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Seite:Die Gartenlaube (1883) 284 a.jpg

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1883)


Zwanglose Blätter. Beilage zur Gartenlaube Nr. 17, 1883.



Landwirthschaftliches.

Nur ein Versuch!

Für eine leichte Arbeit, die nebenbei verrichtet werden kann und kaum länger als einen Monat dauert, und mit einem geringfügigen Aufwande an Geld sich eine jährliche Einnahme von 60 bis 100 Mark zu sichern, das dürfte Vielen, die über ein kleines Stück Land verfügen, recht erwünscht sein. Sehr Vielen, denn das Stückchen Land braucht nur einige Quadratruthen zu umfassen, und es giebt wohl Tausende, welche so viel Land besitzen, ohne zu wissen, was sie darauf bauen sollen. Obst- und Gemüsezucht lohnen sich nicht auf demselben und werden nur in geringem Maßstabe für eigenen Hausbedarf getrieben. Eine Wanderung durch unsere Dörfer und kleinere Städte kann uns zu jeder Zeit von der Wahrheit dieser Behauptung überzeugen. Sehen wir uns nur die kleinen Gärten der Dorfschullehrer an, werfen wir nur einen Blick auf die längs der Eisenbahnlinien zerstreuten Häuschen der Bahnwärter, wie viel Land finden wir dort, das vom wirthschaftlichen Standpunkte aus als todter Grund und Boden betrachtet werden muß!

Ist es nicht wünschenswerth, nach dieser Richtung hin eine Wandlung zum Besseren herbeizuführen, neue Quellen des Wohlstandes der breiten Schicht des Volkes zu erschließen? Jeder wird solches Unternehmen billigen und gern unterstützen wollen. Und in der That, die Lösung dieser Aufgabe ist nicht schwer! Versuchen wir dies nur an einem Beispiele zu beweisen.

Was sollen die kleinen Leute anfangen, welche der Zufall zu zeitweiligen Herren über ein kleines Stück Land erhoben hat? Wir antworten:

„Mögen sie Seide bauen!“

„Nun, das ist nichts Neues!“ wird man uns erwidern. „Die Zucht der Seidenraupen ist seit lange in Deutschland eingeführt, und wenn sie bis jetzt keine allgemeine Ausbreitung fand, so hat dies seinen guten Grund, den wir nicht abändern können. Die Seidenraupe ist gar wählerisch in ihrer Nahrung. Sie frißt nur frisches Grün von dem weißen Maulbeerbaum, und dieser Baum ist selten in Deutschland. Will man also Seide bauen, so muß man zunächst Maulbeerbäume pflanzen oder säen, und ehe diese heranwachsen, um das nöthige Grünfutter zu liefern, vergehen wohl zehn oder zwölf Jahre. Das ist ein Wechsel auf gar lange Sicht, mit dem ein ‚kleiner Mann‘ sich nicht befassen darf. Er lebt ja aus der Hand in den Mund, und seine Arbeit muß sich rasch bezahlen.“

„Du hast Recht, du ‚kleiner Mann‘,“ können wir antworten. „Um dich kümmert sich der Staat weniger, als um deinen ‚armen‘ Bruder. Du bist auf die Arbeit deiner Hände und auf die Selbsthülfe angewiesen, und kannst unmöglich zwanzig Mark ausgeben, die erst in zehn Jahren Zinsen tragen sollen. Aber in einem Punkte irrst du. Es ist nicht wahr, daß man nach dem Aussäen des Samens des Maulbeerbaumes zehn Jahre warten muß, um mit seinem Laube die Seidenraupen zu füttern. Pflanze oder säe nur in diesem Frühjahr Maulbeerbäume, und ich verspreche es dir sicher, daß du schon im nächsten Sommer mit der Seidenzucht wirst beginnen können.“

Viele von unseren Lesern dürften wohl ungläubig den Kopf schütteln ob dieses gewagten Versprechens, und doch ist die Sache sehr, sehr einfach, nur leider, wie so viel Gutes, gar wenig bekannt. Auch ich dachte lange Zeit ebenso. In meinen jungen Jahren trieb ich zum Vergnügen Seidenbau. Einige Maulbeerbäume unseres Gartens lieferten die nöthigen Blätter. Die Sache ging gut vor sich, aber an eine Erweiterung des Betriebes, an eine Ausdehnung desselben in der Umgegend war nicht zu denken. Ich hatte keine Lust, auf erpachtetem Grund und Boden Bäume zu pflanzen, die vielleicht nach Jahren ein Fremder unbenutzt stehen lassen würde. Es war wohl egoistisch. Aber ein wenig Egoismus spricht allemal mit, wenn es sich um geschäftliche Unternehmen handelt.

Da fiel mir vor Kurzem ein Büchlein in die Hand, betitelt: „Der Seidenbau, eine Quelle des Volkswohlstandes und Nationalreichthums“ von W. Brinckmeier (Leipzig, Gustav Hoefler 1882. Preis 1 Mark 50 Pfennig); ich blätterte in demselben, und siehe da, eine neue Anschauung ging mir auf. Zu spät freilich für mich selbst: denn ich arbeite nun mit der Feder, aber wahrlich nicht zu spät für tausend Andere. Aus dem Saulus in Seidenbauersachen bin ich zum gläubigen Paulus bekehrt worden, und darum möchte ich auch Alle, die der Meinung sind, aus guten Gründen sich mit dem Seidenbaue nicht befassen zu dürfen, recht herzlich bitten, den Gegenstand noch einmal prüfen zu wollen. Sie werden es wahrlich nicht bereuen.

Doch zur Sache! Es handelt sich zunächst um einen Versuch, zu dem wir nur eine Quadratruthe Land und zwanzig Gramm Samen brauchen. Wahrlich eine geringfügige Capitalanlage. Man säe (wir folgen hier den Angaben des obengenannten Seidenzüchters) den Samen reihenweise, lasse die aufgegangenen Pflanzen bis zum Herbste (wo dieselben eine Höhe von 1 bis 11/2 Fuß erlangt haben werden) ungehindert fortwachsen, stutze dann aber, sobald sie die Blätter abgeworfen haben, ihre Spitzen mit einer Heckenscheere so weit ab, daß alle so ziemlich eine gleiche Höhe bekommen, und bedecke die Pflanzen vor Eintritt des Frostes mit Stroh, Tannenreisig oder sonst einem Material.

Im nächsten Frühjahr treiben diese Pflanzen, nach Abnahme der Winterdecke, das dickste Laub, mit welchem dann Ende Mai die Fütterung der Raupen begonnen wird.

Für die Benutzung verfährt man nun folgendermaßen: Man schneidet die Pflanzen reihenweise, und zwar immer so viel, als man Blätter bedarf, mit der Heckenscheere eine Hand hoch über der Erde und zwar so ab, daß an jedem Stämmchen noch 2 bis 3 Augen übrig bleiben; und im Wesentlichen ebenso verfährt man auch im folgenden Jahre mit den indessen neu gewachsenen Trieben, wo die Pflanzen jedoch, da sie schon fest genug bewurzelt sein werden, allenfalls mit einer scharfen Sense abgemäht werden können, ohne daß ein Herausgerissenwerden derselben zu befürchten stände. Indeß ist auch dann noch das Abschneiden mit der Heckenscheere vorzuziehen.

Es wird auf diese Weise schon im ersten Jahre eine große Menge Futtermaterial, genügend für einen Versuch, gewonnen, der wahrscheinlich einen hinreichenden Ertrag liefert, um ein größeres Stück Land pachten und den Versuch ausdehnen zu können. Es sind Fälle bekannt, wo auf diese Weise vier, ja fünf Jahre lang Seidenraupen gezogen und ohne Krankheit zum Einspinnen gebracht wurden, welche jedes Jahr eine Seide von der vorzüglichsten Qualität lieferten.

Aber bei dieser Benutzung kann man nicht nur schon im ersten Jahre mit der Seidenzucht beginnen, sondern bekommt auch so viele Pflanzen, daß man davon schon im ersten Frühjahr ohne Schaden gewiß den zehnten Theil aufheben kann, um damit die nöthigen Hecken-, Busch- und Baum-Anzuchten in so großer Ausdehnung, als man will, vorzunehmen. Und die Anzucht von Bäumen und Hecken ist, wo der Seidenbau auch für die Folge gesichert sein soll, durchaus nothwendig.

Das ist ein leichtes und schon vielfach erprobtes Verfahren, welches rasch den Seidenbau fördern kann, selbst in Gegenden, wo kein Maulbeerbaumblatt vor einem Jahre zu finden war. Die Ausgaben sind so gering, der Nutzen ist voraussichtlich so groß, daß wir sicher hoffen, es werden Viele diesen ersten Schritt wagen.

Mit dieser Anregung ist auch unsere Pflicht erfüllt. Wer diesen Versuch machen will, der kaufe sich das genannte Büchlein, er wird darin genaue Anleitung finden, die Bezugsquellen für Samen und Pflanzen des Maulbeerbaumes und für Eier des Seidenschmetterlings erfahren und auch Mittel und Wege kennen lernen, wie er die gewonnene Seide in günstiger und leichter Weise absetzen kann. v. J.     




Ein selbstthätiges Brutnest.

Seit Jahren beschäftigt die Frage der künstlichen Brütvorrichtungen alle betheiligten Kreise, und dem erfinderischen Scharfsinn der Menschen ist es auch gelungen, auf diesem Gebiete recht bedeutende Fortschritte zu erzielen. Das Ideal einer Brutmaschine ist zwar bis jetzt nicht erreicht worden, und es bleibt noch der Zukunft vorbehalten, nach dieser Richtung hin wesentliche Verbesserungen herbeizuführen. Wenn wir trotzdem auf einen derartigen Apparat heute die Aufmerksamkeit unserer Leser lenken, so geschieht dies vor Allem darum, weil derselbe keine große Capitalanlage erfordert, überall aufgestellt werden kann und schließlich mit dem geringsten Aufwand von Mühe gehandhabt wird. Wir meinen damit Ad. Storbeck’s verbessertes selbstthätiges Brutnest, welches in letzter Zeit vielfach angepriesen wurde.

Geben wir zunächst ein kurze Beschreibung dieses einfachen Apparates. In einem metallenen Ständer hängt das aus haltbarem Korbgeflecht gefertigte, mit feinem Stroh oder Heu gefüllte, wohl Jedem bekannte Hühnernest, welches zur Aufnahme der Bruteier bestimmt ist. Zu diesem Neste, das getreu der Natur nachgebildet ist, hat die Außenluft von allen Seiten freien Zutritt. Außerdem befindet sich in demselben eine mit Wasser gefüllte Glasröhre. Durch die Brutwärme wird das Wasser allmählich in Dunst verwandelt, sodaß den Eiern außer der Luft auch die nöthige Feuchtigkeit zugeführt wird. Das Nest selbst wird durch einen runden Holzdeckel verschlossen, welcher einen metallenen, mit der Wärmemasse gefüllten Apparat enthält. Er vertritt die brütende Henne, denn sein Inhalt giebt den im Neste liegenden Eiern die nöthige Wärme.

Soll nun die Brütung beginnen, so werden zunächst je nach der Größe fünfundzwanzig bis dreißig Eier in das Nest gelegt. Dann nimmt man den verschlossen bleibenden metallenen Apparat heraus und stellt ihn etwa fünfzehn Minuten lang in mäßig kochendes Wasser. Inzwischen füllt man die erwähnte Röhre mit Wasser, fügt dann den metallenen Apparat wieder ein und verschließt das Ganze.

Die Abwartung des Nestes ist sehr einfach. Nach Ablauf von je achtzehn bis vierundzwanzig Stunden legt man einen zweiten in Reserve stehenden Apparat wiederum circa fünfzehn Minuten in mäßig kochendes Wasser und fügt ihn sodann an Stelle des bis dahin benutzten in den Deckel des Brutnestes ein. Gleichzeitig ist frisches Wasser in die Röhre nachzugießen, und nach je vierundzwanzig Stunden muß man die Eier wenden.

Sind nun lebenskräftige Kückel aus den Eiern hervorgegangen, so bringt man sie in einen zweiten Apparat, den der Erfinder die künstliche Glucke nennt. Dieselbe besteht aus einem runden, hölzernen, mit einer

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1883). Leipzig: Ernst Keil, 1883, Seite 858. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1883)_284_a.jpg&oldid=- (Version vom 30.12.2023)