Verschiedene: Die Gartenlaube (1883) | |
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Ein freundlich helles Treppenhaus empfängt uns, in welchem durch sinnig angebrachte Medaillonbilder das Andenken Friedrich Prellers gefeiert wird. Wir gelangen zunächst in das Speisezimmer der Herzogin. Mit der grünen Holztäfelung, den grünen Vorhängen und gleichfarbigen Stühlen, den großen Wandleuchtern, dem schwarzen, eine Büste tragenden Ofen und dem alten, mit der Abbildung einer Ilm-Partie gezierten Ofenschirm macht dieses Zimmer einen gemüthlichen, anheimelnden Eindruck. Auf einem marmornen Spieltische stehen alte schöne Armleuchter, auf einem andern Tische eine große Urne, auf dem Tische vor einem Spiegel ein kleiner Obelisk, kleine Urnen, bronzene Figuren und andere Tafelaufsätze und Nippsachen, die zum Theil wohl die Herzogin von ihrer italienischen Reise heimgebracht hatte. Die eine Wand wird von einem sehr anmuthigen und schönen Kniebild der Mutter der Herzogin geschmückt.
Die unbegreifliche Kälte und Abneigung, welche die Mutter gegen ihre Tochter bekundete, hat diese mit Liebe und liebevollem Andenken erwidert. Der Hauptschatz dieses Zimmers aber ist das prächtige Bild des jugendlichen Friedrich’s des Zweiten, welches der große Preußenkönig selbst seiner Nichte, der Herzogin Amalie, geschenkt hat. Es stellt ihn in blauem Kleide, mit Stern, an einem Tische stehend, dar.
Es dürfte kaum ein zweites Bild existiren, welches Geist, Genie und Charakter des jungen Königs so treffend wiedergiebt wie dieses. Der Herzogin war es lieb und theuer, und mit freudigem Stolze pflegte sie dasselbe den sie Besuchenden zu zeigen.
Die beiden folgenden, in rother Seide und rothen Möbeln elegant ausgestatteten Zimmer versetzen uns mitten in den Kreis der bedeutenden Persönlichkeiten, die den Weimarischen Musenhof bildeten.
In dem nächsten, dem Empfangszimmer, finden wir ein treffliches Bild des durch seine launigen Dichtungen, seine Liebenswürdigkeit und Zerstreutheit bekannten Freundes der Herzogin, des Oberhofmeisters von Einsiedel, in den Ecken Büsten von Knebel’s und des Fräuleins von Göchhausen. In dem folgenden, dem Dichter-Zimmer, die Portraits Wieland’s, Goethe’s, Herder’s und Schiller’s, in einer Ecke eine Büste Karl August’s als Knabe, und an der Hauptwand ein großes, reizendes Bild der Herzogin selbst. In weißem Atlaskleid sitzt sie lesend neben dem Clavier, während ihr kleiner Hund an ihr in die Höhe springt. Mit ihren großen, geistreichen Augen sieht sie vom Buche auf und den Beschauer so lebhaft an, als wenn sie in Wirklichkeit lebte.
Wie einfach sie lebte, veranschaulicht in wahrhaft rührender Weise das anstoßende Gemach, es ist das Schlaf- und Sterbezimmer der Herzogin. Die Wände mit grüner Seide bedeckt und mit den Bildern der nächsten braunschweigischen und weimarischen Verwandten geziert, auf einem halbrunden sogenannten Kommodchen eine alterthümliche Uhr und Nippsachen, hat dieses kleine Zimmer den Charakter des Inniges und Traulichen. In einer Nische ein einfaches Bett (ehemals als Himmelbett eingerichtet), daneben auf einem Tischchen ein Paar rothe, gestickte Schuhe der Herzogin, mit den damals üblichen hohen Absätzen, über dem Bett ein kleines Bild ihrer Mutter und ihm gegenüber die Bilder ihrer Kinder: ein allerliebstes Bild Karl August’s als Kind, ein Bild von ihm als Militär und ein Portrait ihres in den Jugendjahren „von der Parze entrissenen“ Sohnes, des Prinzen Constantin, dem die trauernde Mutter im Tiefurter Park ein Denkmal errichtet hat. Wenn sie Morgens die Augen öffnete, fiel ihr erster Blick auf die Bilder ihrer lieben Kinder.
Neben dem Schlafzimmer befindet sich das ebenso enge wie einfache Toilettenzimmer. Zahlreiche kleine Masken- und Costümbilder, historisch interessante Darstellungen der Ruinen des niedergebrannten Weimarischen Schlosses, italienische Landschaften u. dergl. m. zieren das Gemach. Ein Kniebild der Herzogin zeigt sie im reiferen Alter, in Morgen-Toilette, mit ernstem Gesichtsausdruck. Es finden sich ferner hier ein sehr hübsches Wachs-Relief Karl August’s, eine Silhouette der Herzogin und in einem Glaskasten ein Fächer von ihr, ihr Spazierstock und zahlreiche andere Reliquien.
Wir treten auf den schmalen Corridor heraus. Die Wände desselben sind mit kleinen Landschaften, z. B. Ansichten vom „Stern“ im Weimarischen Parke, namentlich aber mit Portraits der Damen geschmückt, mit denen als den Zierden des Musenhofs die Herzogin so gern verkehrte. Jedem Besucher werden zwei Gemälde unvergeßlich bleiben, die hier gegenüber hängen. Auf der einen Seite die höchste Zierde des fürstlichen Liebhabertheaters, die erste Iphigenie, Goethe’s Freundin und Geliebte, die große und edle Künstlerin Corona Schröter, in anmuthiger Schönheit, in weißem, blauverziertem Gewande, den Kopf leicht auf die klassisch schöne Hand gestützt, im reichen Haare geschmackvollen Perlen- und Federschmuck. Sie war die Hof- und Kammersängerin der Herzogin Amalie. Ihr gegenüber das musterhaft gemalte Portrait einer andern berühmten Frau der weimarischen Glanzepoche: eine Dame von üppiger, vollerblühter Schönheit, mit blondem, leicht gepudertem Haare, mit blauen Altgen voll Geist und sinnlichem Reize und mit lächelndem Munde. Es ist die Geliebte Schiller’s, welche auf den Dichter und seine Dichtungen so starken Einfluß geübt hat, welche auch in der Gesellschaft regelmäßig ihren Platz neben ihm hatte, welche auch bisweilen von Herzogin Amalie gemeinschaftlich mit Schiller, wie zwei Personen, die nun einmal zu einander gehören, nach Tiefurt eingeladen wurde – es ist die Freundin Goethe’s, Herder’s, Jean Paul’s, die ebenso geistreiche als tiefunglückliche Frau Charlotte von Kalb.
Wenden wir uns nach dem oberen Stocke des Hauses, so gelangen wir in drei Zimmer, in denen die Herzogin dem geistigen Verkehre und der Pflege der Künste sich hingab, ein jedes in seiner Art von besonderer Bedeutung. Das erste, der sogenannte Ecksalon, in elegantem Blau gehalten, hat ein noch wohlerhaltenes Deckengemälde von Oeser. Schöne Vasen mit Leuchter schmücken das Zimmer; das werthvolle Bild eines englischen Malers, die Rückkehr Friedrich’s des Zweiten und seiner Generäle von der Parade darstellend, und mehrere Familienbilder zieren die Wände. Besonders aber erfreuen uns prächtige italienische Landschaften, z. B. der Wasserfall des Belino bei Terni u. a. m. Sie gehören wohl mit „zu den Bildern und Zeichnungen, welche die Herzogin aus Italien als ewig süße Erinnerungen der schönen da verlebten Zeit mitgebracht hatte“, und welche Sophien von La Roche, der sie dieselben gezeigt, nachher zu dem Ausrufe veranlaßten: „wie viel Geist und Geschmack des Wahren, Großen und Schönen liegt in der Auswahl der Gegenstände dieser Bilder und Zeichnungen!“
Frau von La Roche gedenkt auch eines „prächtigen, in der feinsten und vollkommensten Mosaik gearbeiteten Gemäldes des Triumphbogens von Constantin“, das Papst Pius der Sechste der Herzogin zum Andenken geschenkt habe. Leider scheint dies Kunstwerk unter den jetzigen Kunstschätzen des Palais nicht enthalten zu sein. Wir werden durch ein schönes Medaillonbild Goethe’s, „von J. Ph. Melchior nach dem Leben modellirt 1775“, durch viele reizende Gegenstände aus der Zeit Alt-Weimars entschädigt. Manche davon waren als Andenken an die Herzogin in Privatbesitz übergegangen und sind nun zu Bereicherung der Palaissammlung in dankenswerther Weise zurückgegeben worden. Von besonderem Interesse ist eine von Herrn Justizrath Gille zu Jena hierher verehrte Tasse mit einem Miniaturbildchen, das die Herzogin Amalie, Fräulein von Göchhausen und die Herren von Einsiedel und von Wolfskeel beim Kartenspiele darstellt – ehemals ein Geschenk Amaliens an von Wolfskeel – und ein sprechend ähnliches kleines Medaillonbild der Herzogin aus dem Besitze des Fräuleins Obstfelder zu Weimar.
In diesem Salon hatte die Herzogin ihre geistig belebten Gesellschaften, hier verlebte sie in edler Geselligkeit, in vertrautem Verkehre mit den berühmten Männern und Frauen, welche Weimar zu einem Sitze der Musen umgeschaffen hatten, und im Genusse der neuesten Produkte der Literatur glückliche Stunden.
„Unsere Herzogin ist eine recht wackere Frau und es lebt sich recht gut in ihrer Gesellschaft,“ schrieb Schiller am 10. Oktober 1803 an Körner. Der Letztere verkehrte damals in ihrem Cirkel bei ihrem Besuche Dresdens, und sein Bericht darüber an Schiller dient auch zur Veranschaulichung ihrer weimarischen Gesellschaften.
„Die Herzogin hat viel Sinn für feinern Lebensgenuß und ist sehr gutmüthig dabei. Einsiedel ist ein gebildeter Mann, mit dem sich allerlei sprechen läßt. Auch die Göchhausen mag ich recht gern. Sie hat sehr hübsche Attentionen, den ungezwungenen Ton immer zu erhalten, und paßt recht gut zu ihrer Stelle. Kurz, wenn ich in Weimar lebte, ich würde viel in diesem Cirkel sein.“
Vielleicht gab es aber auch wohl Momente, die jenes Bild boten, das die Gräfin Henriette von Egloffstein von den Tiefurter
Verschiedene: Die Gartenlaube (1883). Leipzig: Ernst Keil, 1883, Seite 404. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1883)_404.jpg&oldid=- (Version vom 5.1.2024)