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Seite:Die Gartenlaube (1883) 497.jpg

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1883)

No. 31.   1883.
Die Gartenlaube.

Illustrirtes Familienblatt.Begründet von Ernst Keil 1853.

Wöchentlich 2 bis Bogen. 0 Vierteljährlich 1 Mark 60 Pfennig. – In Heften à 50 Pfennig.


Ueber Klippen.

Erzählung von Friedrich Friedrich.

Auf dem Thurme der Pfarrkirche in einem rings von hohen Bergen umschlossenen Thale Tirols läutete es zur Messe. Laut und feierlich hallten die Glockentöne durch den ruhigen, frischen Herbstmorgen hin, sie brachen sich an einer nahen Felswand und da klang es, als ob jeder Glockenschlag noch einen singenden Nachklang habe.

Es war Sonntag, und auf dem Kirchwege kamen Jung und Alt langsam daher zur Messe. Vor dem nahen Wirthshause stand ein Trupp junger Burschen und Männer, um zu plaudern, ein Glas Wein zu trinken und ihre kurze Pfeife auszurauchen, ehe sie in die Kirche gingen.

Manche von ihnen waren erst vor wenigen Tagen von den hochgelegenen Almen, auf denen sie fast den ganzen Sommer zugebracht, heimgekehrt, und da oben hatte es keinen Wein gegeben, und ihre Bekannten waren auch nicht dorthin gekommen. Lauter als sonst ging es deshalb unter ihnen zu, es fehlte nicht an derben Späßen, und wenn ein neuer Bekannter hinzu trat, so hielten ihm zehn Hände das volle Weinglas entgegen, und es wurde ihm die Rechte so kräftig geschüttelt, daß eine zartgebaute Hand unter dem Drucke gebrochen sein würde.

Es waren kräftige, arbeitgehärtete und wettergestählte Gestalten. Die frische Bergluft und die schwere Arbeit ließen keine Schwächlinge aufkommen.

Die kurze Joppe aus grobem Loden, der breite, zum Theil gestickte Ledergurt, die mit Nägeln beschlagenen Bergschuhe, das Alles ließ die Gestalten noch fester erscheinen. Nur der kleine schwarze Hut mit dem Gemsbart und der verwegenen Hahnenfeder, sowie die frische Blume, die an keinem fehlte, gaben ihnen ein lustiges und keckes Aussehen.

Eine Gestalt fiel vor Allen unter ihnen auf. Das war der David Unterburgsteiner. Fast um Kopfeslänge ragte er über die Anderen hinaus; sein Körper hatte etwas Reckenhaftes, und unter seinen buschigen Brauen blitzen ein Paar unruhige, stechende Augen hervor.

Er war der lauteste von Allen und führte das große Wort. Weil er von seinem Vater vor ungefähr einem Jahre ein großes Gehöft am Berge, den Unterburgstein, und einige tausend Gulden geerbt hatte, glaubte er ein Recht dazu zu haben. Und die anderen Burschen ließen sich dies gefallen, weil sie seine Kraft fürchteten. Noch hatte er im Ringen Jeden geworfen, und er liebte es zu raufen.

Es lag in seinem ganzen Wesen und in dem Tone seiner Stimme etwas Herausforderndes und Rohes. Er wußte, daß er wenig Freunde hatte, lachend rief er:

„Er brauche keine Freundschaft, denn was er erreichen wolle könne er selbst durchbringen.“

Ein Bursche trat zu den Dastehenden; es war Sepp Plankensteiner.

„Gestern Abend ist der Hansel Haidacher heimgekehrt,“ sprach er. „Sie haben ihn in Wien ein Jahr früher von den Soldaten losgelassen, als er selbst erwartet hatte. Seine Führung muß eine gute gewesen sein.“

Die Nachricht schien die Meisten zu erfreuen, die Umstehenden bestürmten den Ueberbringer mit Fragen.

Der Unterburgsteiner allein zuckte unwillig mit den Augen und biß erbittert auf die Pfeifenspitze.

„Sepp, weißt Du das mit der guten Führung so genau?“ rief er mit höhnendem, herausforderndem Tone.

„Ich weiß es nicht, aber es wird schon so sein, wie ich sage, denn wen sie einmal unter den Soldaten haben, dem schenken sie so leicht nichts,“ entgegnete der Gefragte ruhig.

„Und ich sage, dem wird nicht so sein!“ rief David laut. „Haha! Es kehrt Mancher auch vor der Zeit heim, weil mit ihm nichts anzufangen ist! Doch mir kann es gleichgültig sein, was den Welschen zurückgeführt hat. Was geht’s mich an!“

Er stürzte lachend ein volles Glas Wein hinab.

Die Umstehenden schwiegen, so sehr sie sich auch über die Worte ärgerten, denn den Hansel Haidacher hatten sie alle gern. Der Unterburgsteiner hatte ihn in wegwerfender Weise einen Welschen genannt, weil Hansels Mutter eine Italienerin war, aber so sehr Hansel in seinem Aeußeren auch die Abstammung seiner Mutter verrieth, im Herzen war er ein echter Tiroler, genügsam und heiter wie ein Kind.

„Ich gönne es dem Haidacher, daß er den Hansel wieder hat,“ sprach ein schlank aufgewachsener Bursche, der Franz Steger. „Dem Alten ist’s schlecht ergangen in den letzten Jahren. Er ist krank und schwach. Drei Kühe sind ihm auf der Alm verunglückt, sein bestes Stück Land ist durch den Bergsturz verschüttet, er allein wäre nicht im Stande gewesen, das zu überwinden. Der Hansel wird’s durchführen!“

„Kannst ihm ja helfen!“ fiel David mit höhnendem Lachen ein. „Bezahl die Schulden, die auf dem Gehöft haften, und führe ihm einige von Deinen Kühen in den Stall, aber Du mußt nicht vergessen, das Futter mitzunehmen.“

Ein lustiger, hell durch die Morgenluft hallender Juchzer unterbrach den Unterburgsteiner. Aller Augen wandten sich nach einer Felswand hoch über ihnen und gleichzeitig riefen die Meisten:

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1883). Leipzig: Ernst Keil, 1883, Seite 497. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1883)_497.jpg&oldid=- (Version vom 9.1.2024)