Verschiedene: Die Gartenlaube (1883) | |
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Honigameisen.
Die Ameisenstaaten mit ihren Anklängen an unsere eigenen gesellschaftlichen Einrichtungen, ihren geordneten Zuständen, ihrer entweder friedlichen, Ackerbau oder Viehzucht begünstigenden, oder kriegerischen Verfassung, bieten ein so anziehendes und ergiebiges Forschungsgebiet, daß sie, trotz der zahllosen Arbeiten auf demselben, immer von Neuem den Beobachter fesseln und ihn mit reicher Ausbeute lohnen.
Dem vor etwa Jahresfrist veröffentlichten Buche des Londoner Banquier Sir John Lubbock über seine langjährigen, besondere die Intelligenz unserer heimischen Ameisen betreffenden Studien ist rasch ein Werk des ausgezeichneten amerikanischen Ameisenforschers Henry C. McCook (“The Honey Ants of the Garden of the Gods and the Occident Ants of the American Plains. With thirteen plates.“ Philadelphia, 1882) gefolgt, welches uns mit ganz absonderlichen Entdeckungen aus dieser kleinen Welt bekannt macht, vollauf geeignet, das allgemeinste Interesse zu erwecken.
In diesem neuen Buche handelt es sich nämlich zuvörderst um Ameisen, die gleich ihren Gevattern, den Bienen, Honig eintragen, aber ihre Vorräthe nicht, wie diese, in kleinen selbsterbauten Zellen oder Töpfen, sondern in den kugelig aufschwellenden Leibern einer auserwählten Schaar ihrer Angehörigen aufspeichern, die dadurch zu wahrhaftigen lebenden Vorrathstöpfen ihrer Gemeinden werden.
Schon im Jahre 1832 hatte ein mexicanischer Naturfreund, Dr. Pablo de Llave, in einem mexicanischen Journale Nachricht von einer Ameisenart gegeben, deren erbsengroßer, kugelrunder Hinterleib durchscheinend wie eine kleine gelbe Weinbeere sei und den köstlichsten Honig enthalte, weshalb sie bei den ländlichen Festen der Eingeborenen als beliebtes Dessert auf den Tisch komme Alles, was er aber nach den Mittheilungen einer Dorfbewohnerin unweit Mexico über diese Busileras genannten Honigameisen berichten konnte, war, daß sie in besonderen Kammern des unterirdischen Nestes einer gewöhnlichen kleinen Ameise, wie Vorrathstöpfe an den Wänden und an der Decke aufgehängt, gefunden würden und daß die Kinder und Frauen der Gegend diese Nester wohl aufzufinden wüßten, obwohl sie über der Erde durch keine Hügel bezeichnet wären.
Diese Nachrichten blieben in Europa so gut wie unbekannt, obwohl später der belgische Gesandte Baron Norman seinem Landsmanne Wesmael Exemplare der mexicanischen Ameise mit der irrthümlichen Angabe zugesandt hatte, diese Thiere sammelten wie die Bienen Honig in besonderen Behältern. um ihn im Winter zur Ernährung der Colonie zu verwenden. Die Honigameise, welcher Wesmael, ohne die Arbeit von Dr. de Llave zu kennen, den Namen Myrmecocystus mexicanus beigelegt hatte, war inzwischen zur Mythe geworden, und im Jahre 1873 berichtete Henry Edwards, ebenfalls vom Hörensagen, daß bei Santa Fe in Neu-Mexico Ameisen vorkämen, die unter der Erde ein Zellennetz ähnlich einer Bienenwabe „webten“, und die einzelnen Zellen mit Honig füllten, welchen sie ebenso wie die Bienen aus Blumen sammelten. Man sieht, alle diese ersten Nachrichten stammten aus zweiter Hand, und keiner dieser Berichterstatter hatte einen Bau der Honigameise selbst untersucht; erst im Jahre 1875 kamen ausführlichere Nachrichten von Saunders, Löw, Kummeck und anderen Beobachtern, welche die Honigameisen in der letzterwähnten Gegend, unweit der Hauptstadt von Neu-Mexico studirt hatten, wobei aber noch sehr viele Punkte völlig dunkel blieben, wie denn z. B. Saunders glaubte, daß diese Ameisen ihren Honig aus Blättern bereiteten, die er sie in Menge eintragen sah.
Unter diesen Umständen beschloß der durch eine lange Reihe von trefflichen Abhandlungen und Werken über amerikanische Ameisen bekannte Entomologe McCook, ihr Leben und Treiben genauer zu studiren, und wollte zu diesem Zwecke im Juli 1879 nach Neu-Mexico reisen. Unterwegs, bei einem Aufenthalte zu Manitou (Colorado), besuchte er den dort gelegenen „Garten der Götter“, eine pittoreske Gegend, in welcher sich auf dem engen Bezirke von kaum einer halben Quadratmeile ein Miniaturgebirge erhebt, dessen in allen Richtungen sich durchkreuzende Hügelketten auf ihren Gipfeln hervortretende Zacken
Verschiedene: Die Gartenlaube (1883). Leipzig: Ernst Keil, 1883, Seite 176. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1883)_176.jpg&oldid=- (Version vom 24.12.2023)