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Seite:Die Gartenlaube (1883) 379.jpg

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1883)

gewordene Wald gerade hier wieder in der Fülle des Urwachsthums auf! – thatsächlich der größte und schönste Park der Welt. (Vergl. S. 373.)

Doch nicht genug damit – in dieser selben Größe eines kleinen europäischen Königreiches bildet es zugleich auch mit dem darauf zusammengedrängten Pandämonium (Tempel aller Dämonen) von heißen Quellen, Geysern, Schlammkratern und sonstigem Wasser- und Feuerspuk grandiosester Art die letzte Zufluchtsstätte jenes vulcanischen Großlebens, welches einst die ganze westliche Hälfte des nordamerikanischen Continents beherrschte, ist es eine einzige ununterbrochene Zauberwildniß, zu deren zahllosen Phänomenen sich, über den gesammten übrigen Erdball verstreut, kaum hier und da vereinzelte Anklänge, geschweige denn etwas wie wirkliche Seitenstücke finden.

Gleich das erste dieser Naturmirakel, welches sich dem von Norden her den Nationalpark Betretenden enthüllt, stellt sich in einer Souverainetät dar, wie sie nur dem Unvergleichlichen, dem Einzigen eigen ist. Es sind dies die ein kleines Gebirge für sich bildenden Riesengebilde chemischer und vulcanischer Gewalten, welchen die ersten Erforscher dieses Gebietes die Bezeichnung „White-mountain hot springs“ (des „Weißen Gebirges heiße Quellen“) beigelegt hatten, die jedoch heute nur noch unter dem weniger malerischen, dafür aber um so plastischeren Namen der „Mammuth hot springs“ (der „Mammuth heißen Quellen“) verstanden werden.

Ein kleines, weißschimmerndes Gebirge für sich – nichts mehr und nichts weniger ist es, als was sich der schneeige Wunderbau dieser Mammuth-Thermen in der sie umgebenden bewaldeten Gebirgs- und Felsenwelt erhebt. Etwa drei Meilen lang und bis zu einer halben Meile breit, wächst es inmitten einer tiefen Thaleinsenkung in mächtigen, jäh über einander aufsteigenden, grauweißen Terrassen bis zur Höhe von 400, 600 und 800 Fuß empor, in welch letzterer sich sein langgestreckter höchster Kamm bis zu dem ihn weiterhin fortsetzenden bewaldeten Bergrücken so glatt dahinstreckt, als wäre er zur Herstellung eines luftigen Riesentanzbodens mit einem einzigen ungeheuren Messerschnitt abgeplattet worden. Auf den ersten Blick und von dort, wo man nach Zurücklegung eines letzten geradezu halsbrecherisch abstürzenden Wegstücks in das Thal dieses „Weißen Berges“ einlenkt, erscheint das Ganze wie ein unabsehbarer, unförmlicher Kalk- oder Kreidebruch.

Aber nur näher heran, und alsbald treten aus diesen wüsten Abstürzen weißen Gerölls in immer frappirenderer Bestimmtheit der Umrisse die Formen stufenartig vor einander hergeschobener Becken und Wannen hervor; quellen schon hier und da, gleich leichten hin und her wehenden Schleiern, silberweiße Dämpfe empor; entfaltet sich endlich an und auf diesen wie von der Hand titanischer Künstler gebildeten Kalossalschalen ein Farbenleben, welches zuerst das Werk einer momentanen Blendung zu sein scheint, bis schließlich der ganz nah Herangekommene erkennt, daß er es mit keiner Sinnestäuschung, sondern mit wirklichen, untrüglichen, leuchtenden Farben zu thun hat, neben denen die bunten Gaukelspiele des Regenbogens und des Edelopals zur Unscheinbarkeit herabsinken.

Und nun löst sich dem mehr und mehr in dieses Naturheiligthum Eindringenden auch das Räthsel dieses Schalen-, Dampf- und Farbenzaubers. Das Räthsel – nicht das Wunder, das vielmehr immer magischere Reize entfaltet, je näher man ihm tritt, je mehr man sich darein versenkt.

Die zitternden Silberschleiern gleich aufwallenden Dämpfe entsteigen den heißen Quellen, welche hier allerorten, auf den Plateaus und Terrassen dieses Märchengebirges sowohl, wie an seinen Abhängen, in zahllosen Centralbassins unmittelbar dem Erdinnern entkochen. Die von diesen Kraterbecken aber nach allen Seiten sich ausbreitenden Farben entstrahlen den mineralischen Niederschlägen der nämlichen heißen Quellen. Beständig durch neue Siedefluth aus der Tiefe verstärkt, kochen sie unablässig über die Ränder ihrer Mutterbassins; ergießen sie sich von ihnen aus cascadenartig in die sie umlagernden tieferen Schalen; füllen sie diese selbst mit lichtblauem Krystallgefluth, während sie dort, wo sie wieder abfließen oder verdunsten, über Alles ein ganzes, die gesammte Farbenscala von Lichtgelb, Hellgrün und Rosa bis Krebsroth, Scharlach, Purpur und Braun durchstürmendes Bacchanal von blendenden Tinten und Lichtern ausbreiten.

Und doch ist damit ihr Werk für das Auge noch nicht vollendet. Mit der Vollbringung des berauschendsten Farbenzaubers nicht zufrieden, wollen sie auch Formen-Magier sein, und sie sind es in der That. Mit denselben mineralischen Niederschlägen, mit denen sie im Laufe der Jahrhunderte dieses ganze Kreidegebirge sammt seinen Becken- und Wannen-Gefügen ausgeführt und mit denen sie es seitdem tagtäglich in einen wahren Makart-Reichthum coloristischer Glorien hüllen, schmücken sie gleichzeitig auch noch das von ihrer Azurfluth angefüllte Innere dieser Schalen und Bassins mit den reizendsten plastischen Gebilden aus. Wo sie die Muster dazu her haben? Wer will es sagen? Ob vom Bau der Koralle, ob vom Wachsthum des Mooses, ob von der Bildung der Reiherfeder oder der Schuppenablagerung des Schmetterlingsflügels? Genug, daß nicht nur die beiden zaubermächtigsten Farbenmischer der Welt, Licht und Wasser, am rastlosen Werke sind, die blendendsten coloristischen Effekte hervorzubringen: es trägt auch die plastisch-bildende Natur beständig alles Zierlichste, Holdeste und Grazienhafteste zusammen, um das hier von ihr gedichtete Schönheitsmärchen zu einem vollendeten zu machen.

Und so vereinigt sich in diesen Mammuth-Thermen, und wie in ihnen, noch in Hunderten und aber Hunderten der zahllosen übrigen heißen Quellen, welche das Wunderland des Yellowstone übersäen, Alles und Jedes, was den davor Stehenden berücken und ihn über dem bloßen Schauen völlig vergessen machen kann: daß die Natur in dem Allen noch etwas ganz Anderes, als nur ein Feenwerk für das Auge errichtet hat, daß sie hier, wie im ganzen Yellowstone-Park, auch als Menschheits-Wohlthäterin und Menschheits-Retterin größten Stils zu walten gedenkt. Als Heilung spendende Menschheits-Wohlthäterin, als Leben wiedergebende Menschheits-Retterin! Wer wollte schon heute die Kräfte, welche zu diesem Behufe hier angehäuft sind, selbst nur auf ein bloßes Ungefähr hin abschätzen? Hier, wo – von den Thermen des übrigen Nationalparks gar nicht zu sprechen – im Umkreis einer einzigen Stunde allein die vom ewigen Feuer der Unterwelt erhitzten Fluthen ungezählter Sprudel in solchen Strömen zu Tage treten, daß der hundertste Theil davon an irgend einer Stelle der alten Welt seit Menschengedenken hingereicht hätte, aus dieser einen Stelle ein Mekka für die Leidenden aller Nationen zu machen.

Ja, vom ewigen Feuer selbst! In einer Temperatur von 160, 180, 200 und selbst noch mehr Grad Fahrenheit der Tiefe entsiedend, übertreffen diese heißen Quellen dort, wo sie in undurchsichtigster Azurglorie unmittelbar an’s Licht treten, an Hitze Alles, was man sonst von Thermen und Sprudeln kennt. Aber fast scheint es, als wüßten sie selbst, daß sie mit solchen Gluthen nur zerstören, nur tödten könnten. Und so strömen sie denn, um sich dem Heilung suchenden Menschenkinde freiwillig in allen nur begehrenswerthen Wärmegraden darzubieten, auf jenem Wunderbau selbstgebildeter Becken- und Wannen-Fluchten zu Thal, bis ihre Fluth in den entlegensten und untersten Schalen so abgekühlt anlangt, daß man, auf den Knieen über ihren Rand geneigt, ihr klares Wasser ungescheut schlürfen kann. Auf den Knieen – welche andere Stellung ziemte hier auch dem bewundernden Menschen überhaupt noch!?




Blätter und Blüthen.

Ein seltenes Schicksal. Nach einem Verse des lateinischen Grammatikers Terentius Maurus (… habent sua fata libelli) haben Bücher ihre Schicksale; daß das geflügelte Wort auf Menschen seine volle Anwendung findet, braucht wohl kaum gesagt zu werden, daß es aber auch für – Bäume gilt, ist jedenfalls eine Thatsache, welche der Erwähnung werth ist. Als Nero Claudius Drusus im letzten Jahrzehnt vor Christo die römischen Feldzeichen nach Westdeutschland trug, wurde, wie geschichtlich feststeht, eine große Heerstraßenbrücke bei Mainz über den Rhein gebaut, um die Hauptfeste castrum Moguntiacum mit dem am jenseitigen Ufer liegenden Castellum Trajani zu verbinden. Die Wogen der Weltgeschichte und die Fluthen des Vater Rhein haben jenes Bauwerk längst untergehen lassen, keine hohe Säule zeugte von verschwundener Pracht, ja man wußte nicht einmal genau die Stelle, wo es gestanden.

Zur größten Freude der Geschichtsforscher und Archäologen fand man indeß bei Gelegenheit eines Brückenbaues vor einiger Zeit die tief im Bett des Stromes versenkten Ueberreste des alten Römerwerkes auf,

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1883). Leipzig: Ernst Keil, 1883, Seite 379. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1883)_379.jpg&oldid=- (Version vom 4.1.2024)