Verschiedene: Die Gartenlaube (1883) | |
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Zimmer der Dienerschaft nach der andern Seite lagen. Nur der Hund im Schloßhofe schlug an, beruhigte sich aber bald wieder, als er keinen Laut weiter vernahm.
Jetzt kehrte auch Werdenfels wieder in das Schlafzimmer zurück. Der flackernde Schein der Kerze, die er beim Aufstehen angezündet hatte, beleuchtete die gebeugte Gestalt Eckfried’s, der mitten im Zimmer stand, während Paul neben ihm jede seiner Bewegungen bewachte.
„Das ist ein verstockter Sünder!“ sagte er zornig. „Nicht ein Wort, nicht eine Silbe ist ihm zu entreißen. Und bei aller Schändlichkeit hat er die Sache so ungeschickt wie nur möglich angefangen! Das von außen angelegte Feuer mußte bald bemerkt werden, und den Mauern konnte es auch nicht viel Schaden thun, höchstens brannte die Veranda nieder. Ich habe ihm das eben zu Gemüth geführt, aber er verharrt in seinem trotzigen Schweigen.“
„Mir wird er Rede stehen,“ erklärte Raimund kalt. „Laß uns allein, Paul!“
„Dich mit dem Mordbrenner? Auf keinen Fall.“
„Was befürchtest Du denn? Dem alten Mann werde ich im Nothfall doch gewachsen sein.“
„Gleichviel! Er kann ein Messer bei sich haben, er kann hinterrücks einen Angriff auf Dich versuchen. Diesem Menschen ist alles zuzutrauen, und ich habe versprochen, über Dich zu wachen.“
„Versprochen? Wem?“
„Anna von Hertenstein! Sie hat Deinen Schutz in meine Hände gelegt, und ich werde ihr Wort halten.“
In dem Gesichte des Freiherrn zeigte sich eine fliegende Röthe, aber er erwiderte keine Silbe auf die Eröffnung, dennoch sah man es, daß die Ruhe erzwungen war, mit der er antwortete:
„Sei unbesorgt, es ist keine Gefahr bei dieser Unterredung, aber sie verträgt keine Zeugen. Bleibe im Nebenzimmer, wenn es Dich beruhigt, ich habe nichts dagegen.“
„Der Mann haßt Dich,“ sagte Paul bedeutungsvoll. „Er haßt Dich mit einer so blinden Wuth, daß ich schon einmal glaubte, einen Wahnsinnigen vor mir zu sehen, als ich zufällig Deinen Namen aussprach.“
„Ich weiß es, eben deshalb muß ich ihn sprechen. Geh’, ich bitte Dich.“
Die Unterredung war mit gedämpfter Stimme geführt worden, sodaß Eckfried nichts davon vernahm. Paul gehorchte nur ungern und zögernd, er trat allerdings in das Nebenzimmer, aber er lehnte die Thür nur an, um bei dem geringsten verdächtigen Laut sofort herbeieilen zu können.
Jetzt wandte sich Werdenfels zu dem Bauer, der bisher regungslos und theilnahmlos dagestanden hatte, und fragte langsam, aber mit schwerem Nachdruck:
„Was wolltet Ihr thun, Eckfried?“
Der Angeredete hob den Kopf, es lag weder Furcht noch Reue in seinen Zügen, nur der Ausdruck eines verbissenen Trotzes, und derselbe Trotz klang auch aus seiner Stimme, als er antwortete:
„Das haben Sie ja gesehen! Leugnen kann ich’s nicht – und will’s auch nicht.“
„Das sieht Euch ähnlich! Mein Neffe hat Recht, wenn Ihr das Schloß anzünden wolltet, so seid Ihr ungeschickt zu Werke gegangen, aber der Brand wurde vor den Fenstern meines Schlafzimmers gelegt, das erklärt die Ungeschicklichkeit. Antwortet! Wem galt der Plan, mir oder dem Schlosse?“
„Euch Beiden!“
Es waren nur zwei Worte, aber es sprach ein grenzenloser Haß daraus, es klang wie das Zischen einer verwundeten Schlange.
Werdenfels schwieg, er richtete nur einen langen düsteren Blick auf den alten Mann, der jetzt mit einer Art wilder Genugthuung wiederholte:
„Ja, Euch Beiden! Das Schloß für unser Dorf und Sie für meinen armen Buben! So wär’ es recht gewesen und so wollt’ ich es. Jetzt zeigen Sie mich an bei den Gerichten, Sie können mich ja in das Zuchthaus bringen, ich denke aber, Sie lassen es bleiben, denn dann würde ich reden und ganz Werdenfels würde reden, und dann könnte es dem hochgeborenen Freiherrn auch einmal an den Kragen gehen.“
„Eckfried!“ fuhr der Freiherr auf, seine Hand ballte sich krampfhaft und hob sich wie zum Schlage, während er mit so furchtbar drohendem Ausdruck vor den Bauer hintrat, daß dieser zurückwich.
„Schlagen Sie nur zu!“ sagte er dumpf. „Thun Sie mir, wie ich Ihnen thun wollte – mir ist’s recht, wenn das Elend mit einem Mal ein Ende nimmt.“
Die Worte schienen Raimund zur Besinnung zu bringen, seine Hand sank nieder, er rang augenscheinlich schwer mit sich selber, aber es dauerte Minuten, ehe er die verlorene Selbstbeherrschung wiederfand.
„Weshalb seid Ihr im Elend geblieben?“ fragte er endlich. „Ich habe Euch schon damals vor Jahren die reichste Hülfe geboten, Ihr wolltet sie nicht annehmen.“
„Nein, und ich will sie auch jetzt nicht. Eher verhungere ich sammt meinem Enkelkinde.“
„Ihr wäret im Stande dazu! Damals habt Ihr mir mit dem Stutzen geantwortet, und Ihr hättet losgedrückt, wenn ich nicht gegangen wäre, um Euch einen Mord zu sparen. Heut war es nahe daran, daß der Mord wirklich vollführt wurde, an Euch lag es nicht, wenn der Plan mißglückte.“
„Nein,“ sagte der Alte mit herber Bitterkeit, „aber mißglücken mußte er, das hätt’ ich wissen können! Ich habe es den Anderen nicht glauben wollen, daß Sie ‚fest‘ sind, jetzt sehe ich’s mit eigenen Augen. Ihnen kann nichts beikommen, weder Kugel noch Feuer, Sie haben sich gesichert.“
Werdenfels zuckte verächtlich die Achseln.
„Wieder der alte, unsinnige Aberglaube! Wer hat es Euch denn eingeredet, daß ich ein Hexenmeister sei? Euer Pfarrer vielleicht?“
Eckfrieds Augen glühten seltsam und unheimlich, als er sie auf das Gesicht des Freiherrn heftete.
„Eingeredet hat uns das Niemand, aber wir wissen es ja, warum der Herr Pfarrer Ihnen Beichte und Absolution verweigert, wir haben es erlebt, was Sie uns von Ihrem Felseneck mit herunterbrachten. In Sturm und Unwetter sind Sie gekommen, wie Ihr Herr und Meister, dem Sie sich verschrieben haben, und von dem Tage an war das Unglück losgelassen in Werdenfels. Da kamen die Stürme und der Schnee, die Krankheiten und das Elend, und das wird kein Ende nehmen, so lange Sie unter uns sind, das wissen wir Alle. Was Sie mir auf den Hals schicken werden nach dieser Nacht, darnach frage ich nicht, ich habe nicht viel mehr zu verlieren im Leben. Aber den Anderen hab’ ich helfen wollen, und sie hätten es mir Alle gedankt, es hätte mich Keiner verrathen. Und unser Pfarrer – nun, der würde mich strafen vielleicht. aber die Absolution würde er mir nicht weigern. Er hat es ja selbst gesagt: All das Unheil kommt von dem Felsenecker!“
Die anfangs dumpfe und gebrochene Stimme des Alten steigerte sich allmählich bis zur wildesten Leidenschaftlichkeit, und die Gluth in seinen Augen wurde zur Flamme. Es war der wahnsinnige Fanatismus des Hasses und des Aberglaubens, der auf kein Wort der Vernunft mehr hört, der nur ein Ziel noch kennt, die Vernichtung des Feindes, und überzeugt ist, damit ein gutes Werk zu thun.
„Also soweit hat es Gregor Vilmut gebracht!“ sagte Raimund mit zuckenden Lippen. „Und mit diesem Menschen wollte ich Versöhnung suchen – es ist genug und übergenug!“
Er richtete sich zu seiner vollen Höhe empor, es lag ein fremder, eisiger Klang in seinen Worten, aber sie hatten nichtsdestoweniger den vollen Ton des Gebieters.
Hört mich an, Eckfried, und wiederholt Euren Genossen da unten im Dorfe Wort für Wort, was ich Euch jetzt sage. Ich bin der ewigen Quälereien müde! Ich kam von Felseneck, um Frieden mit Euch zu suchen. Ihr botet mir statt dessen den Krieg, und es war nicht einmal ein ehrlicher, offener Krieg. Was ich in Werdenfels erfahren habe, das ist nur eine einzige Kette von Beleidigungen gewesen, und jetzt scheint Euer Pfarrer mich für vogelfrei erklärt zu haben, es gilt Euch als eine verdienstliche That, mich aus dem Wege zu räumen. Jetzt aber ist auch meine Geduld zu Ende! Wenn von heute an noch ein Angriff erfolgt, sei es gegen mich, das Schloß oder die Gärten, so werden die Thäter unnachsichtlich ergriffen und der verdienten Strafe überliefert. Da meine Schonung Euch nur für Furcht und Schwäche
Verschiedene: Die Gartenlaube (1883). Leipzig: Ernst Keil, 1883, Seite 303. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1883)_303.jpg&oldid=- (Version vom 3.1.2024)