Verschiedene: Die Gartenlaube (1883) | |
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großer Reiz, ein gleicher Ansporn aber auch für die Händler. Wenn seltene Widafinken vom Cap, Papagei-Amandinen von Ostindien, besonders schöne und kostbare Prachtfinken von Afrika oder von Australien oder die seltensten Plattschweifsitiche und andere beliebte kleine Papageien zu erwarten sind, da giebt es einen gar erregten Wettstreit, und die Händler fahren dem Dampfer wohl viele Meilen weit in die See entgegen, um einander nicht allein den recht hübschen Ertrag, sondern auch die Ehre der Einfuhr streitig zu machen.
Zunächst wollen wir aber unsere Blicke in die Wildnisse lenken, in denen die Vögel gefangen oder sonst wie erbeutet werden. Die meisten von ihnen, wie die großen Schwärme von Wellensittichen, manchen Plattschweifsittichen, vielerlei Prachtfinken, auch kleinere Schaaren von Cardinälen, Staarvögel in zahlreichen Arten und andere mehr werden mit Netzen vornehmlich an der Tränke oder bei anderen Gelegenheiten eingefangen. Große, sprechenlernende Papageien, der Jako, die vielartigen Amazonen und andere werden von den Eingeborenen aus den Nestern gehoben oder doch als ganz junge Vögel aufgegriffen, dann, bis zum völligen Flüggewerden, besonders mit gekautem Mais aus dem Munde, aber auch mit Bananen und allerlei anderen Früchten aufgefüttert. Im Uebrigen betreibt man den Vogelfang in den fernen Gegenden mit all den Vorrichtungen und Hülfsmitteln, welche bei uns im Gebrauch sind; also mit Vogelleim, Schlingen, Netzen, Fallen. Manche kleine Papageienarten lassen sich dupfen, das heißt sie sind so harmlos, daß man vermittelst einer an eine Stange gebundenen Schlinge oder Leimruthe einen nach dem andern herabholen kann, ohne daß die übrigen verscheucht werden, bis die ganze Schaar im Käfig sich befindet. Die eingefangenen oder aus den Nestern geraubten und aufgefütterten Vögel werden sodann nach den Küstenstädten zum Verkauf gebracht. Wo es sich verlohnt, harren ihrer besondere Aufkäufer, die sie in möglichst großer Anzahl nach Europa bringen, so erwirbt man z. B. die Graupapageien in Afrika und die Wellensittiche in Australien. Ueberall anderwärts aber hängt der Handel vom Zufall ab. Das Schiffsvolk, die Matrosen, der Steuermann, der Koch und selbst die Officiere, ebenso die Reisenden, Jeder erhandelt in den Küstenstädten, beziehungsweise den verschiedensten Plätzen des Handelsverkehrs überhaupt, allerlei Gefieder. Nach den Hauptpunkten des derartigen Verkehrs senden heutzutage die Großhändler von Europa aus schon ihre Agenten, und dieser ganze Vogelhaudel entfaltet eine Rührigkeit, die man in der That mit Staunen betrachten muß.
Hoch obenan unter den Großhändlern des Thierhandels im Allgemeinen steht Karl Hagenbeck und neben ihm seine Schwester Christiane Hagenbeck, welche schon seit einer langen Reihe von Jahren den Vogelhandel dieses Geschäfts in der Hand hat. Dann folgen in ziemlich gleicher Bedeutung Chs. Jamrach[WS 1], A. H. Jamrach und I. Abrahams in London, William Croß in Liverpool, H. Fockelmann[WS 2], H. Wucherpfennig und H. Möller in Hamburg, J. H. Dieckmann in Altona, N. Welsch in Bremerhafen. E. Reiche in Alfeld bei Hannover, welcher einen großartigen Canarienausfuhrhandel nach Nordamerika betreibt und eine Filiale in New-York besitzt, importirt amerikanische Vögel in großer Anzahl, und ähnlich, wenn auch nicht in demselben Maße, L. Ruhe, gleichfalls in Alfeld. Dazu kommen dann noch eine Anzahl von Händlern, welche von den west- und südamerikanischen Hafenstädten aus Vögel importiren, so namentlich mehrere Firmen in Bordeaux, Marseille und G. Singer in Triest. Weiter führen die Händler, welche alljährlich in mehr oder minder großer Anzahl Canarien nach Rußland verhandeln, auch wiederum Vögel von dort, wie Lafurmeisen, Carmingimpel, Hakengimpel und andere mehr, mit. Den Beschluß in diesem ungemein regsamen Verkehr machen die sächsischen und böhmischen Händler, welche Singvögel aus dem Südosten zu uns nach dem Norden und Nordwesten alljährlich in beträchtlicher Anzahl überbringen, so Stein- und Blaudrosseln, Orpheus- und andere Grasmücken, dann namentlich Sprosser, Nachtigallen, Schwarzköpfchen und andere.
Die Vogelhandlung von Chr. Hagenbeck empfängt allein jährlich 50,000 bis 60,000 Köpfe fremdländischer Vögel, und mit ihr wetteifern alle übrigen genannten Großhandlungen, während noch zahlreiche keinere Händler in den Hafenstädten, unter denen ich wenigstens G. Lintz in Hamburg erwähnen will, im Ganzen sicherlich gleichfalls 50,000 Köpfe jährlich erlangen. Wenn wir sodann die in Frankreich, Holland, Italien und Südösterreich thätigen Importeure berücksichtigen und die Gesammteinfuhr überblicken, von den gemeinsten Prachtfinken, welche in Schiffsladungen zu 1000 Köpfen und mehr ankommen, bis zum seltensten Papagei, der in einem Exemplare zum ersten Mal herüber gebracht wird, so dürfen wir die alljährlich in den Handel gelangenden fremdländischen Vögel auf mindestens 500,000 Köpfe veranschlagen. Diesen außerordentlich großartigen Verkehr vermittelt für Deutschland, Oesterreich, die Schweiz und zum Theil auch für Holland und Belgien meine Zeitschrift „Die gefiederte Welt“ (Berlin, Louis Gerschel), für Frankreich „L’ Acclimitation“ (Paris, Deprolle), für Belgien „L’ Acclimitation Illustrée“ (Brüssel, Ed. de Wael); auch sämmtliche Geflügelzeitungen in Deutschland bringen beiläufig bezügliche Annoncen, dasselbe thun auch einige ornithologische Vereinsblätter und dann gelegentlich die englischen Sportzeitungen.
Bedeutsam für den Handel mit fremdländischen Vögeln, wie für den Thierhandel überhaupt, sind die alljährlich zweimal stattfindenden öffentlichen Versteigerungen der „Sociéte d’ Acclimitation“ von Antwerpen. Als Hauptorte des Vogelhandels zweiter Hand sind Berlin, Wien, Leipzig, Dresden, Prag zu nennen. Wenn ich beiläufig darauf hinweise, daß der Ertrag der Canarienvogelzüchtung in Deutschland im Durchschnitt jährlich 300,000 bis 450,000 Mark beträgt, daß dazu eine Summe von mindestens 20,000 bis 80,000 Mark als Ertrag der Züchtung von Wellensittichen, mancherlei anderen Papageien und namentlich mannigfachen Prachtfinken hinzukommt, so darf ich den Umsatz des gesammten Vogelhandels wohl zweifellos auf 800,000 bis 1,000,000 Mark jährlich schätzen.
Aber nothgedrungen müssen wir auch einen Blick auf die düsteren Punkte im Vogelhandel werfen. Gefahren und Trübsal beginnen für den Vogel von dem Augenblick des Einfangens an, dann folgen sie noch mehr beim Transport aus dem Inneren nach der Küste und im höchsten Maße während der langen Seefahrt. Aus dem Innern her werden die Vögel meistens auf weiten Reisen und unter großen Beschwerden in Behältern, in welchen sie nichts weniger als wohl sich fühlen können – so z. B. die Graupapageien in langen, röhrenförmigen Körben, welche die Neger über der Schulter tragen – nach den Hafenstädten gebracht. Hier sperren sie die Aufkäufer sodann meistens in schmutzige, enge Behälter, und noch viel schlimmer ist dieses Verhältniß in der Regel auf der Seefahrt. In recht ungeeigneten Versandvorrichtungen werden die Vögel übergeführt; aus einfachen Holzksten, die zum Verschicken von irgend welchen Waaren nach jenen fernen Ländern gedient haben, stellt man in der Weise Käfige her, daß die vordere Seite herausgeschlagen und durch ein Drahtgitter ersetzt wird, oder man hat auch besondere, aber nicht minder einfache Holzkisten aus rohen Brettern, ebenso blos an der Vorderseite vergittert. Damit die Vögel beim Füttern nicht entweichen können, werden ihnen die Schwingen an einem, manchmal auch an beiden Flügeln verschnitten. Dies geschieht fast regelmäßig bei den meisten Papageien, und bei ihnen gerade ist es besonders zu bedauern, weil die Federstümpfe schwer ausfallen und die neuen Schwingen sehr langsam nachwachsen. An den Versandkäfigen mangelt fast immer eine Vorrichtung zur Reinigung, nur bei wenigen ist an der Vorderseite eine bewegliche Leiste zum Oeffnen vorhanden, sodaß vermittelst eines eisernen Hakens der Koth herausgekratzt werden kann. Zu bedauern ist es auch, daß die meisten derartigen Versandkisten gar nicht einmal Futtergefäße haben, sondern daß die Nahrung für die Vögel ohne weiteres auf den schmutzigen Boden geschüttet wird. Aus alledem ergeben sich bereits Uebelstände, welche nur zu unheilvoll wirken.
Auf dem Schiffe kommen nun noch weitere Beschwerden hinzu. In der Enge, in welche die bedauernswerten Vögel zusammengepfercht sind, entsteht zunächst eine unheilvolle Schwüle, welche im Schiffsraum, insbesondere auf den Dampfschiffen, durch die Hitze der Maschine, durch Qualm und Dunst gesteigert wird, oder die Vögel stehen ganz draußen auf dem Verdeck und sind allen Unbilden der Witterung preisgegeben. So lange die aus den Tropen mitgenommenen Futtermittel, welche die Vögel von Jugend auf kennen, ausreichen und in gutem Zustande bleiben, geht es noch, dann aber beginnt entweder die Einwirkung verdorbenen Futters oder die nur zu schwierige Gewöhnung an Ersatzmittel, welche den Thieren meistens nicht einmal zuträglich sind. Sodann macht sich auch der Einfluß des fremden Klimas geltend, und die nun beginnende Sterblichkeit erreicht den höchsten Grad,
Anmerkungen (Wikisource)
Verschiedene: Die Gartenlaube (1883). Leipzig: Ernst Keil, 1883, Seite 492. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1883)_492.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2023)