Verschiedene: Die Gartenlaube (1883) | |
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Unsere Abbildungen auf Seite 424 veranschaulichen uns die Gebrauchsweise dieser Schiffsbänke. Der Künstler zog es vor, die ausgestellten Objecte so zu zeichnen, wie sie im wirklichen Leben angewandt werden, anstatt einfache Abbildungen der Modelle etc. zu liefern, und unsere Leser werden ihm wohl dafür Dank wissen. Auf der Ausstellung sind z. B. die Modelle der Schiffsbänke kleinem Kinderspielzeug nicht unähnlich, und erst die durch das Bild angeregte Phantasie gewährt uns einen besseren Einblick in den hohen Nutzen derselben.
Ein anderes Rettungsboot, welches nicht allein mit dem flüssigen, sondern auch mit dem festen Element der See zu kämpfen hat, ist das Eisboot. Oft kommt es vor, daß durch ein plötzlich eintretendes Eistreiben die Fischer von der Küste abgeschnitten und in die See hinausgetrieben werden. Da war es bis jetzt für die Mannschaften der Rettungsstationen mit sehr großen Schwierigkeiten verknüpft, Eismassen mit gewöhnlichen Rettungsböten zu überwinden. Für solche Fälle wird nun das Eisboot verwendet. Wie uns unsere Abbildung (Seite 421) zeigt, ist dasselbe mit einem Schlitten versehen, sodaß es durch Menschen- oder Pferdekräfte auf festem Eise leicht fortbewegt werden kann. Es ist ebenso wie die anderen Rettungsböte aus cannelirtem Eisenblech gebaut und wiegt im Ganzen 750 Kilogramm.
Außer Proviant, Compaß, Apotheke, Fangleinen etc. ist dieses Boot noch mit zwei Paar Eissporen, zwei Eisstampfen, einem Flaschenzug und Hau-Anker ausgerüstet. Soll das Boot nach vollbrachter Rettungsthat aus dem Wasser wieder auf das Eis gebracht werden, dann wird es mittelst des in das Eis eingehauenen Ankers und des Flaschenzuges in’s Trockene hinaufgezogen.
Verlassen wir aber für einen Augenblick die Seeküsten und wenden wir uns den Gewässern des Festlandes zu. Auch hier fordern jahraus jahrein die Flüsse und die Teiche ihre Opfer. Das Rettungswerk der Verunglückten ist namentlich im Winter besonders schwierig. Selbst dem besten Schwimmer gelingt es oft nicht, wenn er einmal auf dem Eise eingebrochen ist, sich wieder emporzuarbeiten. Die Eiskante, an der er sich festklammern will, bricht nur allzu oft ab, und die schwere Winterkleidung vermehrt, da sie bald immer mehr Wasser ansaugt, in ungünstigster Weise das Gewicht des Körpers. Zu den verschiedenen projectirten Rettungsmitteln in dieser Gefahr, wie den Holzkugeln und Leinen, kommt als letztes Glied in der Kette noch die Eisleiter.
Sie ist aus leichtem Holz gearbeitet und soll dem Eingebrochenen auf dem Eise zugeschoben werden. Ihr vorderer Theil ist so gebaut, daß er, sobald die Leiter an die freie Stelle im Eise gelangt, von selbst sich senkt und so eine Trittleiter bildet, auf welcher der Verunglückte in gewissem Sinne bequem hinaufsteigen kann. Diese Eisleiter kann auch an den Seeküsten Verwendung finden, und unser Bild (Seite 424) veranschaulicht uns einen derartigen Rettungsact im größeren Stil. Den Verunglückten waren schon vorher Schwimmgürtel zugeworfen worden, hierauf wurde rasch die Eisleiter auf dem zweirädrigen, am Ufer haltenden Karren herbeigeschafft und die Rettung gelingt in der geschilderten Art.
Die Eisleiter dürfte bei uns auf Schlittschuhbahnen nicht fehlen. Vereine und Behörden sollten ihr Augenmerk auf dieses einfache, aber praktische Rettungsinstrument richten.
Wir machen jetzt vor einem Gerüst Halt, wie es durch unsere letzte Abbildung (Seite 425) veranschaulicht wird. Es ist mit verschiedenen Rettungsapparaten behangen. Um seinen Zweck und Nutzen zu begreifen, müssen wir uns an den Strand irgend eines Seebades mitten unter das aus Curgästen bestehende Publicum versetzen. Daß auch dort Unglücksfälle vorkommen, ist allgemein bekannt. Die meisten von ihnen werden dadurch verursacht, daß die Badenden bei ihren Schwimmübungen plötzlich auf tiefere Stellen gelangen und, sobald sie keinen Grund unter den Füßen fühlen, die Besinnung verlieren. Um ihnen aus dieser gefährlichen Situation zu helfen, sollen nun am Badestrande jene Gerüste aufgestellt werden, auf denen sich allerlei Rettungsapparate befinden: „Für Jeden zum Gebrauch“ und „Zur Rettung in Gefahr“.
Da sehen wir neben den Rettungsringen und Wurfkugeln mit Leinen zwei am Fuße der Bretterwand angebrachte leichte Stangen, mit deren Hülfe man die Verunglückten auf seichtere Stellen ziehen kann. Das links unten hängende Sprachrohr dient zur Verständigung mit den Badenden auf weitere Entfernungen.
In der Mitte der Bretterwand ist ein Raum freigelassen worden für Bekanntmachung der Ortsbehörde zum Schutze der Einrichtung und für Anweisung zur Behandlung scheinbar Ertrunkener.
Die Pflicht der Badewärter und -Wärterinnen ist es ferner, die Rettungsapparate vor dem Beginn der Badestunden an den richtigen Ort zu hängen und dieselben nach Ablauf derselben aufzubewahren, und im Interesse des Publicums selbst liegt es endlich, sich mit dem Gebrauch der Apparate vertraut zu machen, was übrigens bei den oft langweiligen Strandpromenaden eine recht interessante Unterhaltung abgeben dürfte.
Unser Führer durch die Ausstellung erklärt uns noch den Gebrauch des danebenstehenden Raketenapparates, dessen einer Theil, die Anker-Raketen, weniger bekannt ist.
Ist bei hoher See der Abgang des Bootes vom Strande nicht zu erreichen, so schießt man gegen die anprallenden Wogen eine Rakete ab, an deren Ende eine Leine mit einem Anker befestigt ist. Sobald der Anker sich auf dem Meeresgrund festgesetzt hat, ziehen die vordersten Männer im Boote die Leine an, und während die übrigen ihre Ruder in Bewegung setzen, stößt das Fahrzeug der stürmenden See zum Trotz vom Lande ab.
Wir schließen hiermit unsern Gang durch diesen Theil der Ausstellung. Unser Bericht macht keinen Anspruch auf Vollständigkeit, denn wir haben nur das hervorgehoben, was gerade von allgemeinem Interesse zu sein schien und bis jetzt in den Spalten dieses Blattes nicht beschrieben wurde.
Dem Fachmann bietet diese Gruppe ein reiches Material zu vergleichenden Studien, wie überhaupt die Hygiene-Ausstellung erst dann voll gewürdigt werden und wirklichen Genuß bieten kann, wenn man sich in das Studium der einzelnen Theile vertieft.
Nur Eins möchten wir noch hervorheben. Alles, was wir in dem imposanten Krystallbau, unter den gewölbten Steinbögen der Stadtbahn und in den zahlreichen aus grünem Gebüsch hervorschauenden Pavillons erblicken, ist das Resultat der deutschen Arbeit und der deutschen Erfinder.
Die Schöpfer der Ausstellung können mit Stolz auf ihr Werk herabblicken. Ein ernstes Wollen und Treiben blickt uns dort von allen Seiten entgegen. Ein großartiges Bild des Kampfes der Menschen gegen die vernichtende Gewalt der wildtobenden Elemente entrollt sich hier vor unseren Augen, und wir verzagen nicht bei seinem Anblick, denn wir sehen, wie Sieg auf Sieg errungen wurde, und unwillkürlich steigt in unseren Herzen empor der Hoffnungsstern einer glänzenden, glücklicheren Zukunft.
Zur Genealogie der Familie von Humboldt.
Man mußte seit der Enthüllung der Denkmäler Wilhelm’s und Alexander’s von Humboldt so viel Irriges über die Verwandtschaftsverhältnisse ihrer Familie hören und lesen, daß es zweckmäßig erscheint, diese genealogischen Angaben nach den zuverlässigsten Quellen zu berichtigen und durch einige ältere wenig bekannte Nachrichten zu erweitern:
Die zeitherigen Biographen der gefeierten Träger des Namens Humboldt lassen sie von einem altadligen Geschlechte in Hinterpommern, aus dem Hause Zamenz oder Zemmenz im Fürstenthume Camin abstammen, das hier im Neustettiner Kreise Güter in alterblichem Besitze gehabt habe. Berghaus läßt ihre Ahnen schon „in frühen Zeiten, in dem Kampfe der Deutschen gegen die slavischen Völker, mit dem Flamberg fechten“. Pott erklärt den Namen Humboldt etymologisch als gleichbedeutend „wie ein sagenhafter, in’s Riesenmäßige ausgezogener Hune“ – französische Biographen lassen den Vater Wilhelm’s und Alexander’s von Humboldt so reich gewesen sein, daß er dem Könige die Kosten des Siebenjährigen Krieges wesentlich tragen half – und endlich war es auch üblich geworden, den Namen Humboldt schon früh mit dem Barons- oder Freiherrntitel zu prädiciren.
Ob man das dioskurische Brüderpaar Wilhelm und Alexander von Humboldt dadurch zu ehren glaubte und sonderlich geehrt hat, bleibe
Verschiedene: Die Gartenlaube (1883). Leipzig: Ernst Keil, 1883, Seite 426. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1883)_426.jpg&oldid=- (Version vom 12.3.2024)