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Seite:Die Gartenlaube (1883) 227.jpg

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1883)

In den Treibhäusern für Anger- oder Brachpilze erheben sich Holzstaffagen, die mit großen Waarenregalen verglichen werden können. Das Licht ist völlig abgeschlossen. Auf die Regale wird starkverrotteter und durchgearbeiteter Dünger in Lagen von circa zwanzig Centimeter Stärke aufgetragen, in diesen Dünger werden hierauf die Pflanzlöcher vier bis sechs Centimeter tief eingedrückt und etwa fünfzehn bis zwanzig Centimeter aus einander gehalten. Für jedes Loch ist eine mäßig volle Hand Pilzbrut bereit zu halten, man drückt dieselbe fest ein und verschließt die Oeffnung wieder mit Dünger. Nach vierzehn Tagen erst wird gut durchgearbeitete Erde aufgeschüttet oder besser aufgedrückt. Der Pilz liebt Widerstand, er will beim Aufkeimen Etwas zum Durchbrechen haben, bei zu glatt geebneter Laufbahn bleibt, wie dies oft auch bei dem Menschen der Fall ist, seine innere Lebens- und Triebkraft unentwickelt.

In etwa anderthalb Monaten gehen die Pilze auf, oft kommen sie zu Hunderten an einer Stelle heraus, doch wird immer neue Erde über sie hinweggeschüttet, um sie so zur Weiterentwickelung zu zwingen. Im zweiten, dritten und vierten Monat kann die Ernte stattfinden, ohne daß man daneben aufhört, neue Erdschichten aufzuwerfen. Es ruhen noch viele Mycelien im dunklen Schooß der Dungmassen, welche ebenfalls Pilze treiben wollen. Im sechsten Monat ist jedoch der Dünger in der Regel so ausgebrannt und ausgesaugt, daß er eine hellrothe Farbe angenommen hat und entfernt werden muß, um einer neuen An-, Auf- und Einlage Platz zu machen.

Diese wirklich überraschenden Erfolge beschränken sich indeß jetzt noch auf den weißen Brachpilz und auf eine Abart desselben, den sogenannten Treibchampignon. Der Waldchampignon wird zwar ebenfalls in großen Mengen gezogen, doch macht er insofern mehr Umstände, als er sich weigert, auf Stellagen zu gedeihen; dadurch bedingt er größern Treibraum, also kostspieligere Anlagen.

Der Steinpilz und viele andere Arten haben sich bis jetzt der völlig künstlichen Treiberei noch nicht anbequemen wollen, wenigstens sind lohnende Anlagen noch nicht erzielt worden.

Am Schlusse sei noch einmal der Abschnitt über die natürliche Anzucht den Lesern an’s Herz gelegt. Jetzt finden wir in vielen Wäldern leider nur Giftpilze und ungenießbares Gesindel, und man muß in manchen Gegenden schon ein Sonntagskind sein, wenn man einen Steinpilz oder Brachpilz finden will. Nun, wir können uns so ziemlich Alle am Werke betheiligen, die erforderlichen geringen Mühen sind ja eigentlich nur Vergnügen zu nennen – die Natur wird’s uns danken mit tausendfältiger Frucht.

Th. Gampe.




Thusnelda.

Es ist gewiß eine bezeichnende und sinnige Erscheinung, daß die Gattin des ersten Deutschen, von welchem wir Thaten für sein Vaterland kennen, zugleich die erste deutsche Frau ist, nicht nur von der uns die Geschichte berichtet, sondern deren hoher Sinn und Charakter uns auch das Ideal vorführt, welches wir uns als das einer echten deutschen Frau der Vorzeit denken müssen und das auch vom heutigen Geschlechte als Vorbild gewählt werden darf, so weit die veränderten Culturverhältnisse es gestatten.

Thusnelda, diese echte deutsche Frau, stellt ihrem Volke aber auch in ihrer Geschichte mit ergreifenden Zügen die Warnung vor Augen, wohin es mit ihm kommen müsse, wenn es nicht einig ist, denn sie war selbst das traurige Opfer der Uneinigkeit unter ihren Landsleuten, einer Uneinigkeit, an welcher sie leider Jahrhunderte, ja fast Jahrtausende gekrankt haben, bis die neueste Zeit hierin einen gewaltigen, hoffen wir andauernden und nachhaltigen Schritt zur Besserung herbeigeführt hat.

Die alten Deutschen um die Zeit des Beginnes unsrer Zeitrechnung hatten noch kein gemeinsames Nationalgefühl, dazu war ihre Bildung noch zu wenig weit vorgeschritten. Jeder Stamm lebte für sich und verband sich höchstens zu Kriegszwecken mit anderen in vorübergehender Weise. An ihren Grenzen, am Rhein, standen die Römer und organisirten das eroberte Gallien, welches, das linksrheinische Germanien mit umfassend, bis an den deutschen Lieblingsstrom reichte, als Provinz. Der Glanz ihrer Thaten und ihrer höhern Cultur, ihre prächtigen Rüstungen und Waffen, ihre Tempel und Villen, ihre rauschenden Feste und Vergnügungen, ihre Kampfspiele und Heeresmusterungen, der Reichthum ihrer Märkte an Waaren des bezaubernden Italiens und des märchenhaften Morgenlandes, alles das konnte nicht anders, als ein noch rauhes, schlicht lebendes, aller Falschheit und Tücke bares und in sich noch nicht zusammengeschlossenes Volk blenden und fesseln.

Thatendrang sowie Durst nach kriegerischem Leben und Streben verlockte Tausende von Germanen, den lorbeerbedeckten Legionen zu folgen, im berückenden Lande jenseits der Alpen dem triumphreichen Imperator zu dienen, die Wunder des azurblauen Himmels und der sinnberauschenden Buchten des Weltmeeres, der Oliven- und Pinienhaine in ewiger Frühlingsluft, dann das überwältigende Rom mit seinen Marmorbauten, Kaiserpalästen, goldschimmernden Kunstdenkmalen und aufregenden Circus- und Amphitheater-Orgien zu schauen. Heimkehrend waren sie begeisterte Anhänger der Herrin der Welt und ihres Herrn, des Cäsars, Lobredner Roms und seiner allgewaltigen Macht, und pflanzten diese Gesinnung durch Erzählung der Wunder, die sie mit angesehen, weiter durch die Urwälder und die mit Binsen gedeckten Hütten, daß die auf ihren Bärenhäuten ruhenden Volksgenossen hoch aufhorchten und nichts sehnlicher wünschten, als so Herrliches auch genießen zu können.

So kam es, daß ganze Völkerstämme rechts vom Rhein römisch gesinnt, „Bundesgenossen des römischen Volkes“ wurden, und wenn auch andere in ihrem Unabhängigkeitssinn und ihrer Freiheitsliebe verharrten und sich gegen die verhaßte, ihnen drohende Fremdherrschaft immer wieder erhoben, so wurden ihre Anstrengungen wieder vereitelt durch die den Fremden ergebenen Landsleute. Wie stark dennoch der Geist des Widerstandes gegen die Unterdrücker war, zeigt die Sage, daß dem bis zur Elbe vorgedrungenen Drusus, dem Stiefsohn des Augustus, ein Weib von übermenschlicher Größe entgegengetreten sei und ihm das Ende seines Feldzugs und seines Lebens verkündet habe. Beides trat in der That bald ein, und dies konnte nicht ohne ermuthigenden Einfluß auf das Volk sein.

Die Römer hatten jedoch nicht nur das linke Rhein-, sondern auch das rechte Donau-Ufer bereits unterworfen, und die Germanen schienen nur noch durch die Unzufriedenheit auch anderer Völker Europas gegen die ihnen drohende oder bei ihnen bereits waltende Römerherrschaft von völliger Unterjochung gerettet werden zu können.

Aber noch pochte in den Herzen der unabhängigen deutschen Stämme ein Stolz, welcher der stärkste Schutz ihrer Freiheit wurde. Denn als Quintilius Varus, der Befehlshaber der römischen Truppen, die Germanen in derselben erniedrigenden Weise behandeln zu dürfen glaubte, wie er vorher die verweichlichten und längst geknechteten Syrer behandelt hatte, empörte sich die verletzte Mannesehre, sie vereinigte sonst getrennte germanische Stämme zum gemeinsamen Kampf, und an ihre Spitze trat der junge Cherusker Arminius (leider kennen wir seinen deutschen Namen nicht), welcher sich den Römern bald als ein überlegener Gegner fühlbar machte. Welcher deutsche Schulknabe kennt nicht die Schlacht im Teutoburger Walde, in welcher der Cheruskerhäuptling die Macht der Römer in Deutschland vernichtete? Arminius, den das deutsche Volk nunmehr am liebsten „Hermann“ nennt, war in früheren Jahren selbst in römische Dienste gegangen und sogar römischer Ritter geworden, seine eigene Familie, darunter sein Bruder Flavus (der Blonde), und sein Volksstamm waren tief mit Römerfreundschaft durchfressen, und selbst nach seinem Siege beherrschte diese Seuche immer noch mehrere rechtsrheinische Volksstämme. Selbst der mächtige Herrscher im Osten Germaniens, Maroboduus (dessen deutscher Name ebenfalls unbekannt), auf dem die Hoffnungen aller freigesinnten Germanen ruhten, offenbarte sich als Abtrünniger von seinen Volksverwandten am Rhein; er zeigte nicht nur vor aller Welt, welch hohen Werth er auf den Frieden mit den Römern legte, sondern er sandte sogar den Kopf des Varus, den ihm Arminius wohl als eine Aufforderung zum Beistande geschickt hatte, nach Rom.

So stand denn Arminius, trotz jenes großen Sieges mit seinen Getreuen allein da, und die geschlagenen Römer konnten sich unter

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1883). Leipzig: Ernst Keil, 1883, Seite 227. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1883)_227.jpg&oldid=- (Version vom 26.12.2023)