Verschiedene: Die Gartenlaube (1883) | |
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werden. Sie wurden dann bis in den Winter 1873 bis 1874 fortgesetzt, zu welcher Zeit die deutsche Militärverwaltung die Panzerfrage für Land- und Seebefestigungen zu Gunsten des Gruson’schen Materials endgültig entschied und die Fabrik in Buckau mit umfangreichen Aufträgen sowohl für feste Panzerstände, wie auch für Panzerdrehthürme bedachte. So vollzog sich in Deutschland in der kurzen Zeit von fünf Jahren die Lösung einer gewichtigen Frage – dank dem unermüdlichen Eifer deutscher Ingenieur- und Artillerie-Officiere, dank der großen Energie des überaus strebsamen Groß-Industriellen Herrn Commmerzienraths Gruson. –
An England, einen See-Staat mit weit ausgedehnten Küsten und vielen Hafenanlagen war schon weit früher die Frage erhöhter Sicherung der Seebefestigung herangetreten. Englands großer, die Welt beherrschender Eisenindustrie standen wohl Mittel zur Disposition, diese Frage ebenfalls schnell lösen zu können. Geschah dies auch dort? Nein. In England wollte jedes Privatetablissement die Panzerfrage für sich ausnutzen, und so wurde Zeit und Geld mit Prüfung zahlreicher, sicherlich oft ganz unbrauchbarer Vorschläge vergeudet, welche sich außerdem jede öffentliche Kritik gefallen lassen mußten, die der Sache selbst nicht dienen, sondern nur schaden konnte. Außerdem gebrach es auch an einer einheitlichen Leitung der gesammten Versuche, da die verschiedenen Branchen der Militärverwaltung selbst in ihren Ansichten stark aus einander gingen.
Erst das Jahr 1870 mit der Besorgniß, in den Krieg verwickelt zu werden, schaffte die 10 Jahre und länger ventilirte Frage aus der Welt, und wurden nunmehr mit aller Energie die Panzerungen an den schon früher in Mauerwerk begonnenen Küstenbefestigungen angebracht; erstere bestehen aus einem System von 3 fünfzölligen (englisch) Walzeisenplatten, die, 6 Zoll von einander entfernt, mit Bolzen verbunden, und deren Zwischenräume mit einem Eisenkitt ausgefüllt sind. – Hierbei sei noch bemerkt, daß die Engländer ihre Konstruktion nur mit der Hälfte der summarischen Geschoßkraft erprobten, die dem deutschen Hartgußpanzer zugemuthet wurde.
Bezüglich der Schiffspanzerung hielt man noch vor 10 Jahren einen Walzeisenpanzer von 30 Centimeter Stärke für völlig ausreichend; seitdem sind aber die Geschützcaliber der See-Artillerie bedeutend gewachsen, und wurden deshalb die Panzerplatten einzelner Schiffe bis zur doppelten Stärke gebracht. Ebenso verließ man das Walzeisen, und stellten zuerst die Engländer sogenannte „Compoundplatten“ her, welche aus einer Stahlplatte von 1/3 und aus einer Eisenplatte von 2/3 der Gesamtstärke bestehen, die beide fest auf einander geschweißt und gewalzt worden sind. – Derartige Platten werden jetzt auch in Dillingen gefertigt.
Die Franzosen dagegen glaubten durch einen reinen Stahlpanzer am besten der Gewalt der schwersten Caliber entgegentreten zu können. Italien, dessen Industrie es noch nicht gestattet, Panzermaterial im eigenen Lande zu beschaffen, steht momentan im Begriff, neuerbaute Schiffe mit solchem auszustatten, und stellte daher vor einiger Zeit Versuche mit französischen Stahl- und englischen Compoundplatten von 48 Centimeter Stärke an. Als Resultat derselben ergab sich, daß die Stahlplatten den Compoundplatten etwas überlegen, daß aber beide dem italienischen 45 Centimeter-Geschütz nicht gewachsen waren. Hierbei muß wiederum noch bemerkt werden, daß das neue deutsche Krupp’sche 30,5 Centimeter-Geschütz dem italienischen 45 Centimeter-Rohr bei weitem überlegen ist und daß ersteres auch eine Compoundplatte von 51 Centimeter Stärke glatt durchschlagen haben würde. Dem 35 Centimeter-Geschütz derselben Fabrik könnte auch eine 60 Centimeter starke Compoundplatte nicht Widerstand leisten, und die Krupp’sche 40 Centimeter-Kanone dürfte sogar im Stande sein, die ebenfalls mit 60 Zentimeter starken Compoundplatten versehene Inflexible auf 3000 Meter Entfernung zu durchbohren. –
Wohin soll das noch führen? Lieb Vaterland, magst ruhig sein; Krupp, Gruson, Dillingen, sie halten Wacht zu Drei’n!
Ein Hoch der deutschen Industrie, welche nächst der bewährten Heeresleitung es ebenfalls verstanden hat, den Respect vor der deutschen Armee, dem deutschen Volke in Wehr und Waffen, nach außen hin zu fördern! Ein Hoch den Leitern der bürgerlichen Institute, die ein den fremden Heeren gegenüber nicht nur ebenbürtiges, sondern vielfach überlegenes Kriegsmaterial zu erzeugen gewußt haben! – Mag der freundliche Leser heute einen kurzen Besuch der Fabrik von Gruson abstatten, um dieselbe hierdurch besonders zu ehren.
Wie überall da, wo deutsche Industrie schafft und wirkt, so bietet sich uns auch in der Gruson’schen Fabrik das Bild eines von kundiger Hand geleiteten complicirten Räderwerks, in dem selbst die kleinste Schraube, das winzigste Getriebe mit der dem deutschen Volke in so hohem Maße eigenthümlichen Pünktlichkeit, Ordnung und Gewissenhaftigkeit eingreifen. Und wenn auch der Anblick der vielen Rauch und Dampf ausstoßenden Schornsteine,
Verschiedene: Die Gartenlaube (1883). Leipzig: Ernst Keil, 1883, Seite 209. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1883)_209.jpg&oldid=- (Version vom 25.12.2023)