Verschiedene: Die Gartenlaube (1883) | |
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geht keen Feier nich aus! Det is von die beeden Prahmspritzen, die haben die Schiffbauer un die Fischer von det Stralower Thor jeholt, da von det Spinnhaus her, und die spritzen nanu von de Spree aus, aber derbe!“
Die Naseweisheit des zukünftigen Berliner Bürgers blieb vollkommen ungerügt, denn die Nachricht selbst wirkte zu erleichternd auf die Ueberarbeiteten, und man war schon damals mit der Eigenartigkeit der Auseinandersetzungen eines Berliner Schusterjungen durchaus vertraut.
Rauch und Qualm vermehrten sich zusehends; nur hin und wieder schoß noch einmal eine Feuergarbe zum dunklen Himmel. Nacht starrte aus den oberen Fensterhöhlen des Hauses, und wie mit Leuchtkäfern besäet erschienen die geschwärzten, halb niedergestürzten Balkenlagen.
Endlich, als das Frühroth den Osten färbte, war das Feuer gelöscht. Wie bleiche Gestalten lagen die nassen, mit Sand gefüllten Säcke auf den Dächern der Nebenhäuser, welche die Bewohner zum Schutz des Hauses hatten heraufschaffen müssen. Die Kienfackeln an den Ecken verlöschten nach und nach, das Pumpen wurde eingestellt und – auf der Brandstätte ragten nur die Mauern empor. Alles war ausgebrannt, bis auf eine Stube im Erdgeschoß.
Wie höhnend schauten die beiden Vasen auf der großen Truhe darin mit ihrem bunten Schmuck von Augsburger Lackirbildern, die sorgsam, der Mode gemäß, darauf geklebt waren, hinaus auf die Straße. Betten lagen noch wüst auf der Diele und wohl zehn säuberlich umrahmte, herzlich schlechte Bilder von Hinrichtungen berühmter Räuber und Mörder mit Galgen und Rad, mit Prediger und Scharfrichter und der tausendköpfigen Menge hingen an den vom Rauch geschwärzten Wänden des öden Gemaches.
„Ihr seid noch hier, Herr Magister?“ rief erstaunt der Wirt „Zum goldenen Anker“. „Und gar geschwärzt in dem Gesicht!“
„Nun, lieber Wirth,“ erwiderte der Angeredete lachend, „Euch wird ein lauwarm Bad auch sehr heilsam sein. Ich habe, wie sich’s gehört, ganz wacker den Eimer geschwungen, doch – was ist der Lohn für unsern Schweiß: ein Haufen Asche!“
„Das wohl, Herr Stettiner,“ entgegnete empfindlich der mit Spreewasser Getaufte, „aber seht, kein einziges Nebenhaus ist angebrannt; das zu erreichen sollte Euch doch in Eurem kleinen Stettin herzlich schwer werden!“
Der Magister schwieg wohlweise; ihm waren schon früher die Berliner gar sattsam über den Mund gefahren. Er nahm sich von Neuem vor, die im Uebrigen so gutherzigen Berliner nicht wieder an ihrer schwächsten Stelle anzufassen.
„He, Gevatter Claus!“ rief der Wirth einem Bürger zu. „Wie steht’s? Habt Ihr Feierabend?“
„Noch nicht. Bin ja der Aelteste der Brunnenmachermeister, und da muß ich ausschauen, daß wenigstens einige Brunnen wieder in Ordnung kommen durch meine Gesellen. Kein einziger giebt mehr Wasser; ’s war Zeit, daß die Prahmspritzen kamen, sonst brennte das ganze Quartier!“
„Nun, Nachtwächter,“ redete der Magister einen müden Graubart an, dessen Horn an der Seite seinen Stand verrieth. „Nun könnt Ihr Euch ja auch hinlegen! Habt wohl einen guten Posten?“
Bitter lächelnd zeigte der Nachtwächter auf einen Officier, der von der anderen Seite der Gasse aus die Brandstätte betrachtete.
„Seht den da, werther Herr! Schaut den gnädigen Herrn, der kommt sicher vom Hoffest, sonst hätte er nicht seine Gala-Uniform an. Seht den rothen Rock mit blauen Aufschlägen und Kragen, die sechs gestickten silbernen und die sechs goldenen Schleifen auf den Rabatten, auf den Aufschlägen, auf den Taschen und hinten auf dem Rock, wie zierlich der mit Seide blaugefütterte Rock ausschaut mit den aufgehakten Schößen, wie prall die gelben Hosen sitzen, wie stolz er den Degen trägt, wie keck den Hut mit breiter Goldtresse: das ist ein Officier vom Regiment Gensd’armes, und sein Rock kostet mehr, als mir fünf Jahre einbringen! Habe drei Thaler monatlich. Gehabt Euch wohl, fremder Herr!“
Drüben auf der anderen Seite, wo die Habseligkeiten der Abgebrannten aufgestapelt waren, hielten die Bürgerofficiere noch Wacht mit ihren Mannschaften, auch die Soldaten mußten bleiben, bis all das Geräthe von Freunden und Nachbarn sicher geborgen war.
„Wißt Ihr, Gevatter,“ redete ein Zimmermann, die Axt auf der Schulter, den Wirth an, „welche Spritze zuerst auf der Brandstätte war?“
„Wollt mich wohl foppen, Gevatter, weil wir’s von Berlin nicht waren?“
„Bewahre, das wollte ich nicht! Also wir von Berlin haben diesmal verspielt? Wer war’s denn?“
„Die Cöllner waren die ersten. Ich könnte beinahe fluchen vor Aerger.“
„Gönnt es ihnen, Gevatter,“ rief der Andere im Weggehen. „Die Riemer und Nagelschmiede, welche die Cöllnische Spritze besorgen müssen, sind gar rechtschaffene Leute.“
„Glaub’s schon, doch die fünfzehn Thaler hätten wir auch brauchen können,“ brummte der Wirth. „Nun, Herr Magister, kommt mit nach Haus. Da wollen wir uns sauber machen und der Frühtrunk soll uns trefflich schmecken.“
„Wenn’s Euch gefällig ist, sehr gern. Doch was sagtet Ihr von fünfzehn Thalern?“
„Das ist ebenso einfach wie weise von den Vätern der Stadt und den Rathsherren festgesetzt: seht, die Juden sind zu keiner Arbeit zu gebrauchen, sie können nur schachern und deshalb dürfen sie auch nicht zum Löschen kommen. Dafür zahlen sie nach jedem Brande fünfzehn Thaler der ersten Spritze Belohnung. Ist das nicht weise?“
„Sehr weise! Wie ich aber gehört habe, brauchen die königlichen Bedienten auch nicht beim Feuer zu helfen, wie sonst jeder Andere. Was zahlen die denn?“
„Die?“ meinte der verblüffte Wirth. „Was so ein Magister für tolles Zeug zusammenfragt! Nichts zahlen sie natürlich! Nun wollen wir aber eilen, daß wir nach Hause kommen! Der Morgentrunk soll uns schmecken!“
Blätter und Blüthen.
Hecht und Uferschwalben. (Mit Illustration auf S. 361.) Das fesselnde Bild, welches uns heute unser geschätzter Mitarbeiter, Emil Schmidt, vorführt, ist kein Erzeugniß der Künstlerphantasie, sondern ein wirkliches Bild aus dem Leben, eine Scene aus dem Kampfe um das Dasein, welcher mit seinen ehernen Ketten das ganze Reich des Lebens umschlingt. Herr H. Band hat im vorigen Jahre diese freche Raubthat des Hechtes während einer Angelpartie an den Ufern der Mulde, unweit des Schlosses Zschepplin, beobachtet und berichtet uns darüber, wie folgt:
„Unten am Ufer rechts saßen, kaum sechs Schritte von mir entfernt, auf einer über dem Wasser hängenden Weidenruthe drei junge Uferschwalben, kaum des Fliegens fähig. Aus einem verunglückten Neste waren sie mit Mühe bis hierher flatternd geflüchtet. Die Alten flogen fütternd ab und zu. Noch lag der bekorkte Kiel der Angel unbeweglich. Da mit einem Male rechts ein gewaltiges Aufrauschen und Aufschlagen im Wasser, gerade an der Stelle, wo die Schwälbchen saßen. Die Weidenruthe bog sich in heftigen Schwingungen auf- und abwärts. Ein Schwälbchen, das am hintersten, am wenigst schwingenden Theile der Ruthe saß, hielt sich fest und suchte das Gleichgewicht flatternd zu gewinnen. Das andere kreiste ein Weilchen schwerfällig herum und nahm dann seinen Platz auf der ziemlich beruhigten Ruthe neben dem andern Schwälbchen wieder ein. Verwundert schaute ich nach der Stelle. Die Wellenkreise verschwanden immer mehr, je weiter sie sich ausdehnten, der Wasserspiegel glättete sich, und die frühere Ruhe war wieder hergestellt. Aber ein Schwälbchen fehlte. Da zuckte es an der Angelschnur, und ich widmete ihr meine volle Aufmerksamkeit. Es war jedoch kein richtiges Anziehen, es hatte nur (nach dem terminus technicus der Angler) genippelt. Da plötzlich wieder der geräuschvolle Ausschlag im Wasser an derselben Stelle. Hin und her, auf und ab bog sich abermals die Ruthe. Wie vorher balancirte flatternd, ohne abzufliegen, das eine Schwälbchen und hatte bald festen Sitz genommen. Das zweite Schwälbchen fehlte. Daß der Räuber ein Hecht war, daran war kein Zweifel. Leise trieb ich die Angelruthe in’s weiche Ufer und näherte mich vorsichtig der betreffenden Stelle. Em ziemlich bequemer Platz bot sich dar, den Ort zu übersehen. Das Wasser war flacher, und der steinige Grund lag klar vor Augen. Mit unverwandter Aufmerksamkeit wartete ich lange, lange. Der letzte Aufsprung des Hechtes geschah so jäh, so schnell und zwar diesmal von der Seite her, wo ich gesessen hatte, daß ich eben nur ein Augenblicksbild des Geschehenen auffassen konnte. Das dritte Schwälbchen war nun auch weg. Die schwingende Ruthe stand zuletzt wieder still, und alles war vorbei.“
Verschiedene: Die Gartenlaube (1883). Leipzig: Ernst Keil, 1883, Seite 364. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1883)_364.jpg&oldid=- (Version vom 3.1.2024)