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Seite:Die Gartenlaube (1883) 226.jpg

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verschiedene: Die Gartenlaube (1883)

siedelt er sich seltener an und wählt dann sehr große und alte Bäume, unter denen er es bis zu einem enormen Umfange bringen kann.

Besonders wichtig für unsern Haushalt sind noch die Morchel, die Lorchel, der Eierschwamm, der Birkenpilz und obenan die Trüffel. Die letztere ist die Königin der Pilze an Wohlgeschmack und beinahe ebenso selten wie die Mächtigen unter den Sterblichen; zudem muß der Mensch die Ernte mit den Wildschweinen theilen, die sich auch noch den Löwenantheil nehmen, weil sie geschickter im Finden sind, als wir Menschenkinder, die sich dabei der Trüffelhunde bedienen müssen.

Die künstliche Anzucht dieser hier genannten Pilzarten geschieht auf dreierlei Weise.

Die erste, die einfachste und sicher auch die aussichtsreichste, besteht in einer künstlichen Nachhülfe draußen in der Natur und in einer rationelleren Ernte mit vernünftiger Schonung.

Die zweite Art umfaßt die Freilandcultur in Gärten, und die dritte geschieht durch Treiberei innerhalb geschlossener Räume; ihr Hauptzweck besteht in der Wahrnehmung gärtnerischer Berufsinteressen, man will auch im Winter der vornehmeren Küche, natürlich für angemessene Preise, frische Pilze liefern können.

Die erste Art der Pilzpflege verdient schon darum eine eingehendere Behandlung, weil sich so ziemlich alle Leser der „Gartenlaube“ auf Spaziergängen, in der Sommerfrische etc. daran betheiligen können, wenn sie nur wollen.

In der künstlichen Pilztreiberei müssen wir den Franzosen die Priorität zugestehen, in der natürlichen Anzucht dagegen verdient der deutsche Gärtner Moritz Gössel in Strehlen bei Dresden die Palme; er ist ein Mann, der mit den Pilzen sozusagen aufsteht und zu Bette geht, und dazu hat ihm die Direction des königlichen Großen Gartens zu Dresden das weite Gebiet dieses herrlichen Parkes für die umfänglichsten Versuche zur Verfügung gestellt.

Ich folge in der nachstehenden Beschreibung ausschließlich seinen Beobachtungen und Angaben.

Bricht man einen Pilz ab, so entsteht bekanntlich eine offene Wunde in dem Stiel desselben, und die infame Pilzfliege hat nichts Eiligeres zu thun, als sofort ihre abscheulichen Eier dem Pilzstumpf anzuvertrauen. Die Verwandlung derselben in Maden geht außerordentlich schnell vor sich, und damit ist auch das Schicksal der benachbarten Pilzgruppen besiegelt, sie fallen der Fäulniß mit rasender Schnelligkeit anheim. Hätte man nur eine einzige Hand voll Erde auf die offene Wunde gedrückt, so hätte die Pilzfliege vorüberschwirren müssen und der traurige Proceß wäre nicht vor sich gegangen, der Sammler hätte in einigen Tagen bei der Pilzfamilie wieder vorsprechen und sie ihm ohne Schaden für sich neue herangewachsene Mitglieder abtreten können. Dies eine Hauptregel beim Sammeln! Selbstverständlich sind die älteren Exemplare auch nicht alle abzuernten, man weiß ja nicht, ob der Nachwuchs zu vermehrungsfähigen Pilzen herangedeiht. Ebenso reiße man nie die Pilze aus, weil dabei die triebfähigen Mycelien[1] leicht mit zu Grunde gehen.

Die Hauptaufgabe bei der natürlichen Anzucht ist die Verpflanzung der Pilze. Wir sehen in den Wäldern weite Strecken, in denen kein Pilz wächst und wo doch alle Bedingungen vorhanden sind, daß solche in Menge gedeihen könnten. Man wählt zu diesem Zweck gut ausgewachsene Exemplare, deren jedes unzählige Mengen von feinen Samen, Sporen genannt, unter seinem Hute trägt, schneidet sie dicht an der Erde ab und wickelt sie in Seidenpapier ein, um die ausfallenden Sporen zu erhalten. Nachdem der Stumpf mit Erde bedeckt, trägt man die Emigranten an die ihnen zusagenden Standorte, über welche weiter unten Aufklärung gegeben ist, stößt hier ein Loch in die Erde, setzt den Pilz mit dem Stiel ein und überläßt ihn hierauf einem guten Schicksal. Er ist nicht etwa eingesetzt, um hier anzuwachsen, er soll nur seine Sporen abwerfen, und dann kann er ruhig den Weg alles Organischen wandeln. Im zweiten Jahr darf der Pfleger wieder nachschauen, und wenn nicht besonderes Unglück über seinen Pfleglingen waltete, wird er seine Freude erleben an dem reichen Segen für seine geringe Mühe.

Ueber die geheimen Lebensgewohnheiten dieser stillen Patrone hat Gössel folgende Beobachtungen gemacht:

Der Steinpilz liebt schweren feuchten Untergrund und große vermorschende Massen von Waldspreu; er ist ziemlich lichtscheu und will, obgleich er nur während der letzten paar Tage seines Daseins den Kopf in die Welt steckt, ein geschlossenes Laub- oder Nadeldach über seinem Standort. Eine Hauptbedingung seines Gedeihens ist die möglichste Einsamkeit der Lage. An Orten, wo viel gegangen und gefahren wird, ist er höchst selten anzutreffen. Gössel vermuthet, daß von den Erderschütterungen das feine Mycel oder Lagergewebe in der Entwickelung gestört wird und abstirbt.

Die Morchel, die hauptsächlich im Frühling ihre tigerartig gemusterten Knollen austreibt, läßt sich leicht ganz auf dieselbe Weise in Gärten auf Rasenplätze übertragen, ihr Lieblingsstandort sind auch in der Natur die Wiesen. Lehmiger, schwerer Untergrund mit Dungstoffen von Gras, Nadeln und Laub sagen ihr vornehmlich zu. Beim Schneiden der zum Verpflanzen erwählten Exemplare lasse man verdoppelte Vorsicht walten, weil die Morchel während und nach dem Schnitt die Sporen rasch fallen läßt. Am besten wickelt man das Exemplar schon vor dem Schnitt in Seidenpapier.

Die Lorchel, nicht nur im Namen, Aussehen und Geschmack der Morchel verwandt, kommt im Frühling etwas zeitiger als ihre Schwester und dauert zuweilen bis spät in den Herbst hinein; sie sucht sich in der Natur gern Ränder von Nadelholzwäldern auf, auch an verwesenden Stöcken und auf Waldwiesen findet sie sich häufig. Auf diese Standorte ist natürlich beim Verpflanzen gleichfalls Rücksicht zu nehmen, im Uebrigen verfahre man aber wie mit der Morchel.

Der Birkenpilz deutet schon durch seinen Namen an, wo man ihn zu suchen und wohin man ihn zu versetzen hat; er nimmt zwar dungreichen Boden auch nicht übel, doch begnügt er sich gern, wie seine genügsame Protectorin, die Birke, mit magerem sandigem Untergrund. Nasse Standorte wollen ihm gar nicht behagen, und geschieht die Umpflanzung bei feuchtem Wetter, so sorge man für ein kleines Dach von Brettchen oder Schiefersteinen. Birken müssen nicht gerade in der Nähe sein, doch scheint ein lichterer mehr trockener Standpunkt Lebensfrage für ihn zu sein. Der etwas rohe säuerliche Geschmack ist nicht Jedermanns Sache, wie ich nicht verschweigen will.

Zu den schmackhaftesten Pilzen zählt der Eierschwamm oder auch das Geelchen, Gelbschwamm, Pfifferling genannt. Seine Uebertragung geschieht auf die einfachste Weise, indem man ausgewachsene Exemplare an dunklen Waldstellen auf dungreicher Erde oder an morsche Baumstümpfe ausstreut. Die Sporen, weiß von Farbe, die im Frühjahre ausfallen, haben sich schon im Herbste zu den prächtigsten, zuweilen tulpenartig geformten Pilzen entwickelt. Der Eierschwamm dürfte für natürliche Anzucht der dankbarste aller Pilze sein.

Ein sehr geheimnißvolles Geschöpf ist die Trüffel; man behauptet, daß ihre Sporen nur durch die Losung der Wildschweine triebfähig werden. Gössel glaubt nicht daran und hofft auf Erfolge, ohne die Darmcanäle dieser Wühlhuber zu Hülfe nehmen zu müssen. Mit einer geringeren, bei uns heimischen Art, die zur Trüffelwurst Verwendung findet, sind Versuche bereits gelungen.

Die Freilandkultur in Gärten darf auf ein allgemeineres Interesse nicht rechnen, sie ist mehr Sache der Fachmänner und Liebhaber. Der Betrieb bedarf auch so eingehender Studien, daß ich unökonomisch mit dem mir zugemessenen Raume verfahren würde, wollte ich auch nur das Wesentlichste davon berühren. Dagegen hoffe ich auf einige Aufmerksamkeit für die Pilztreiberei in geschlossenen Räumen, ihre Grundzüge sind gewiß auch für Denjenigen interessant, der nie Pilze zu züchten gedenkt.

Als Saat wird hier nicht mehr die Spore, sondern das bereits entwickelte Mycelium benutzt, jenes Fädengewirr, aus dem der Pilz aufschießt. Die Sporen werden in Blumentöpfe gesäet und hier unter mehrmaliger Umpflanzung soweit zur Entwickelung gebracht, bis die Topferde mit den weißen feinen Fäden ganz durchzogen erscheint. Man nennt dieses Gemisch von Erde und Mycelien Pilzbrut, die auch noch auf andere Weise herangezüchtet wird. Sie bildet schon gegenwärtig einen lebhaft begehrten Handelsartikel für private Pilzzüchterei, wie auch für natürliche Anzucht in pilzarmen Gegenden. Gössel versendet Brut von Morcheln, Lorcheln und Steinpilzen, ebenso ganze Sortimente von Pilzsporen.


  1. Mycelium, Pilzmutter, das bei der Keimung aus den Sporen zuerst sich entwickelnde Organ des Pilzes, in der Regel durch ein fadenförmiges Aussehen charakteristisch.
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verschiedene: Die Gartenlaube (1883). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1883, Seite 226. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1883)_226.jpg&oldid=- (Version vom 26.12.2023)