Verschiedene: Die Gartenlaube (1883) | |
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dahingestellt. Man wird indeß weder die historische Wahrheit noch die schuldige Pietät verletzen, wenn man solchen Mythen, solchen und ähnlichen prüfungslos bis auf die Druckfehler aber- und abermals abgeschriebenen Fabeln nicht ohne Weiteres beipflichtet.
Die folgenden Auseinandersetzungen dürfen umsomehr Interesse erregen, als sie charakteristische Einblicke in das Leben früherer Culturepochen gewähren.
Die ältesten zusammenhängenden genealogischen Nachrichten über die Familie Humboldt finden sich in Krohne’s „Allgemeines teutsches Adelslexicon“ vom Jahre 1774. Aus ihm schöpften alle bisherigen Biographen. Ihr Inhalt lautet im Wesentlichen:
„Erdmann Ludwig von Humboldt war kurfürstlich brandenburgischer Rath. Sein Sohn Conrad war brandenburgischer Legationsrath auf einer Gesandtschaftsreise zu Paris, nachher königlich preußischer Rath und Amtshauptmann der Starostei Draheim und Sabin, starb 1723. Sein Sohn Hans Paul fing seine Kriegsdienste unter dem adeligen Cadettencorps in Kolberg an; 1706 ward ihm vor Turin, wo er als Capitain im Felde stand, der Fuß zerschossen; hierauf pensioniert, heirathete er 1713 die Tochter des königlich preußischen Generaladjutanten von Schweder und starb 1740 auf seinem Gute Zeblin.
Von seinen fünf Kindern ist Alexander Georg der Vater unsers Brüderpaars.“
Diese Nachrichten können wesentlich berichtigt und erweitert werden, wenn auch die älteren classischen Gewährsmänner für die Geschichte des pommerschen Landes und Adels, Gundling, Caspar Abel, Brüggemann, über die Familie von Humboldt und ihren angeblichen Grundbesitz nur dürftige Data enthalten.
Aber bleibt auch der alterbliche Grundbesitz und das Alter des Adels der Familie von Humboldt ziemlich unerwiesen, so finden sich doch ausführliche und zuverlässige Nachrichten von mehreren Trägern des Namens, die zu den tüchtigsten und biedersten Männern der Zeit gehörten.
Ob Heinrich Humboldt, 1442 Kossät in Grunow im Angermünder Kreise, schon zu den Ahnen unserer Humboldt zu zählen, ist nicht festgestellt. Sicher aber gehört zu ihnen Johann Humboldt, der während der schwersten Zeiten des Dreißigjährigen Krieges gelebt hat und als Bürgermeister in Königsberg in der Neumark am 11. Februar 1638 im dreiundsechszigsten Lebensjahre gestorben ist. Von seinem Sohne Clemens erzählt zunächst Georg Christ. Gutknecht, Prediger zu Hermsdorf und Wulkow, in seiner ungedruckten Chronik von 1400 bis 1750, Blatt 96:
„Der Churf. Brandbrg. Amtmann auf Neuhoff starb 1650, 2. Januar, Clemens Humpolt, und ward mit seiner Tochter, so etliche Tage nachher erblasset, auf einem Todtenwagen nach Virchow abgeführt und in der Kirche begraben. Auf sein Begehren und der Wittwe Anhalten ward die Gedächtnißpredigt über 2. Tim. 4, 6. in Stettin gedruckt. Er wollte zwar studiren, war auch schon 1 Jahr in Frankfurt, allein wegen der schwierigen Kriegszeiten, da sein Vater, Consul in Königsberg in der Neumark, durch vielfältige Einquartierung, unerträgliches Contribuiren, unzählige Durchzüge, plündern und rauben dergestalt enerviret, daß er zur Continuirung seiner Studien ihm keine sumptus necessarios suppeditiren (nöthigen Aufwand beschaffen) können, hat er nolens volens den Studiis valediciren (dem Studium entsagen) müssen. Unterdessen hat er sich beim Stadt Syndico in Crossen 2 Jahr als Manuensis lassen gebrauchen, bis er nach und nach zum Amtmann recommandiret worden. War fromm und mildthätig, die Predigten hat er mit sonderlicher Devotion angehört, alle und jede in ein Reinbüchlein zum fleißigsten aufgezeichnet und nicht eher zu Hause gespeiset, bis solche wieder aufs reine bracht, wie denn nach seinem Tode 5 unterschiedliche Bücher sehr nett und sauber eingenäht gefunden, darin er vor 5 Jahren die dispositiones mit sonderlichen Fleiß geschrieben. Wenn er irgendwo den Kirchendienern dienen können, so war es seine höchste Lust und Freude, hat 3 Kirchen ein rühmliches legiret und zum bau und wiederanschaffung der geraubten Glocken verehrt, war glimpflich, dienstfertig und bescheiden, hatte ein teutsches, treues Herz, hat für die Unterthanen Tag und Nacht gereiset, geschleppt und mit Fleiß dahin gesehen, daß ihnen kein Unrecht geschehe, darumb die begränzten Nachbarn ihm oft nach Leib und Leben getrachtet und Er manche Nacht geflohen und seinen Tod causirt, alt 45 jahr.“
Es ist zu bedauern, daß die Kinder dieses Clemens Humpolt nirgends namentlich erwähnt werden.
Nur von Conrad Humboldt ist es zweifellos, daß er ein Sohn des Clemens gewesen. Ueber seine Amtstüchtigkeit geben die Hofkammer-Acten im königlichen Ministerialarchiv, die Starostei Draheim betreffend, ausführliche Auskunft. Er trat als energischer Mann mit unbeugsamer Strenge und Ausdauer der willkürlichen Anmaßung der Nachbarn, namentlich der Manteuffel,[1] entgegen.
Von Hans Paul Humboldt bemerkt König ausdrücklich, er sei „filius unicus“ von dem Draheimer Amtmann Conrad gewesen, und ergänzt die Nachrichten Krohne’s dadurch, daß er l703 als Fähndrich zum Heiden’schen und bald darauf zum Canitze’schen Regiment gekommen und endlich als Capitain, mit 8 Thaler Pension monatlich, in der Gegend von Köslin gelebt habe. Von ihm hat sich auch noch das Immediatgesuch um die Renovirung, richtiger wohl um die Verleihung des Adels erhalten. Es lautet buchstäblich:
„Allerdurchlauchtigster, Großmächtigster König,
Allergnädigster Herr!
Nach geschehener Eingabe umb die confirmation des Adels zu erhalten, habe ich mich nach Stolp zum Platenschen Regimentsfeldscherer begeben müssen, welcher nach einer 4 Wochen Bettlagerung mir 1 paar Knochen, wie ein 16 ggr. Stück Groß aus der blessur geschnitten, so daß nunmehr im Stande bin nicht einen Fuß aufzusetzen. Alß ich aber dennoch wegen meiner lieben Kinder die Sache gern zu Ende bringen wollte, So wünsche Ew. Königl. Majestät Allerhöchste Person ich allergehorsambst und allerunterthänigst, meinem vorigen gethanen petito Allergnädigst Gehör zu geben, den Adel auf’s Neue zu ertheilen, auch das dabey gefügte Wappen zu conferiren.
Ich getröste mich Allergnädigster Erhörung und verbleibe bis an den letzten Bluts Tropffen in tiefster Submission
Ew. Königl. Majestät
Allerunterthänigster
Stolpen, 16. May 1738. Hans Paul Humboldt.“
Hiernach scheint die anerkannte Adelsprädicirung nicht über das Jahr 1738 hinauszugehen, und wo sie früher vereinzelt vorkommt, nur conventionell gewesen zu sein wegen der hohen Stellung, die der Prädicirte einnahm.
So war es auch noch 1830 zweifelhaft, ob Wilhelm und Alexander von Humboldt der Barons- oder Freiherrntitel gebühre.
Von den Kindern Hans Paul Humboldt’s starben mehrere schon im Kindesalter, ihn überlebten nur vier Söhne und eine Tochter.
Einer seiner Söhne, Alexander Georg von Humboldt, geboren 1720 zu Zamenz in Pommern, ist der Vater unsers Brüderpaares Wilhelm und Alexander. Von ihm berichtet der Geograph Büsching:
„Als er eine sehr gute Erziehung im väterlichen Hause genossen hatte, ging er 1736 in preußische Kriegsdienste, unter des Generallieutenant von Platen Dragonerregiment. Ob er sich nun gleich in drei Kriegen zu seiner Ehre hervorthat, so hatte er doch keine hinlängliche Gelegenheit, seine Talente zu zeigen und dadurch emporzusteigen; daher verließ er diese Dienste 1762 als Major. Der König ernannte ihn 1764 zum Kammerherrn und setzte ihn an den Hof des Prinzen von Preußen. 1766 reizten ihn die vorzüglichen Eigenschaften der Frau Marie Elisabeth von Colomb, verwittweten Freifrau von Hollwede, sich mit derselben zu vermählen, aus welcher Ehe zwei Söhne vorhanden sind. Schon 1769 legte er die Stelle am kronprinzlichen Hofe nieder und lebte von dieser Zeit zwar ohne Amt, aber nicht ohne nützliche Thätigkeit. Seine Güter in der Neumark hatte er verpachtet, aus seinem Wohnsitze Tegel suchte er aber zu machen, was durch Kunst daraus werden konnte, und der Augenschein lehrt, daß er ein Mann von Verstand und Geschmack gewesen ist. Für einen solchen haben ihn auch Hohe und Niedere im Umgange erkannt und deswegen hochgeachtet. Er war auch ein großer Menschenfreund, leutselig und wohlthätig. Sein Tod, welcher am 6. Januar 1779 im 59. Jahre seines Alters erfolgte, ward daher von Jedermann bedauert.“
Die „Vossische Zeitung“ vom 9. Januar klagt:
„Nicht nur die Edelsten des Staats, auch die Menschheit hat in ihm einen Freund und das Vaterland einen Patrioten verloren.“
Aus der Ehe des Majors von Humboldt mit der verwittweten von Hollwede entsprossen eine Tochter, die schon früh starb, und das gefeierte Brüderpaar Wilhelm und Alexander.
- ↑ In dem ersten Bericht Conrad Humboldt’s an den Kurfürsten finden wir unter Anderem folgende Stelle:
„Wie ich denn Ew. Churf. Durchl. hiemit unterthänigst berichten muß, was gestalt in Falkenhagen oder großen Pusche Von seiten der Starostey als von Seiten der Popielewsken oder Manteuffel mit denen bishero hincinde geschehenen Verhandlungen fast ein gantzes jahr eingehalten und den beeden theilen das Holtzfällen ohne turbation exerciret worden; – Alß aber am 1. Febr. der draheimische Ambtsschreiber David Dumble zum Behuff der Starosteygebäude und Zu anbauung des wüsten freysitzes in Clashagen, so Ew. Churfl. Durchl. ihm in gnaden geschenket hat, einiges Holtz in obgedachtem Falkenhagen oder großen Pusch abhauen lassen, haben des Brutzischen Manteuffels bediente, die draheimischen Leute angefallen und dem einen ein gespanntes Rohr auf die Brust gesetzet, mit Betrohung ihn tod Zuschießen, sofern er sich nicht mitt ihnen abfinden und das gefälte Holtz hinterlassen würde, worüber der Pauer den Mannteuflischen schützen 12 Lbsch. oder 8 gute groschen geben müßten. …“
Der Bericht erzählt noch von anderen Gewaltthaten der Manteuffel und sucht ihre vermeinten Ansprüche zu widerlegen; die Manteuffel behaupteten nämlich, daß ihr „Recht an dem Pusche von verschiedenen Königen in Pohlen gebilliget“ worden, während Humboldt aus den Kanzlei-Acten nachzuweisen suchte, daß die betreffenden Ländereien Staatseigenthum wären. In dieser Angelegenheit schreibt Humboldt in demselben Berichte:
„Stelle also Ew. Churfl. Durchl. in allerunterthänigkeit anheim, wie ich mich zur Abwendung solcher Einträge, wodurch dem Hauße Draheim märklich könnte praejudiciret werden, hiernächst zu verhalten habe. Inzwischen hoffe, es werden Ew. Churfl. Durchl. gnädigst genehm halten, das, wenn die Mannteuffel in obgedachtem Pusche Holtz fällen, ich sie ebenfalls, wie hiebevor von hieraus solches öfters geschehen, abpfänden, und, da sie gewalt thun, gewalt mit gewalt zurücktreiben laße, absonderlich da mir berichtet wird, daß die Mannteuffel … den Pusch oder Falkenhagen gentzlich verwüsten wollen, welches alles nach möglichkeit zu verhindern ich meinen Pflichten gemäß mich jederzeit unterthänigst befleißigen werde, als
Durchlauchtigster Churfürst, Gnädigster Herr
Ew. Churfürstlichen Durchlauchtigkeit
unterthänigster und gehorsamster Knecht
Conrad Humboldt.“
Verschiedene: Die Gartenlaube (1883). Leipzig: Ernst Keil, 1883, Seite 427. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1883)_427.jpg&oldid=- (Version vom 6.1.2024)