Verschiedene: Die Gartenlaube (1883) | |
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Tschaikowsky, die Belgier Huberti und Lassen, der Italiener Sgambati, die Schweizer Hans Huber („Tell“-Symphonie), Gustav Weber, Edgar Munzinger, der Franzose St. Saëns, der Holländer G. W. Nicolai erregen lebhafteste Theilnahme und zeigen, wie befruchtend die deutsche Tonkunst auf die Außerdeutschen eingewirkt hat. Deutschland ist von jeher neidlos bereit gewesen, alles Gute anzuerkennen, was auch außerhalb seiner Grenzen entstanden ist, und kann solches ruhig thun im Besitze seiner stattlichen Reihe lebender oder jüngst verstorbener Componisten, welche alle aufzuzählen diesmal zu weit führen würde.
Es ist kein geringes Verdienst des Allgememen Deutschen Musikvereins, vielen Tonkünstlern zum ersten bemerkenswerthen Auftreten oder ihren bedeutenden Werken zum Durchbruch verholfen zu haben. So unter Anderem: Albert Becker aus Quedlinburg, jetzt in Berlin lebend, der minerva-ähnlich in die Arena trat: seine glänzende, warmblütige B-moll-Messe (zuerst durch den Riedel’schen Verein 1879 aufgeführt) erregte das Erstaunen der musikalischen Welt. Ein Componist, bis dahin gänzlich unbekannt, der die verwickeltsten polyphonen Formen spielend beherrschte, die gewagtesten Combinationen auf einander thürmte und dabei aus vollem Herzen schrieb!
Das mannhafte Ringen eines zweiten tiefangelegten Tonsetzers, des überaus geistreichen Coburgers Felix Dräseke, hat man seit mehr denn zwanzig Jahren bei verschiedenen Tonkünstlerversammlungen verfolgen können. Fast schien es, als ob es nicht gelingen sollte, ihm gebührende Anerkennung zu verschaffen, da – es war 1878 auf der Versammlung in Erfurt – schlug eine seiner Symphonien (welche schon der selige Julius Rietz hochstellte) glänzend durch; dennoch erlebte die Symphonie nachdem an anderen Orten nicht die gleichen Erfolge und zwar in Folge ungenügender Vorbereitung.
Die letzte Versammlung in Leipzig nun brachte von ihm eine große und schwierige Chorcomposition in einer Aufführung des oben genannten Gesangvereins, und man kann sagen, daß Felix Dräseke mit seinem hochbedeutenden H-moll-Requiem auf der ganzen Linie gesiegt hat. In einem Theaterconcert zündete des Russen Borodin Es-dur- Symphonie, im Krystallpalastconcert Liszt’s Prometheus-Musik.
Aber nicht nur durch interessante Compositionen, nicht nur durch Virtuosen ersten Ranges suchte der Musikverein mit seiner zwanzigsten Tonkünstlerversammlung in Leipzig zu fesseln, sondern er hatte auch den sehr glücklichen Gedanken, dem Fest in den Tagen vom 3. bis 6. Mai durch eine ethnographisch-historische Ausstellung einen ganz besonderen Reiz zu verleihen. Es war ein erster Versuch, und obgleich er erst in zwölfter Stunde unternommen wurde, so ist er doch trotz der Kürze der Zeit und trotz der geringen Mittel, welche zur Verfügung standen, über alles Erwarten glänzend ausgefallen.
Sollte der Erfolg, welchen das Experiment gefunden, denn als ein solches können wir die Ausstellung nur bezeichnen, nicht ein Reizmittel zu weiteren Unternehmungen in dieser Beziehung sein? Die Zeiten der großen internationalen Weltausstellugen sind für unseren Continent vorüber, sie bringen sachlich keinen Nutzen mehr, sie sind für uns nichts anderes, als großartige Komödien, wie auch die letzte Pariser Weltausstellung eine solche gewesen ist. Dagegen hat man den Nutzen und die Vortheile internationaler Fachausstellungen kennen und schätzen gelernt. Sollte da nicht die Idee einer internationalen Ausstellung von musikalischen Hülfsmitteln, welche uns die Musikinstrumente aller Zeiten und Völker, von den Uranfängen an bis zur Gegenwart, in ihrem Sein und Werden vorführte, wohl zu erwägen, und sollte nicht der classische Musikboden Leipzigs die geeignetste Stätte dazu sein? –
Dem Grundgedanken nach zerflel die Ausstellung in zwei Abtheilungen, in eine ethnographische und in eine historische, welche beide eine Fülle interessanten und belehrenden Stoffes boten. Die erste Abtheilung bestand fast ausschließlich aus Gegenständen des „Museums für Völkerkunde“ in Leipzig, während die geschichtliche Abtheilung durch Beiträge, und zum Theil durch sehr werthvolle Beiträge, von Privatpersonen zusammengebracht worden war.
Der Ton ist das materielle Mittel für den musikalischen Ausdruck, welchem im niedrigsten Stadium, bei den rohesten Naturvölkern, schon das Geräusch diente. Um dieses wie jenen hervorzubringen, hat man zu allen Zeiten, selbst den urgeschichtlichen, und bei allen Völkern Instrumente benutzt.
Zu dem rohen Geräusche, dessen sich die sogenannten Naturvölker
Verschiedene: Die Gartenlaube (1883). Leipzig: Ernst Keil, 1883, Seite 357. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1883)_357.jpg&oldid=- (Version vom 1.6.2023)