Verschiedene: Die Gartenlaube (1883) | |
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Denkmal zugleich ein städtisches und ein nationales ist“, schlug man vor, die nöthige Summe durch eine Nationalsubsciption zu beschaffen.
Die Regierung gab ihre Genehmigung, der Kriegsminister gab die Bronze zum Guß der Statue, wobei die Hälfte von Kanonen herrührte, die den Engländern abgenommen worden waren. Die Kosten des Piedestals und der Basreliefs wurden durch eine Lotterie bestritten. Auf diese Weise erhielt die Reiterstatue, die von Foyatier ausgeführt wurde, gewissermaßen auch den Ausdruck des nationalen Dankes; sie stellt die Jungfrau dar, wie sie nach dem Siege die Augen gen Himmel erhebt, um Gott zu dauken.
Man hat die zehn Basreliefs mit Kupferstichen verglichen, es soll diese Kritik ein Tadel sein; sie machen indessen auf den Beschauer einen tieferen Eindruck als die Statue, und verdienen, statt photographirt, wirklich in Kupfer gestochen zu werden.
Die Einweihung dieses letzten Denkmals der Jungfrau von Orleans fand am 8. Mai 1855 statt und war, besonders durch den Festzug in der malerischen Tracht der Zeit, von großartiger Wirkung. An diesem Tage hielt der Bischof Dupanloup die Festrede, er hatte sich gewiß vorher an der Gluth des anticlericalen Historikers Michelet begeistert, aber seine Rede war nur um so ergreifender, erschütternder; als er nach der Schilderung der Siegeslaufbahn nach einer Pause die vier Worte sprach: „Nous sommes à Rouen“ („Wir sind zu Rouen!“), da durchlief ein eisiger Schauer die ganze Versammlung.
Eines Denkmals müssen wir noch gedenken, eines Vermächtnisses desselben Bischofs; auf seine Veranlassung wird das Leben der Jungfrau in der Kathedrale in Glasmalereien dargestellt.
Neben den Denkmälern aus Stein und Erz hat die Jungfrau ein lebendes Denkmal in der Gedächtnißfeier, die alljährlich am 7. und 8. Mai in Orleans abgehalten wird. Die Feier des 7. hat einen halb militärischen Charakter und versinnbildlicht die Erstürmung des Forts der Tourelles. Zu Mittag wird das Fest eingeläutet. Abends sechs Uhr schmettern kriegerische Fanfaren vom Thurme des ehemaligen Stadthauses herab, um acht Uhr wird auf dem alten Kampfplatze ein Feuerwerk abgebrannt, alle Glocken läuten, und aus der Caserne auf dem linken Loire-Ufer, in die das 1429 von den Engländern befestigte Augustinerkloster umgewandelt ist, zieht ein kriegerischer Zug mit Fackeln über die Brücke vor die Kathedrale. Hier wartet der Bischof mit seinem Clerus, um ihn die Banner der Heiligen der Stadt und die der heiligen Katharina und Margarethe, deren Stimme einst Jeanne in ihrer frommen Begeisterung vernahm. Dann tritt der Maire mit dem Stadtrath aus dem nahen Stadthause und überreicht dem Bischof das Banner der Jungfrau, das die Nacht in der Kirche zubringen soll. Darauf Segensspruch des Bischofs, Erleuchtung der Kathedrale (Schiff und Thürme) durch bengalische Flammen, Musikfanfaren, Volksjauchzen; es ist eine erhebende Feier.
Am anderen Tage findet die religiöse Feier in der Kathedrale statt, wobei ein Priester, meist Bischof, von hervorragendem Rednertalent die Lobrede auf die Jungfrau hält; darauf folgt die feierliche Procession zum Kreuze auf dem Platze, wo Jeanne ihr Blut vergossen und den Sieg errungen hat.
Ausgenommen die Zeit der Religionskriege im sechszehnten Jahrhundert ist dieses Fest seit 1430 ununterbrochen gefeiert worden, erst 1793 wurde es, zum Schmerz der Stadt, aufgehoben, und im Jahre 1803 genehmigte der erste Consul auf Gesuch des Gemeinderathes die Wiederherstellung. Ursprünglich indessen war die Feier nicht sowohl zu Ehren der Jungfrau, als überhaupt zur Erinnerung an die Befreiung der Stadt eingesetzt worden. Eine Bulle des Cardinals d’Estouteville vom 9. Juni 1452, sowie die Hirtenbriefe der Bischöfe von 1453 und 1474 schrieben das Verdienst der Befreiung nächst Gott nicht der Jungfrau, sondern den Schutzheiligen der Stadt, den Bischöfen Euvert und Aignan zu.
Erst im Jahre 1772 sprach eine bischöfliche Verordnung von „der Befreiung der Stadt durch die Vermittlung von Jeanne d’Arc“, 1803 aber gaben Maire und Bischof dem Feste den Namen: „Fest der Befreiung von Orleans durch Jeanne d’Arc.“
Es war herkömmlich in Orleans, daß bei jeder Procession eine Predigt gehalten wurde. Dies war also auch bei dieser Feier der Fall, anfangs nach der Procession, erst später hielt man sie, wie noch jetzt, vor derselben. Man dankte darin Gott für die Rettung. Selbstverständlich mußte man dabei die Jungfrau erwähnen und ihr Lob verkünden. Allmählich wurde dies Lob nun der Hauptgegenstand der Predigt und so gestaltete sich dieselbe zu einer Lobrede auf die Jungfrau, weshalb sie heute „der Panegyrikus auf Jeanne d’Arc“ genannt wird. Sie erscheint stets in Druck, die älteste aufbewahrte stammt aus dem Jahre 1759, mit der von 1760 zusammen gedruckt.
Seit der Revolutionszeit nahm diese Lobrede gewöhnlich einen politischen Charakter an, das Fest selbst erlitt zuweilen ein politisches Gepräge; zum Beispiel nahm nach der Julirevolution 1830 bis 1840 die Geistlichkeit nicht Theil an der Procession, ebenso nicht von 1848 bis 1852, die bürgerlichen und militärischen Behörden hielten allein den feierlichen Umzug ab. So gab mir denn, dem Schreiber dieses, das Studium der Geschichte und des Charakters dieser Feier den Gedanken ein, in meiner noch zu Lebzeiten Dupanloup’s erschienenen Biographie dieses Bischofs der Bürgerschaft von Orleans vorzuschlagen, den Panegyrikus, statt nur von Priestern, auch von Laien (Historikern, Aerzten, Advocaten, Officieren) abwechselnd halten und so das edle Bild der Märtyrerin von den verschiedensten Standpunkten aus beleuchten zu lassen. Der Kaufmann Eugen Fousset in Orleans, radikaler Deputirter und Protestant, sowie der aufgeklärte, freisinnige Maire, Sanglier, nahmen meinen Vorschlag auf und beauftragten den Archivar der Stadt, Herrn Doinel, den von einem Deutschen gefaßten Gedanken zur Ausführung zu bringen. Herr Doinel that dies am 7. Mai 1882 und pries sich glücklich, zuerst in Orleans die „bürgerliche“ Lobrede, le Panégyrique civique, auf Jeanne d’Arc gesprochen zu haben.
Es war ein deutscher Gedanke, der hier zu Ehren der Jungfrau verwirklicht wurde. Hat doch auch ein deutscher Dichter die Retterin Frankreichs verherrlicht, als sie in Frankreich vergessen war! Ist doch seitdem die Jungfrau dem deutschen Volke so theuer geworden, wie außerhalb Orleans nicht überall dem französischen!
Verschiedene: Die Gartenlaube (1883). Leipzig: Ernst Keil, 1883, Seite 291. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1883)_291.jpg&oldid=- (Version vom 31.12.2023)