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Seite:Die Gartenlaube (1883) 240.jpg

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1883)

Der also Begrüßte verzog ein wenig das Gesicht. Es war ihm heute durchaus nicht erwünscht, als „Onkel“ empfangen zu werden, aber die Herzlichkeit, mit der das junge Mädchen ihm die Hand reichte, machte das fatale Wort einigermaßen wieder gut, er begann daher sofort die Präliminarien, indem er diese Hand festhielt und küßte.

Lily hatte nichts dagegen einzuwenden. Der Handkuß war zwar nicht so angenehm, wie der des jungen Baron Werdenfels, aber die Ritterlichkeit des Justizraths blieb doch immerhin anerkennenswerth. Er fing endlich an, „die Kleine“ als eine Dame zu behandeln, und diese war so entzückt über diesen Beweis seiner Hochachtung, daß sie ihm freundschaftlich beim Ablegen seines Paletots behülflich war.

Dabei kam nun zunächst der verhängnißvolle Frack zum Vorscheine, dann erschienen die neuen und engen Glacéhandschuhe verdächtig, und endlich wurde das Bouquet der Papierhülle entledigt, die es gegen die Winterkälte geschützt hatte. Lily’s Augen wurden immer größer, je mehr der Justizrath sich entwickelte, als er ihr aber nun den schönen Strauß aus Veilchen, Maiblumen und Schneeglöckchen überreichte und dabei bedeutungsvoll sagte: „Dem holden Veilchen die ersten Frühlingsblumen!“ da begann sie zu ahnen, daß diese fünfte Variation des bekannten Themas ihr gelten sollte. Sie war im ersten Augenblicke so bestürzt, daß sie verstummte; Freising, der das für ein günstiges Zeichen nahm, begann sofort seinen Antrag, natürlich mit den nöthigen Abänderungen, welche das jugendliche Alter seiner jetzigen Erwählten erheischte, er sprach noch verschiedene Male von dem holden Veilchen und hielt endlich förmlich um dessen Hand an.

Lily hatte sich inzwischen von ihrem ersten Schrecken erholt und war im Begriffe, laut aufzulachen, als ihr der erhebende Gedanke kam, daß es ja ein wirklicher, ernster Heirathsantrag sei, den sie empfing, und daß sie durchaus die Haltung zeigen müsse, die einer Dame in solcher Lage zukam. Sie unterdrückte daher die unpassende und kindische Heiterkeit, sie wurde gleichfalls ernst, gleichfalls feierlich, und als der Justizrath geendigt hatte, stand sie in würdevollster Haltung vor ihm und beantwortete den „ehrenvollen Antrag“. Es war dieselbe Antwort, die Anna vor vier Monaten gegeben hatte, und die ihre junge Schwester jetzt ebenso geläufig hersagte, wie neulich die Predigt Gregor Vilmut’s über den Selbstmord. Sie erklärte dem Freier, daß sie ihn zwar nicht heirathen könne, versicherte ihn aber ihrer tiefsten Hochachtung und bot ihm ewige Freundschaft und Dankbarkeit an.

„Schon wieder Hochachtung!“ rief der Justizrath verzweiflungsvoll. „Fräulein Lily, haben Sie denn gar keine anderen Empfindungen für mich?“

Die Worte klangen so schmerzlich, daß Lily all ihre Würde vergaß.

„Ich achte Sie sehr, Onkel Justizrath!“ rief sie in reuevoller Aufwallung, aber Freising schüttelte melancholisch den Kopf.

„Ja, das kenne ich, das ist mein altes Schicksal! O mein Fräulein, wie gern gäbe ich all diese unendliche Hochachtung hin für ein einziges kleines, kurzes, nettes Ja!“

Lily empfand es fast wie einen Vorwurf, daß sie diesen bescheidenen Wunsch nicht gewähren konnte, im überströmenden Mitleid ergriff sie die Hand des unglücklichen Freiers und sagte tröstend:

„Kommen Sie, Onkel Justizrath, wir wollen uns auf das Sopha setzen und uns die Sache überlegen.“

„Sie wollen sich meinen Antrag überlegen?“ rief Freising, dessen ganzes Gesicht sich verklärte, während er der Aufforderung nachkam.

„Nein, so meinte ich es nicht,“ protestirte Lily. „Ich bin ja erst sechszehn Jahre und Sie –“

„Ich bin allerdings älter, aber bei Frau von Hertenstein und ihrem Gatten war der Unterschied der Jahre noch viel bedeutender.“

„Ja, aber Sie wollen gewiß nicht, daß ich Sie in der Weise liebe, wie ich meinen Schwager geliebt habe – als einen ehrwürdigen Großvater nämlich.“

„Nein, mein Fräulein, das will ich nicht,“ sagte der Justizrath sehr pikirt. „Und übrigens bin ich noch gar nicht so alt, um Großvater sein zu können, ich stehe im siebenundvierzigsten Lebensjahre.“

„Ich führte das nur des Beispiels wegen an,“ entschuldigte sich das junge Mädchen. „Ich möchte Ihnen so gern helfen, und da ich Sie nicht selbst heirathen kann – wie wäre es, wenn ich Ihnen eine Frau verschaffte?“

(Fortsetzung folgt.)




Ein seltener Vierhänder.

Für die „Gartenlaube“ mitgetheilt von Dr. O. Finsch (Bremen).

Unter den wenigen Sehenswürdigkeiten, welche Batavia, die Hauptstadt von Niederländisch-Indien, abgesehen von dem eigenthümlichen Charakter der Stadt selbst und dem bunten Leben und Treiben seiner farbigen Bewohner, für den Fremden bietet, nimmt der zoologische Garten einen hervorragenden Platz ein, wenn derselbe im Allgemeinen auch noch weit hinter den kleineren Gärten dieser Art in Deutschland zurücksteht. Der „Kebon binatang“, wie der malayische Name lautet, gehört in derselben Weise, wie es bei unseren Thiergärten der Fall ist, einer Privatgesellschaft, „Dieren- en Plantentuin“ genannt, welcher es indeß nicht allein an den nöthigen Kräften, sondern vor Allem an den erforderlichen Mitteln zu mangeln scheint, um ein derartiges Institut in einer der Hauptstadt würdigen Weise durchzuführen.

Immerhin besitzt der Garten einige Seltenheiten. In wirklich hervorragender Weise sind vor Allem die Affen in demselben vertreten und zwar nicht allein an Zahl der Individuen, sondern auch an Arten, die fast ausnahmslos den Sunda-Inseln angehören. So findet man fünf Orang-Utangs, darunter ein ansehnlich großes Männchen, drei Arten Langarmaffen oder Gibbons (Hylobates), vier Arten Schlankaffen (Semnopithecus), darunter eine Familie von sechs Exemplaren des eleganten Semnopithecus melanolophus von Sumatra, des schönsten Schlankaffen, den ich bis jetzt lebend sah, und unter der Heerde der gewöhnlichen Meerkatzen (Macacus cynomolgus) verdienen zwei Albinos, durchaus weiße Exemplare mit rothen, lichtblöden Augen, wie die der weißen Kaninchen, besondere Beachtung. Da hier die klimatischen Schwierigkeiten, mit welchen die Haltung und Pflege von Affen daheim zu kämpfen hat, fast ganz bedeutungslos werden, so braucht man über diesen Reichthum nicht sonderlich zu erstaunen und wird sich nicht verwundern, selbst Arten zu begegnen, die es bisher nicht gelang lebend nach Europa zu bringen.

Unter den letzteren ist der Nasenaffe (Semnopithecus nasicus) jedenfalls der hervorragendste und interessanteste. Wir kennen denselben bis jetzt daheim nur nach ausgestopften Exemplaren, die, meist fehlerhaft, zum Theil carikirt aufgestellt, ein total falsches Bild geben, namentlich was die besondere Eigenthümlichkeit dieses Thieres, die sogenannte Nase, anbelangt. Sie wird gewöhnlich der menschlichen, also gekrümmt und herabgebogen, nachgebildet, um dem Gesicht soviel als möglich menschliche Züge zu verleihen. Auch mir schwebte ein ähnliches Bild des Nasenaffen und zwar aus Brehm’s „Thierleben“ vor, und ich war daher nicht wenig erstaunt, als ich den hochinteressanten Vierhänder zum ersten Male lebend vor mir sah. Wie die beifolgenden auf Grund sorgfältiger Studien nach der Natur entworfenen Abbildungen zeigen, hat nämlich nur die Nase des jungen Thieres Aehnlichkeit mit der menschlichen, indem die merklich vorragende Spitze sehr an eine kleine Stumpfnase erinnert, die dem Thiere übrigens ein äußerst komisches, impertinentes Aussehen verleiht. Diese Nase weicht indeß trotz ihrer Aehnlichkeit noch sehr von der menschlichen ab, indem sie, auf dem Rücken platt gerundet, sich seitlich verbreitert und an der vorderen seitlichen Basis durch eine Art Längsfurche abgesetzt ist; der eigentliche Spitzentheil hat eine mehr dreieckige Form, fällt spitzwinkelig zur Oberlippe ab, und hier stehen die rundlichen Nasenlöcher auf der oberen Hälfte ziemlich dicht beisammen. Ganz anders ist die Nase beim alten Thiere, wovon der Garten ein prachtvolles Männchen besitzt, geformt. Sie bildet einen breiten, flachen, bis über das Kinn vorragenden und herabhängenden, an der Spitze allmählich sich verschmälernden

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1883). Leipzig: Ernst Keil, 1883, Seite 240. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1883)_240.jpg&oldid=- (Version vom 29.12.2023)