Verschiedene: Die Gartenlaube (1883) | |
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werden. Viele von ihnen vereinigen in sich die oben erwähnten so wichtigen Eigenschaften und werden im wahren Sinne segenspendende Stätten. Aber nicht in allen Fällen, vielmehr nur bei den leichteren Erkrankungen des Weibes, insbesondere denen des Nervensystems reichen solche Sommerfrischen aus, um den kranken Organismus in normale Lebensbahnen zurückzuführen. Für eine große Anzahl der Frauenkrankheiten sind energischere Heilmittel nothwendig, und diese gewähren am ausgiebigsten jene Bade-Orte, deren Heilquellen im Verein mit den erwähnten Vorzügen der Sommerfrischen in Form von Trink- und Badecuren den in Rede stehenden krankhaften Vorgängen des weiblichen Körpers energisch zu begegnen vermögen.
So kommt es, daß eine gewisse Classe von Bädern den Ruf als Frauenbäder sich erworben hat, obschon, streng genommen, es Curorte, die ausschließlich für Frauen bestimmt sind, nicht wohl geben kann.
Die Zahl derselben ist eine sehr beträchtliche, aber nicht alle verdienen diese Bezeichnung, nicht alle rechtfertigen das Vertrauen, welches die Frauen in sie setzen. Oft haben nur Zufälligkeiten dazu geführt, oft nur geringe Erkrankungen hochgestellter Persönlichkeiten, daß ein Curort ein Frauenbad geworden ist. Den meisten aber hat der positive Nutzen, den sie gegen Frauenkrankheiten hatten, dieses Epitheton gebracht. Je nach der Beschaffenheit ihrer Quellen werden diese Curorte von den Aerzten in verschiedene Gruppen eingetheilt, und wir heben im Nachstehenden einige Repräsentanten der einzelnen Gruppen hervor. Der Leser möge uns ein näheres Eingehen auf die chemische Zusammensetzung und die heilenden Eigenschaften derselben erlassen, denn es soll und darf nicht die Aufgabe dieses Artikels sein, irgend Jemand zu bewegen, in dieses oder jenes Bad zu reisen. Im Gegentheil müssen wir hier den Rath geben, daß man über die etwaige Wahl des Curortes stets den Hausarzt befrage, welcher nur allein auf Grund seiner Erfahrungen die für jeden Einzelfall zweckmäßigste Auskunft zu ertheilen vermag.
Von Eisenquellen, die einen besonderen Ruf gegen Frauenkrankheiten genießen, sind besonders die Quellen von Pyrmont, Driburg, Spaa, Schwalbach, Franzensbad und Elster zu nennen. Die ersteren sind bei ihrem mehr als hundertjährigen Bestehen hinreichend bekannt und so oft beschrieben worden, daß es genügend erscheint, auf sie hingewiesen zu haben. Dasselbe aber läßt sich nicht in gleicher Weise von Elster, dem jüngsten Gliede in der Kette dieser Bäder, behaupten, und da seine Quellen den anderen berühmten Eisenquellen in keiner Weise nachstehen, so möge es uns erlaubt sein, etwas näher auf diesen Curort einzugehen und als Uebergangsrepräsentanten der Eisenquellen zu den salinischen Wassern das ihm nahe verwandte Franzensbad anzuschließen.
Der Curort Elster liegt in der weit nach Böhmen hineinragenden Spitze des zum Königreiche Sachsen gehörenden Voigtlandes, etwa drei Meilen von der Stadt Plauen entfernt und breitet sich in einem von der Elster gebildeten höchst anmuthigen, ziemlich breiten, den Sonnenstrahlen vollkommenen Eintritt gewährenden Thale aus, mitten unter duftigen Nadelholzwaldungen ein überaus freundliches Bild friedlicher Ruhe bietend.
Der Ort selbst, welcher gegenwärtig die Benennung „Bad Elster“ führt, besteht als Curort seit etwa dreißig Jahren, obschon man seine Quellen lange vorher kannte und eine derselben bereits im Jahre 1669 von einem Arzte beschrieben wurde. In diesen letzten drei Decennien ist das frühere alte Elster, welches bis dahin ein kleines bescheidenes Dörfchen war, durch eine große Anzahl Neubauten, welche namentlich in der Nähe der Quellen entstanden, nachdem die Staatsregierung ein großartiges Bade-Etablissement gegründet hatte, zu einem stattlichen Bade-Orte herangewachsen und zählt gegenwärtig mehr als 130 fast durchgehends von wohlgepflegten Gärten umgebene Villen, welche, zur Aufnahme von Curgästen bestimmt, etwa annähernd 2000 Personen auf einmal zu beherbergen vermögen. Ihre inneren Einrichtungen sind fast durchgehends vorzüglich zu nennen und können an Comfort mit den besteingerichteten und renommirtesten Curorten Deutschlands concurriren. Hierzu kommen noch mehrere sehr gute Hotels, welche für Verpflegung und ebenso für Unterkommen in vorzüglicher Weise Sorge tragen. Dabei ist das Leben in Elster kein theures zu nennen, und die Miethpreise für Wohnungen sind meist sehr civile.
In Einklang mit dieser Entwickelung des Orts steht selbstredend auch die Zunahme der Frequenz. Sie ist im stetigen Steigen begriffen und hat nach etwa dreißig Jahren die Ziffer von 5300 Curgästen bereits erreicht, welche aus dem nördlichen Deutschland, Rußland und anderen Ländern dahinströmen, ein Aufschwung, dessen sehr wenige Curorte sich rühmen können, und welchen Elster namentlich der unermüdlichen Fürsorge der Regierung verdankt.
Die Bade-Anstalt, welche Eigenthum des Staates ist, bildet den Mittelpunkt des Curlebens. Sie besitzt sechs große Badehäuser, von denen drei zu Wasserbädern, drei zu Moorbädern eingerichtet sind, außer verschiedenen Nebengebäuden, und ist mit allen Utensilien, welche die neuere Badetechnik fordert, und mit allem Comfort ausgerüstet. Schmucke Brunnenmädchen, in ihrer eigenartigen Volkstracht, verabreichen den Curgästen das Quellwasser. (Vergl. unser Initial, welches nach einer Photographie von A. Tietze in Elster gezeichnet ist.)
Der chemischen Zusammensetzung und Wirkung der Mineralquellen Elsters entsprechen auch die Krankheitszustände, welche hier vorzugsweise vertreten sind. Es finden sich in diesem Bade besonders jene Frauenkrankheiten ein, welche mit höheren Graden der Blutarmuth sich verbinden und bei welchen Blutstockungen im Unterleibe und verlangsamte Thätigkeit des Darmrohrs sich in besonders störender Weise entwickelt haben. Die Curerfolge sind meist höchst befriedigender Art. So kehrt manche junge, dem Siechthume verfallene Frau mit rothen Wangen und neuer Gesundheit nach vollendeter Cur in ihre Heimath zurück, aber auch manche andere begrüßt mit Dank die endliche Erfüllung langgenährter Wünsche.
Schließlich müssen wir noch bemerken, daß es in Elster nicht an Vergnügungen und Zerstreuungen aller Art fehlt, wie sie die meisten Bäder Deutschlands zu bieten pflegen, und auch die nächste Umgebung dieses idyllischen Ortes verlockt den Curgast zu zahlreichen Ausflügen. Da blühen nämlich die Industrien des sächsischen Voigtlandes. Im nahen Adorf wird eifrig die Fabrikation der Perlmutterwaaren getrieben, denn die weiße Elster wird von zahlreichen echten Perlmuscheln bewohnt (vergl. „Gartenlaube“, Jahrg. 1878, S. 120), in den Häusern der Einwohner der umliegenden Dörfer und kleinen Städte fertigen Frauen die weit und breit bekannten Weißstickereien, und schließlich lockt auch den Wanderer das nicht weit entfernte Markneukirchen, berühmt durch die Fabrikation verschiedenartigster Musikinstrumente, bekannt unter dem stolzen Namen des „deutschen Cremona“.
Eng mit Elster verbunden ist, wie schon oben angedeutet, das unweit davon, aber in Böhmen liegende, auf der Ebene des fruchtbaren Egerlandes sich ausbreitende, von wogenden Saatfeldern umgebene Franzensbad. Es ist ein alter Curort mit vortrefflichen Cureinrichtungen und gehört unleugbar zu den hervorragenderen der österreichischen Monarchie, worauf schon die Frequenz an Curgästen, die bis zu 8000 Individuen sich erhebt, hinweist. In den letzten Decennien hat Franzensbad sich durch eine große Anzahl prachtvoller, mit großem Luxus ausgeführter Neubauten wesentlich vergrößert und verschönert, hat neue Anlagen und in mancher Beziehung Verbesserungen erfahren. Es stellt eine kleine Stadt mit hübschen Straßen dar und bietet dem Fremden schon alle Genüsse, die sonst nur eine größere Stadt zu gewähren vermag, denn Franzensbad ist eben eine Stadt, eine Oase in weit sich ausdehnenden Kornfeldern, aller Naturreize entbehrend, soweit sie die Kunst nicht hat schaffen können, und unterscheidet sich dadurch wesentlich von Elster, welches ungeachtet seiner raschen Entwickelung seinen ländlichen Charakter sich zu wahren gewußt hat.
Das Leben ist in Franzensbad nicht billig, aber die Bade-Anstalten sind vorzüglich und besitzen eine große Anzahl zweckmäßig eingerichteter Badestuben, in welchen neben Mineralbädern auch Moorbäder verabreicht werden. Ihre Anzahl ist zur Zeit fünf, welche, mit Ausnahme des städtischen Badehauses, in Privathänden sich befinden. Mit besonderem Luxus ist das neue Singer’sche sogenannte Kaiserbad, das neueste der hier vorhandenen Etablissements, eingerichtet.
Auch die Franzensbader Mineralquellen, deren Anzahl eine sehr große ist, werden, wie die von Elster, meist zu den alkalisch salinischen Eisenwässern gezählt, ihr Eisengehalt aber ist kein so hoher, daß er mit den renommirteren Eisenquellen, wie wir sie in Deutschland besitzen, mit Erfolg concurriren könnte, und deswegen ist ihr eigentliches Wirkungsgebiet auch weniger das der Eisenquellen, als vielmehr das der salinischen Wasser. Ihr Ruf,
Verschiedene: Die Gartenlaube (1883). Leipzig: Ernst Keil, 1883, Seite 314. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1883)_314.jpg&oldid=- (Version vom 11.5.2023)