Verschiedene: Die Gartenlaube (1883) | |
|
Hause auf der Mauer hatte herablassen können – das war mir bisher nie klar geworden!
Unter den Kaufläden zeichneten sich besonders die Conditoreien aus, die in ganz England berühmt sind; man zeigte mir auch diejenige, welche den riesigen Hochzeitskuchen der Herzogin von Albany geliefert hatte. Unsere jungen Mädchen schienen sich auch von der Güte dieser Producte uberzeugen zu wollen, denn ich sah Viele von ihnen hineingehen, und auf der Rückfahrt ließen sie ihre Zuckerdüten ganz ungenirt circuliren.
Diese Rückfahrt war, wie das meist bei solchen Gelegenheiten der Fall, weit belebter als die Hinfahrt. Die Mädchen unterhielten sich ungenirt unter einander und mit den Damen, sangen Lieder und thaten ihr Möglichstes, um die Reste des mitgenommenen Proviants zu vertilgen. Auf jeder Station gab es Abschiede, und wir waren wieder zu unserem ursprünglichen Häuflein zusammengeschmolzen, als wir gegen 10 Uhr in den Altrinchamer Bahnhof einfuhren.
Mir hatte der hübsche Ausflug jedenfalls ein erhöhtes Interesse für den Verein gegeben, der in England – zum Theil auch schon in seinen Colonien! – so segensreich wirkt. Ein ähnlicher existirt auch auf dem Continent. Er ist unter dem Titel „Union internationale des amies de la jeune Fille“ in Neuschatel von dem durch seine humanen Bestrebungen berühmten Pastor Humbert gegründet worden, und erfreut sich einer weiten Verbreitung. Möchte er auch in Deutschland Boden fassen und recht viele Mitglieder gewinnen!
Zur Einführung in die allgemeine deutsche Ausstellung für Hygiene und Rettungswesen.
Bald ist ein Jahr vergangen, seit ich in Erfüllung der mir gewordenen ehrenvollen Aufgabe an dieser Stelle eine allgemeine Einleitung in die damals ihrer Vollendung rasch entgegengehende Ausstellung für Hygiene und Rettungswesen zu geben suchte. Die betreffende Nummer der „Gartenlaube“ war geschmückt mit dem Bilde des eigenartig schönen Gebäudes, welches den berühmten Baumeistern Heyden und Kyllmann seine Entstehung verdanke. Als die Nummer selbst ausgegeben wurde, konnte ihr Inhalt aber nicht mehr das Gefühl freudigen Stolzes auf das Deutschland so trefflich gelungene Friedenswerk hervorrufen, sondern nur tiefe Trauer und wehmütige Empfindung. Die Schreckensnachricht, daß das große Ausstellungsgebäude mit einem Theil seiner Schätze ein Raub der Flammen geworden sei, war wenige Tage zuvor schon überall hin gedrungen.
Die Ausstellung des Jahres 1882 sollte, so nahmen wir an, von epochemachender Bedeutung für Hygiene und Rettungswesen werden. Die Organisation unseres Werkes war eine selbstständige, ganz originale, und wir durften von ihr hoffen, daß sie ähnlichen Unternehmungen als Beispiel dienen werde. Statt dessen war der 12. Mai 1882, an welchem die Arbeit von mehr als einem Jahre in kaum einer Viertelstunde zerstört und zu Asche verwandelt wurde, allerdings, wie Baurat Kyllmann einleuchtend dargelegt hat, ein Tag von epochemachender Bedeutung in der Geschichte der Ausstellungsbauten überhaupt, aber in ganz anderem Sinne und nach anderer Richtung hin, als erwartet wurde.
Man war sich zwar früher wohl bewußt, sagt Herr Kyllmann, daß die hölzernen Ausstellungsbauten eine große Gefahr in sich bergen, sowohl für die ausgestellten Güter, als auch für das Leben des Publicums, welches dieselben besucht; indessen glaubte man zu der Annahme berechtigt zu sein, daß eine besondere Aufmerksamkeit und gesteigerte Sicherheitsmaßregeln geeignet seien, diese Gefahr fern zu halten. Die wiederholten günstigen Erfahrungen, welche bei den in rascher Folge sich drängenden Provinzial-Ausstellungen in Deutschland in dieser Beziehung gemacht worden waren, schienen die obigen Annahmen zu bestätigen, und nicht einmal die kleineren Brandunglücke, welche thatsächlich stattgefunden haben, vermochten diese Ansicht zu erschüttern. Erst die gewaltige Katastrophe vom 12. Mai 1882 veranlaßte einen vollständigen Bruch mit der bisher befolgten Ueberlieferung und Uebung. Eine Gebäudegruppe von über 11,000 Quadratmeter bebauter Fläche war mit ihrem gesammten Inhalte in der unglaublich kurzen Zeit von dreiviertel Stunden ein Raub der Flammen geworden, und die brennenden Theile und Funken hatten noch weitere große Gefahren für die Stadt befürchten lassen, trotzdem der Brand unter den verhältnißmäßig günstigsten Umständen für eine mögliche Unterdrückung stattfand; denn er brach bei Tage aus, die Feuerwache war zur Stelle, die Beamten der Ausstellung, mehrere Tausend Arbeiter waren zur Verfügung, um sofort jede gewünschte Hülfe zu leisten: aber die rasende Schnelligkeit, mit welcher die Flammen, auch der Windrichtung entgegen, sofort über das ganze Gebäude sich verbreiteten, spottete jeder menschlichen Kraftanstrengung. Die Vernichtung des Hygiene-Ausstellungsgebäudes machte es nunmehr jedem Techniker klar, daß in der Zukunft eine Verantwortung für Leben und
Verschiedene: Die Gartenlaube (1883). Leipzig: Ernst Keil, 1883, Seite 277. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1883)_277.jpg&oldid=- (Version vom 30.12.2023)