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Seite:Die Gartenlaube (1883) 182.jpg

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1883)


alten Gräbern in Preußen, Schweden und in England. Im siebenzehnten Jahrhundert herrschte das Muschelgeld in Indien und auf den Philippinen, und noch heutigen Tages gilt es sowohl in Siam, als in dem breiten, Sudan genannten Gürtel, der das mittlere Afrika durchsetzt.

Auch die allmähliche Einführung der Edelmetalle als Geld ist auf die ästhetische Natur des Menschen zurückzuführen. Ihr Glanz, ihr Klang, ihre Schwere, ihre Seltenheit bestimmte sie zunachst zu Luxusgegenständen für Könige und Vornehme und zu Weihgeschenken für die Götter. Ihre Umwandlung aus einem Luxusmittel zu einem allgemeinen Tauschmittel ist eng mit der Entfaltung des Handels verknüpft. Wo ein lebhafter Handel große Werthe aus einem Lande in das andere beförderte, da richtete sich naturgemäß der Sinn der Kaufleute auf ein Zahlungsmittel, in dem man mit geringer Mühe bedeutende Beträge versenden konnte.

Den Bedürfnissen des Handels verdankt also das Edelmetallgeld seine Entstehung. In großen Handelsstädten oder Handelsstaaten hat es seinen Ursprung. Ueberall sehen wir es dem Zuge der Handelsentwickelung folgen, und bei fortschreitender Ausdehnung dieses Zweiges der menschlichen Werthschätzung vollzieht sich der naturgemäße Uebergang von dem minder edlen Metalle (Silber) zu dem edleren (Gold). Von Babylon, Phonicien, Kleinasien setzt es über das ägäische Meer nach Griechenland, dessen frühe Berührung mit der orientalischen Cultur bekannt und durch Schliemann’s Ausgrabungen in Mycenae in ein für unseren Gegenstand noch deutlicheres Licht gerückt worden ist. Allmählich erobert es auch den Wirthschaftsboden des jüngeren Volkes, das berufen sein sollte, ein politisches Band um die Mittelmeervölker zu schlingen. Im Jahre 268 v. Chr. werden die ersten Silbermünzen, sechszig Jahre später die ersten Goldmünzen in Rom geprägt.

Das Edelmetallgeld erscheint uns heutigen Tages als das natürlichste Tausch- und Zahlungsmittel. Und doch wäre man versucht, es die künstlichste zu nennen. Wenn man erwägt, daß alles Geld aus solchen Tauschmitteln hervorgeht, die einem Bedürfnisse des Menschen entgegenkommen, dann fühlt man sich veranlaßt zu fragen: Aber welches Bedürfniß befriedigt denn der Besitz an Gold und Silber? Eine ähnliche Frage scheint sich der geistvolle Daniel Defoe vorgelegt zu haben, da er den Robinson auf der einsamen Insel traurig auf einen Goldklumpen blicken läßt, aus dem er kein Feuer, keinen Rock und kein Mittagessen herstellen kann. Ein wenig Pelzgeld und ein wenig Dattelgeld hätte ihm bessere Dienste geleistet. Und in der Midas-Sage spukt etwas Aehnliches. Also welchen selbstständigen Werth hat ein Häufchen Zwanzigmarkstücke? – Doch wir wollen den Leser nicht in seinen Speculationen stören, die ihn vielleicht noch auf manche andere künstliche Zustände in unseren so natürlich erscheinenden Geld- und Creditverhältnissen führen werden.

Wilhelm Hasbach.     




Wie ich zu meiner Frau kam.

Die Eröffnung der großen Gewerbe-Ausstellung hatte mich im Beginn des Frühlings nach der Residenz geführt. Müde vom langen Stehen und Umhergehen, müder noch vom Schauen und Bewundern der zahllosen die mächtigen Culturfortschritte unserer Heimath hekundenden Wunderdinge dieser Ausstellung, kehrte ich eines Nachmittags in meine Wohnung zurück.

Von meinen Freunden hatte ich mich, eine weitere Verabredung für den Abend treffend, verabschiedet und lenkte meine Schritte nun einem der stilleren Stadtviertel zu, in welchem mein Hôtel belegen war. Je seltener die großen Bazars und Schauläden wurden, um so geringer wurde auch das pflastertretende Publicum, wenigstens der Zahl nach. Im Uebrigen erschien es mir besser, das heißt vornehmer, als in dem lauten Treiben des Centrums, weil hier die hohen ernstblickenden Häuser auch meistens von höheren Beamten, von Stabsofficieren oder reichen Privatiers bewohnt wurden.

Vor mir her ging schon eine geraume Zeit eine junge elegant gekleidete Dame, bei einer Biegung der Straße hatte ich einmal flüchtig ihr feines Profil zu sehen bekommen und mich deshalb veranlaßt gefunden, auch dem Knoten des goldblonden, sonnig schimmernden Haares mit dem dunklen englischen Hütchen darüber, sowie der ganzen zierlich graziösen Gestalt des noch sehr jugendlichen Mädchens größere Aufmerksamkeit zu schenken.

Plötzlich stockte ihr Fuß; sie wandte sich halb, zögerte noch einen Augenblick und schritt dann hastig mir entgegen, an mir vorüber und den Weg zurück, den sie eben gekommen war. Vor uns, nicht gar weit, kam ein Officier mit einer Dame am Arme daher, eifrig plaudernd und lachend; sollten die meine holde Unbekannte so erschreckt haben? Ein plötzliches Interesse regte sich in mir; ich wollte Aufschluß über ihr sonderbares Benehmen haben, machte daher schleunigst Kehrt, folgte und hielt mich dann nur wenige Schritte hinter ihr.

Da sah ich, wie sie die kleine zusammengeballte Hand heftig auf’s Herz drückte und mit Thränen in den Augen in halb traurigem, halb zornigem Ausdruck etwas vor sich hin murmelte, das meine aufgeregte Phantasie sich in die Worte ausspann:

„O du thörichtes Herz, warum bist du nicht still: weshalb stieg mir das Blut in die Wangen und zwang mich zur Umkehr, wenn ich mich nicht verrathen wollte?“

Mich rührte unbewußt dies kindliche Gebahren, und mich beschlich ein Gefühl von Eifersucht gegen jenen Officier, den ich ja unwillkürlich mit dem jungen Mädchen bereits in Verbindung gebracht hatte. Hätte ich sie nur anreden dürfen, aber das konnte ich mir nicht erlauben, gehörte sie doch unzweifelhaft den ersten Kreisen der Gesellschaft an, und nichts lag mir ferner als eine Beleidigung. Doch der Zufall war mir günstig.

Ein kleines Paket, das sie bisher getragen, entglitt ihrem Arm, ohne daß sie es bemerkte: schnell hob ich es auf und gab es mit ein paar höflichen Worten der Eigenthümerin zurück. Sie maß mich mit einem erstaunten etwas hochmüthigen Blick, als ich länger, wie wohl gerade nöthig war, vor ihr stehen blieb. Ihre großen blauen Kinderaugen schwammen noch in Thränen, das feine Gesicht war tief blaß.

„Ich danke,“ sagte sie kurz, das Paket aus meiner Hand nehmend.

So schnell ließ ich mich aber nicht abweisen.

„Sie sind nicht wohl, mein gnädiges Fräulein,“ sagte ich. „Wollen Sie nicht meine Dienste annehmen?“

Etwas in meiner Stimme, vielleicht auch meine ruhige respectvolle Haltung schien ihr Vertrauen einzuflößen. Sie sah mich mit den thränenumflorten Augen noch etwas verwundert an, sagte dann aber minder herb als vorhin:

„Sie sind sehr freundlich, mein Herr, ich möchte wohl eine Droschke haben.“

Ich verbeugte mich und, während sie an einem Blumenladen stehen blieb, eilte ich die Straße hinunter und hatte bald einen leeren Fiaker gefunden, in welchem ich triumphirend und mit einem leisen Gefühl der Erwartung, was nun geschehen werde, zu meiner kleinen Unbekannten zurückfuhr. Sie hatte inzwischen ihre Fassung wiedergewonnen, nur ihre Hand zitterte noch, als sie sich beim Einsteigen in den Wagen leicht auf meine dargebotene Rechte stützte, auch fühlte sie sich durch den Handschuh eiskalt an.

„Ihre Wohnung?“ fragte ich.

Sie nannte eine der elegantesten Straßen im Westende, und wie ich dem Kutscher die Adresse zurief, wußte ich auch, daß ich dieselbe sicher nicht vergessen würde. Ich schloß den Wagenschlag, da beugte sie ihr schönes Köpfchen in das offene Fenster und dankte mir für meine Dienste, sie sprach aber so befangen, und in der Verwirrung färbten sich die blassen Wangen mit einem zarten Roth, sodaß sie noch um Vieles reizender aussah als vorhin.

„Darf ich morgen kommen und mich nach Ihrem Befinden erkundigen?“ wagte ich zu fragen, das schien sie aber nicht erwartet zu haben; sie zögerte mit der Antwort, und das Roth ihrer Wangen verdunkelte sich.

„Hü!“ machte der Kutscher in demselben Augenblicke; der Gaul zog an, und während ich mit einer Verbeugung auf das Trottoir zurücktrat, rumpelte der Einspänner schon die Straße hinunter.

Wie im Traume schritt ich hinterdrein meinem Hôtel zu. Ich mußte mich selbst belächeln; dieser Eifer, dies Interesse für eine mir völlig unbekannte Dame – waren an mir doch im Leben schon häufig schönere, blendendere Erscheinungen vorüber gegangen als dies kindlich schüchterne Mädchen, ohne daß ich mich sonderlich um sie gekümmert hätte. Ich wurde mir selbst zum Räthsel, faßte aber den festen Entschluß, morgen Näheres über diese Straßenbekanntschaft zu ermitteln. – –

Einige Stunden später saß ich mit einer Anzahl guter Bekannter in einem der ersten Restaurants unter den Linden. Der Verkehr war lebhaft, auch Damen sah man häufig, aber nur in Begleitung von Herren, dort aus- und eingehen. In der Nähe unseres Tisches, an dem es bald lustig genug, wenn auch nicht übermaßig laut, herging, saß eine größere Gesellschaft, gleich uns heiter und lebhaft. Einige dazwischen befindliche junge niedliche Mädchengesichter fesselten mich flüchtig: unwillkürlich hatte ich mich nach einer Unbekannten umgeschaut: dann aber – ja wahrhaftig, das war er, dort neben der kleinen koketten Blondine mit dem verführerischen Stumpfnäschen und dem auffallenden weißen Filzhut – der Officier aus der Lützower Straße, derselbe, vor dem meine kleine Freundin die Flucht ergriffen hatte; denn obschon ohne jeden Anhalt und jede Begründung – da uns ja noch mehr Menschen auf jener Straße begegnet waren – konnt’ ich’s nicht lassen, den stattlichen, auffallend hübschen, aber auch unendlich blasirt und siegesgewiß blickenden Infanterielieutenant mit ihr in Verbindung zu bringen.

„Wer ist jener große blasse Officier?“ fragte ich meinen Freund Erich.

„Wo?“

Ich wies ihm die Richtung. „Der dort mit dem schwarzen Vollbart neben dem blonden Dämchen.“

„Der?“ lachte er, „der neugebackene Bräutigam, der schöne Paumwolf? Du mußt ihn kennen, dächte ich.“

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1883). Leipzig: Ernst Keil, 1883, Seite 182. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1883)_182.jpg&oldid=- (Version vom 24.12.2023)