebiger Besuch, im Sommer wenige Gäste, weil dann Abends und am Feiertage alles aus der Stadt hinaus in’s Freie trachtet. Aber wie diese Verflauung des Geschäfts in der alten kleinen Kaffeestube überwunden ist, indem dort nun auch während der schönen Jahreszeit immer noch rund fünftausend Gäste im Monat einkehren, so wird sie wohl auch in dem neuen Volks-Kaffeehause einem genügenden Besuche weichen, wenn nur erst die Vorurtheile geschwunden sind.

Neue Sitten und Gewohnheiten brauchen ihre Zeit, im Arbeiterstande so gut wie in höheren Schichten.

Eine Kaffeeschenke wird in der Regel ihr Leben damit zu beginnen haben, daß die Wirte und Stammgäste der umliegend den Schnapsschenken sie in Verruf thun. Aber sie stirbt an dieser wohlgemeinten Widmung von Haß und Verachtung nicht. Der Haß mag vorhalten, nämlich bei den anderen Wirthen; die Verachtung der Schenkenbesucher aber steht auf schwachen Füßen. Erst der Eine, dann der Andere wird aus Neugierde, oder weil ihm Zweifel an der Alleinberechtigung der Alkoholschenken aufdämmern, sich einmal hineinwagen, und dann wird bald ein Stammbesuch der Besten unter der umwohnenden Arbeiterschaft sich ausbilden, der keinen wirksamen Verruf auflommen läßt.

Sehr befördert werden kann diese Umstimmung, wenn die Inhaber einen Saal oder sonst ein geräumiges Zimmer für die Versammlungen der Arbeiterhülfscassen und ähnliche gemeinnützige Zwecke zu leicht erfüllbaren Bedingungen hergeben.

Kein Erfahrener wird, glaube ich, das Bremer Volks-Kaffeehaus ohne den Eindruck verlassen, daß diese Neuerung sich dort wie anderwärts durchsetzen wird. „Weg mit den Schenken!“ wäre ein törichter Ruf, aber „her mit Schenken ohne Alkohol!“ werden bald viele Tausende braver Arbeiter auch in Deutschland rufen.

A. Lammers.



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Verschiedene: Die Gartenlaube (1883). Leipzig: Ernst Keil, 1883, Seite 568. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1883)_568.jpg&oldid=- (Version vom 11.1.2024)