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Seite:Die Gartenlaube (1883) 258.jpg

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1883)

Mendelssohn: „Hebe Deine Augen auf“ componirten Festgesang absangen:

„Wir kommen, wir nahen mit Jubelgesängen,
Die Stimmen der Treue, der Liebe sind wach.
Wir weihen mit vollen, frohlockenden Klängen
Die liebliche Feier, den glücklichen Tag!“

Und nun erschienen nach einander in prachtvollen Costümen von historischer Treue in vier Gruppen die Berliner Künstler, die verschiedenen Epochen der Kunst repräsentirend. Als Bannerträger des Küstlervereins schritt voran die Hünengestalt des Opernsängers und Landschaftsmalers Fricke in purpurner, perlbesetzer Schaube, neben ihm Bildhauer Schweinitz und Maler Rheinmann als Marschälle die Gruppe von vierzehn Künstlern anführend, welche in ihrer Tracht – die ärmellose, pelzverbrämte Schaube und darunter den Faltenrock mit geschlitzten Aermeln, geschlitzter Kniehose, Lederschuhe, Federbaretts – die deutschen Meister aus der Zeit Hans Holbein’s und Albrecht Dürer’s repräsentirten. In dieser Gruppe fiel neben Professor Siemering, Plockhorst u. A. besondere der vom kronprinzlichen Paare persönlich als Gast geladene Meister Professor H. von Angeli durch seine prächtige Erscheinung aus, die den bekannten Jugendportraits Albrecht Dürer’s glich. –

Architekt Fingerling, ebenfalls eine Riesengestalt, schritt als Herold in blausammetner Gewandung den Vorstandsmitgliedern des Künstlervereins voraus. An ihrer Spitze befand sich Professor Karl Becker in purpurnem Sammettalar à la Tizian, hinter ihm Director Anton von Werner in einer Rubenstracht von dunkel purpurnem gepreßtem Sammet. Auf einer mit Blumen und Früchten aller Länder, mit Palmenzweigen und riesigen Blattpflanzen geschmückten Tragbahre wurde sodann ein Fruchtkorb von vier Männern getragen, während im königlichen Schlosse die berühmte Künstlergabe, der aus den Farbentuben der Berliner Künstler gegossene zinnerne Pokal, diesen Platz eingenommen hatte.

Dem Thronwagen der Königin „Minne“ folgte eine Gruppe von zwanzig italienischen Künstlern, welche die Erinnerung an Raphael, Tizian, Veronese leibhaft heraufbeschworen, in der kleidsamen Tracht der Raphael’schen Zeit: enganliegendes Sammetwamms mit geschlitzten Aermeln, Tricots, Schnabelschuhen, Kappen, oder in venetianischer Kleidung: kurze Radmäntel, darunter Wamms mit Brustausschnitt und an Ellenbogen und Handgelenk gepufften Aermeln.

Es waren stattliche, herrliche Gestalten, die hier in der farbenreichen Gewandung des Renaissance-Zeitalters erschienen waren: die Professoren Ewald, Knille, Hertel, die Bildhauer Neumann, Eberlein, die Maler Döpler, Paulsen, die Baumeister Ende, Heyden, um aus der Reihe berühmter Namen nur einige der berühmtesten zu erwähnen. Den Schluß des Künstlerzuges bildeten als vierte Gruppe die niederländischen Künstler, an deren Spitze Maler Ehrentraut einherschritt und denen die dunkelfarbige Tracht der Rubens, van Dyks, Rembrand’s ein besonders eigenartiges Gepräge verlieh. Da sah man die prächtige Gestalt Paul Meyerheim’s ernst und gemessen einherschreiten, an seiner Seite Maler Skarbina, Bildhauer Sußmann, Architekt Gießenberg. Im Schlosse hatte der Zug vor dem kronprinzlichen Silberbrautpaar Halt gemacht und Maler Dielitz die Ueberreichung der Festgabe mit einer poetischen Ansprache eingeleitet, die der Dichter des „Tannhäuser“, Julius Wolff, der selbst in der Tracht eines altdeutschen Minnesängers an dem Zuge Theil nahm, gedichtet.

Bei dem Künstlerfeste bewegte sich der Zug durch den Saal nach der an Stelle des Orchesters improvisirten, kleinen, aber prächtig decorirten Bühne, wo Maler Dielitz, eine herrliche Erscheinung in rothem, goldgepreßtem Venezianercostüm, die rotbe Sammetmütze auf dem mit Blumen umkränzten Haupte, den Frauen und Jungfrauen, „die im Hause und über die Herzen herrschen“, in schwungvollen Versen des neuen Minnesängers Julius Wolff die Huldigung der Künstler darbrachte.

Diesen Moment hat unser Künstler aufgefaßt, um den Lesern der „Gartenlaube“ einen annähernden Begriff von dem prachtvoll schönen Anblick zu gewähren, welchen der auf seinem Höhepunkt angelangte Festzug allen Theilnehmern des Festes bot. Obgleich der Künstler lediglich nach dem Gedächtniß zeichnete und keineswegs die Absicht hatte, Portraits der einzelnen Künstler wiederzugeben, sind einzelne besonders charakteristische Gestalten, wie Professor Herzberg und Maler Döpler, in unserer Illustration ganz unverkennbar.

Und all diese wiedererstandenen Raphaels, Michel Angelos, Rubens, Dürers schwangen ihre Barets, während die Herolde ihre Stäbe, die Hellebardiere ihre blumenbekränzten Flamberge schwenkten zum Preise der Frauen und Blumenträgerinnen, die aus ihren Körben Rosen, Veilchen und Camelien auf die festlich gekleidete Menge herniederregnen ließen. Doch ich will der Versuchung widerstehen, eine Beschreibung des Künstlerfestes zu liefern, nachdem ich mich der Aufgabe entledigt, den Festzug, den Berlins Künstler dem deutschen Kronprinzen und seiner fürstlichen Gemahlin zur Feier ihres silbernen Hochzeitsfestes dargebracht, mit freilich unzulänglicher Feder zu schildern. Heinrich Steinitz.     




Die Hungersnoth in der Eifel.

Von0 Adolf Ebeling.

Sehr vielen unserer Leser wird die Eifel wohl kaum mehr als dem Namen nach bekannt sein, und wohl nur sehr wenige werden sie bereist haben und mithin aus eigener Anschauung kennen. Die Moseltouristen freilich, die von Coblenz nach Trier fahren und sich in Trarbach und Bernkastel einige Tage aufhalten (manche von ihnen vielleicht mehr wegen der köstlichen Weine, als wegen der Naturschönheiten), machen wohl von dem gegenüberliegenden Alf einen Abstecher nach dem hübschen Bade-Orte Bertrich, wo bereits die Eifel beginnt; sie diniren vortrefflich im dortigen Curhause und besuchen dann den berühmten „Käskeller“, wo sie stets heitere Gesellschaft und natürlich auch die obenerwähnten köstlichen Weine finden. Wer kennte nicht den Bernkasteler „Doctor“, von dem ein altes Volkslied sagt:

„Das ist der wahre Medicus;
Heilt Leib und Seel’ von jedem Verdruß;
Bernkasteler Doctorwein
Schenkt der Herrgott selber ein!“

Der „Käskeller“ ist eine gewaltige Basalthöhle, die diesen Namen deshalb führt, weil die Säulen ganz so aussehen, als wären sie aus großen, auf einander gelegten holländischen Käsen gebildet. Poetische Damen, die sich in das Fremdenbuch mit irgendeinem gefühlvollen Verse, eigenen oder fremden Fabrikats, einschreiben, nennen sie aber lieber die Feen- oder Elfengrotte. Nicht weit davon braust ein prächtiger Wasserfall von der Höhe herab, eine schwindelnde, aber sichere Brücke trägt hinüber, und man hat dort oben einen lohnenden Rundblick in die Ferne. Der eigenartige und zwar vulcanische Charakter der Eifel tritt schon hier deutlich hervor: überall ragende Felsblöcke, die sich aber bei näherer Besichtigung als tausendjährige Lavamassen herausstellen, die von längst erloschenen Kratern herrühren. Solche Krater findet man überall in der Eifel verstreut, die meisten von ihnen sind mit Wasser gefüllt und bilden dunkle Teiche und Seen, die sogenannten Maaren, mit meist düsterer, aber oft sehr pittoresker Umgebung[1]. Auf den Bertricher Aussichtspunkten sieht man freilich davon nur wenig; blühende, reichbewachsene Gelände wechseln dort ab mit romantischen Felspartien, üppige Kornfelder ziehen sich in den Niederungen entlang, und wenn die vergnügte Reisegesellschaft spät Abende nach Alf oder Trarbach zurückkehrt, so haben sich Alle köstlich amüsirt und rathen Jedem an der Gasttafel, doch ja den hübschen Ausflug nicht zu versäumen.

Das ist aber nur die Lichtseite und auch nur die eines kleinen Theiles der Eifel, wie sie deren übrigens noch verschiedene bietet, namentlich nach dem östlich gelegenen Rheinthal hin, denn der königliche Rhein entfaltet gerade dort eine solche Fülle von Schönheiten,


  1. Die „Gartenlaube“ hat im Jahrgang 1878, S. 179 das Weinfelder Maar abgebildet und einen ausführichen Artikel über Land und Leute und die Sagenstätten auf der Eifel („Auf vulcanischem Boden“ von Ferdinand Hey’l) gebracht. Wir verweisen auf denselben unsere Leser, welche über die Geschichte dee Landes sich näher unterrichten möchten.
    D. Red.     
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1883). Leipzig: Ernst Keil, 1883, Seite 258. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1883)_258.jpg&oldid=- (Version vom 30.12.2023)