Verschiedene: Die Gartenlaube (1883) | |
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und scharf riechenden Knollen, und Tschikuanga, zerriebene und im Dampfe gekochte Mayaka. Diese war in Wecken und gerundeten Broden, in Würsten und Klumpen aufgestapelt, jedes Stück sauber in Blätter gewickelt. Abseits neben den die große Mehrheit bildenden Verkäuferinnen von Nahrungsmitteln boten die Töpferfrauen ihre Erzeugnisse feil: kleine und große halbrunde Näpfe, schön geformte Wasserkrüge mit engen schlanken Hälsen, andere mit weiten, kurz angesetzten Oeffnungen und sehr große Thongefaße, die einem der Spitze beraubten Ei glichen, aber noch mit einem schräg nach außen und oben vorspringenden Rande versehen waren. Die meisten dieser keineswegs ungeschickten Gebilde der Töpferkunst zeigten auf röthlich-grauem Grunde das sehr hübsch in dunkler Farbe nachgeahmte Muster der Zeichnung des Malachites.
Das Geschäft schien Niemandem besonders am Herzen zu liegen; nirgends wurde zum Kaufen eingeladen, nirgends wurde gefeilscht. Die Händlerinnen rauchten behaglich ihre Pfeifen oder schwatzten rechts und links mit den Nachbarinnen. Unbekümmert um Diebe tauchten sie auch wohl in das nach allen Richtungen fluthende Gedränge. Wo Bekannte sich trafen, wo eine große Neuigkeit verkündet wurde, da staute sich der Menschenstrom, da bildete sich flugs ein Kreis von Neugierigen um die verhandelnden Parteien. An anderen Stellen steckten Klatschschwestern die Köpfe zusammen zu wichtigen Erörterungen, zu vertraulichen Mittheilungen über Dorf- und Familienereignisse, über das Wetter und den Stand der Feldfrüchte, über Heirathen, Geburten, Todesfälle, gute wie böse Nachbarn, über umgehenden Spuk, bedenkiche Zufälle und Hexenwesen. Hier und dort wurden junge Weltbürger gezeigt und bewundert, unartige Kinder abseits in die Campine geschafft, hungrige vor Aller Augen unbefangen gesäugt. Lebenslustige Weiber improvisirten dann und wann Tänze, die sie mit Gesang und Händeklappen tactmäßig begleiteten. Zudringliche, die Lebensmittel gefährdende Dorfhunde, die man mit Drohungen sowie mannigfachen Wurfgeschossen zu vertreiben suchte, verirrte Kinder, entlaufendes Federvieh, bei der Verfolgung umgeworfene Körbe und Mulden erregten allenthalben kleine Tumulte. So füllte das unendliche Gewühl den ganzen unteren Platz, trotz heißer Sonne, mannigfaltiger übler Gerüche und des aufwirbelnden Staubes. Der Weiber Schwatzen, Lachen, Jauchzen, Singen, Rufen, der Kinder Geschrei, das Gackern und Klagen aufgegriffener Hühner, das lustige Krähen flügelschlagender Hähne vermischte sich zu einem so wüsten, ununterbrochenen Lärm, daß Nervenschwachen dabei wohl Hören und Sehen vergehen konnte.
Um die Mittagszeit begannen auch die Männer einzutreffen. Sie versammelten sich unter den Schattenbäumen des oberen Platzes in unserer Nähe. Auch sie boten mancherlei Waaren feil, indem sie dieselben gleich den Weibern auf der Erde auslegten oder mit sich herumtrugen: kleine und große, nicht selten am Hefte mit Messing hübsch verzierte Messer, eigenartig geformte Beileisen, alle im Lande selbst geschmiedet, von der Küste gebrachtes Steinsalz in Bastsäckchen, Schießpulver in Fäßchen, weiße und bunte Kattune. Auch einheimische Stoffe von naturfarbenem Blätterbast der Naphiapalme, auf primitiven Webstühlen gefertigt, kamen in Menge zu Markte, dazu das Rohmaterial, bündelweise in Ziegenfelle eingerollt. Ferner aus eben diesen Fasern genähte, gestrickte, geflochtene und geknotete Mützen, die theilweise außerordentlich fein gearbeitet sind, zierlich erhabene Muster zeigen und theuer bezahlt werden.
Fische vom Congo, theils frisch, theils getrocknet oder angeräuchert und stundenweit ohne jeglichen Schutz in der Sonnenhitze transportirt, bildeten nach unseren Begriffen keine verlockende Speise, fanden aber dennoch schnellen Absatz. Sie waren stets derartig in sich zusammengebogen, daß Kopf und Schwanz einander berührten. Die größeren wurden einzeln oder in Stücken verkauft, die kleineren aber zu acht bis zwölf, und zwar auf dünne Speiler von Wedelstielen der Palmen befestigt. In der ausnahmslos gefällig symmetrischen Anordnung derselben bekundete sich wiederum der manchmal so überraschend ausgebildete Schönheitssinn der Afrikaner. Durch Kopf, Schwanz und Körpermitte gespießt, sodaß jeder Fisch gewissermaßen eine Ellipse bildete, und dicht an einander geschoben, waren die Exemplare so gereiht, daß von der Spitze abwärts immer größere folgten, an die sich in abnehmender Größe wieder kleinere anschlossen, und zwar derartig, daß der Umriß der Gruppe noch oben sich sehr allmählich, nach unten plötzlich verjüngte.
Von Hausthieren führte man Ziegen und etliche Schweine auf. Erstere hatte man nicht selten originell herausgeputzt mit einer aus Palmfiedern verfertigten, strahlig abstehenden Halskrause; letztere waren nicht, wie es bei unserem Landvolke üblich, um einen Hinterlauf gefesselt, sondern wurden weit praktischer an einem primitiven, um Brust und Hals gelegten Geschirr von Baststricken geleitet. Rinder besitzen die Eingeborenen des Congogebietes gar nicht und Schafe nur äußerst selten. Das zahme Geflügel gehört vorzugsweise den Weibern und wird daher gewöhnlich auch von diesen auf die Kitanda gebracht.
Manche Männer hatten ihre Lieblingshunde bei sich, die sie im Gedränge an der Leine führten oder vorsichtig unter dem Arme trugen. Es waren hübsche, meist recht wohlbehaltene Thiere, fein gebaut, mit klugen Köpfen, spitzer Schnauze und aufgerichteten Ohren, dazu glatthaarig, weiß und gelb oder braun gefleckt, isabellfarbig oder hell silbergrau. Alte Hunde bilden keinen Handelsartikel, wohl aber junge, die eifrig begehrt und gut bezahlt werden, namentlich wenn sie von anerkannt guter Abkunft sind.
Der obere Platz füllte sich immer rascher mit Männern und Knaben, die wie vordem die Weiber uns musterten und neugierig das Zelt umstanden. Bewaffnete sah man äußerst selten. Der eine oder andere trug zwar einen mit Messing beschlagenen Speer in der Hand, benutzte ihn aber mehr als Stock oder Schaustück, und einige junge Leute mit eingeführten Steinschloßflinten auf der Schulter passirten wohl nur im Vorübergehen den Markt. Durchschnittlich waren alle reichlicher gekleidet als die Weiber, sowohl mit den schönen einheimischen Bastzeugen, als auch mit europäischen Baumwollstoffen. Glücklichere paradirten wohl auch in Tuchröcken und bunten Uniformstücken, in unseren Augen entschieden zu ihrem Nachtheile; denn in solchem Aufzuge sind sie ausnahmslos vollendete Caricaturen. Die jüngeren Leute ahmten gern die Haartrachten des weiblichen Geschlechts nach, und besonders selbstgefällige Stutzer glänzten wie Angehörige jenes in Oel und Ruß, leuchteten sogar in rother Schminke und waren nicht minder reich mit Perlen behangen, die selbst noch die Spitzen der zierlichen Zöpfchen schmückten. Einige Männer fielen uns auf durch die Zeichnung ihrer Wangen, die mittelst einer Anzahl langer, von oben nach unten geführter Schnitte verunstaltet waren. Wir erkannten darin das Stammeszeichen der Bateke, die am Congo um den Stanley-Pool und weiter binnenwärts sitzen.
Wie es ihre Würde erheischte, erschienen die Honoratioren der Gegend zuletzt. Dorfälteste im besten Staate, kleine Häuptlinge tauchten auf, und ein Elfenbeinmakler von jenseits des Congo stolzirte großthuerisch einher, mit gelbseidenem Unterkleide und einem Ueberwurf von himmelblauem Sammet angethan, auf dem Kopfe eine rothsammetne mit gelber Seide gestickte Mütze. An seiner rothseidenen Schärpe hing ein Ruthengeflecht, wie das Gerippe eins doppelten Körbchens anzuschauen und mit blauen Glasperlen verziert. Dieses seltsame Gerüst wird beim Schlafengehen über das Gesicht geklemmt, mit einem Stück dünnen Kattuns überdeckt und dient so als ein primitives, im Süden vielfach gebräuchliches Moskitonetz.
Der Ton mehrerer Klingeln, das rhythmische Klappern und Schlagen einheimischer eiserner Doppelglocken, die in Gestalt unseren Kuhglocken ähneln, verkündete die Ankunft hoher Häuptlinge. Gravitätisch unter grellfarbigen Regenschirmen sich bewegend, schritten zwei Mächtige der Gegend durch die Menge einher, uns zu begrüßen. Vor ihnen liefen Herolde, welche die Glocken, andere, welche die hübsch geformten, am Griff mit blanken Messingbeschlägen verzierten großen Messer trugen. Diese gelten, wie bei uns die Scepter, als Würdenzeichen. Hinter ihnen drängte sich ein zahlreiches Gefolge in so wunderlichem Aufputz, als wäre eine europäische Rumpelkammer geplündert worden. Bedientenfräcke, helle und dunkle, lange und kurze Röcke, Jacken, schimmernde Uniformen wechselten ab mit bunten Decken, altfränkisch geblümten Mänteln und allem möglichen Flitterkram, wie man ihn gelegentlich wohl auf Bühnen sieht. Auf den Köpfen thronten ordinäre Filzhüte, rothe und blaue Zipfelmützen, Käppis und Czakos verschiedener Art, die unbekümmert auch verkehrt getragen wurden; sogar ein zerknitterter und vor Alter fuchsig gewordener Cylinderhut tauchte auf als ein Beweis, wie weit schon die Requisiten der Civilisation vorgedrungen waren. Mehrere des Gefolges hatten Trompeten an rothen Schnüren umhängen, andere trugen theils lange glatte oder mit Messing umwundene Rohre, sowie
Verschiedene: Die Gartenlaube (1883). Leipzig: Ernst Keil, 1883, Seite 340. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1883)_340.jpg&oldid=- (Version vom 25.5.2023)