Verschiedene: Die Gartenlaube (1883) | |
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Einer Anderen schenkte er seine glühende Zuneigung, der schönen Fornarina, deren Bildniß in manchem seiner Madonnenköpfe wieder zu erkennen war. Ueber sein Verhältniß zu dieser Töpferstochter aus Urbino darf man schwerlich nach den heutigen Begriffen urtheilen. Das damalige Rom war nicht der Hort der Sittlichkeit.
Wie die meisten Künstler jener Zeit, widmete sich Raphael auch der Baukunst und hat auf diesem Gebiete Großes geleistet. Von Bramante wurde er zum Architekten der Peters-Kirche in Rom empfohlen und reichte in Folge dessen der Bauverwaltung einen Plan und ein Modell ein, die so allgemeine Bewunderung erregten, daß Raphael im Jahre 1514 zum Ober-Intendanten des gewaltigen und kunstreichen Baues ernannt wurde.
Mitten in der vollsten Blüthe seiner rastlosen Thätigkeit raffte der Tod den berühmten Künstler hinweg. Am Charfreitag des Jahres 1520 schloß er seine Augen, vor welchen die göttliche Begabung die geheimnißvolle Welt der wahren und unvergänglichen Schönheit enthüllt hatte. Zeitgenossen behaupten, daß ein unrichtig angewandter Aderlaß den Tod des erst siebenunddreißigjährigen Mannes beschleunigt oder gar verschuldet habe. – Hinter dem schwarzumflorten Katafalk, an dessen Stufen das ganze Rom trauerte, stand das letzte unvollendete Gemälde des Meisters: „Die Verklärung Christi“. Im Pantheon zu Rom ruhen seine Gebeine, und das fromme Volk glaubt bis an den heutigen Tag, daß die marmorne Madonna, welche den Altar über dem Grabgewölbe schmückt, Wunder verrichte.
Sorgfältige Forscher haben die Anzahl der Raphael’schen Werke genau feststellen wollen, und ihre Kataloge weisen die stattliche Zahl von über 1200 Nummern auf. Viele von diesen Gemälden haben im Laufe der Zeit wunderbare Schicksale erlebt. So erzählt man z. B., daß Raphael um das Jahr 1510 von den Mönchen des Olivetanerklosters S. Maria della Spasimo zu Palermo den Auftrag angenommen hatte, eine Tafel für ihren Hauptaltar zu malen. Als Gegenstand des Gemäldes wählte er die „Kreuztragung Christi“. Die ergreifende Composition wurde bald nach ihrer Vollendung nach Sicilien geschickt. Unterwegs aber ward das Schiff mit Allem, was es an Menschen und Gütern an Bord hatte von dem Meere verschlungen. Nur Raphael’s „Kreuztragung“ wurde durch einen Zufall, der einem Wunder gleichkommt, gerettet. Die aufgeregten Wogen trugen die Kiste mit dem Bilde in den Hafen von Genua, wo es die freudigste Aufnahme fand. Die biederen Genueser machten aber ihr Strandrecht geltend und verweigerten standhaft die Auslieferung des ihnen vom Glück zugetragenen Schatzes. Erst durch die beredte Vermittelung Raphael’s und das energische Einschreiten des Papstes ließen sie sich bestimmen, den Olivetanern ihr Eigenthum zurückzugeben.
Von allen Raphael’schen Gemälden ist in Deutschland die „Sixtinische Madonna“ am bekanntesten. Sie ist die letzte der Madonnen, welche der Meister gemalt hatte, und überhaupt sein vollendetstes Madonnenbild. Das 63 Quadratfuß große auf Leinwand gemalte Bild war für den Hauptaltar der „schwarzen Brüder von S. Sisto“ bestimmt, und über diesem Altare blieb es bis zum Jahre 1753, in welchem es durch Vermittelung des Malers Carlo Cesare Giovannini in Bologna für den Preis von 20,000 Ducaten für den Kurfürst Friedrich August den Zweiten von Sachsen (König von Polen) erworben wurde. Seit jener Zeit bildet es den größten Schatz der überaus reichen Gemäldesammlung in Dresden. Der fürstliche Erwerber äußerte seine Freude über die glücklich gelungene Erstehung des Meisterwerkes auf eigenthümliche Weise. Als das Bild zum ersten Male in seinem Thronsaal aufgestellt werden sollte, schob der Kurfürst eigenhändig den Thronsessel bei Seite mit den Worten: „Platz für den großen Raphael!“
Im Jahre 1826 wurde das Gemälde durch den berühmten Italiener Palmaroli restaurirt, was jedoch nach dem Urtheil einiger Sachverständigen die ursprüngliche Wirkung der Meisterschöpfung beeinträchtigt haben soll. Vortheilhafter für das Bild hat sich, wie Ernst Förster in seinem beachtenswerthen Werke „Raphael“ erzählt, eine später vorgenommene Restauration erwiesen, die den taub gewordenen Farben neues Leben gab. Nach vorsichtig angestellten Versuchen überzog man das Gemälde an der Rückseite mit neuer Leinwand und tränkte diese mit Kopaiva-Balsam, der, von rückwärts in die Farben eindringend, diesen die ursprügliche Kraft und Frische wieder verlieh.
Verschiedene: Die Gartenlaube (1883). Leipzig: Ernst Keil, 1883, Seite 192. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1883)_192.jpg&oldid=- (Version vom 25.12.2023)