Verschiedene: Die Gartenlaube (1883) | |
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Die schwerste Aufsgabe für die Kinder ist aber am häufigsten der Gehorsam. In der Jugend ist man Augenblicksmensch: Rücksichten, Voraussicht, Berechnung existiren für uns in diesem Lebensalter nicht. Wenn die Kinder sich etwas vorgesetzt haben, so denken sie eben nur daran, und wenn ihnen die Ausführung ihres Vorhabens verboten wird, so empfinden sie nur das Störende in dem Verbote, welches ihrer Absicht zuwiderläuft. Einsicht und Selbstbeherrschung, welche erforderlich wären, um sie zur Aenderung ihres Planes zu bewegen, sind in diesem Alter nicht vorhanden: so ist gar kein Grund für sie zum Gehorsam da, wenn nicht äußerer Zwang oder wenigstens die Voraussicht eines solchen hizutritt. Hier ist es, wo die Heiterkeit der Mutter einzutreten hat, um den Kindern über das Unangenehme der Folgsamkeit hinwegzuhelfen. Wenn die Gedanken des Kindes von dem Vorgefaßten geschickt abgezogen und in eine neue Richtung gelenkt werden, so kommt das Unangenehme des Gehorsams ihm viel weniger zum Bewutßtsein.
Das Kind muß Gehorsam lernen. Die erste Bedingung dazu ist, daß man möglichst wenig von ihm verlangt, die zweite, daß man das Verlangte allemal durchsetzt. Wenn man zu dem Kinde fortwährend in befehlendem Tone spricht, so verdirbt man ihm die Lust zum Gehorsam, oft auch die Möglichkeit desselben. Daraus folgt dann wieder ein unaufhörliches Zanken; dadurch werden beide Theile mürrisch und verdrossen, das Kind mit der Zeit gleichgültig, schließlich störrisch. Man überlege es sich vorher, ehe man vom Kinde etwas verlangt! Dann erwäge man, ob man Gefälligkeiten beanspruchen oder dem Kinde einen Rath geben oder ihm etwas befehlen wolle! Nur im letzteren Falle ist Gehorsam zu verlangen, aber auch unter allen Umständen durchzusetzen. Bei kleineren Kindern ist ein gutes Mittel dazu das langsame Zählen: 1, 2, 3; sie werden dadurch aufmerksam und setzen voraus, daß nach 3 nöthigenfalls etwas eintreten wird, was für sie unangenehm ist. Das muß aber auch unbedingt geschehen und als letztes Mittel körperliche Strafe angewandt werden.
Wenn die Kinder wissen, daß man sich vor solcher nicht scheut, so wird man sie fast nie brauchen. Ich selbst habe sie seit Jahren kaum anzuwenden gehabt, während meine Frau zuweilen zu ihr greifen muß; eine Strafe, von ihr ertheilt, hat aber einen andern Charakter als die durch mich verhängte: sie ist milder.
Viel besser ist es, die Strafe als eine Folge der sträflichen Handlung eintreten zu lassen. Wer sein Bier aus Unachtsamkeit umschüttet, bekommt kein anderes; wer seine Schularbeit nicht rechtzeitig anfertigt, der muß sie zu einer Zeit machen, wo ihm dadurch ein Vergnügen entzogen wird; wer mit dem Anziehen zögert, muß allein zur Schule gehen, während er sonst in Gesellschaft gehen konnte u. dergl. m. Freilich hat man zuweilen nachzudenken, um eine in diesem Sinne sich gewissermaßen selbst ergebende Strafe aufzufinden, meist aber wird es nicht unmöglich sein.
Häufig genügt es, seine Ueberraschung, seine hohe Berwunderung auszusprechen, daß ein sonst folgsames Kind in dieser Weise den Gehorsam außer Acht gelassen oder die gute Sitte vernachlässigt oder Jemandem Nachtheil zugefügt oder sonstwie eine Strafe verdient habe, um es zum Nachdenken zu bringen und zu besserer Ausführung zu bewegen.
Es ist mir zweifelhaft, ob man nach einer Strafe auch allemal auf der Bitte um Vergebung und auf dem Versprechen künftiger Besserung bestehen soll – zweifelhaft deswegen, weil man, wie ich fürchte, dadurch das Kind leicht zu einer Art Scheinheiligkeit verleitet. Wenn ein Kind in allen Fällen dazu genöthigt wird, so wird es schließlich die Worte sprechen, ohne an deren Sinn zu denken, also ohne wirklich gute Vorsätze zu fassen. Nur Fremden gegenüber bestehe ich gern auf der Abbitte, weil in der Demüthigung, als welche das Kind gewöhnlich solche Bitte empfindet, die natürliche Folge des Vergehens liegt. Mir selbst gegenüber halte ich das Bewußtsein für wichtiger, daß auf eine Wiederholung des Vergehens eine gleiche oder härtere Strafe unfehlbar folgen wird.
Ganz verfehlt erscheinen mir dagegen die Versuche, das Kind durch Versprechungen zum Gehorsam zu bewegen. Dadurch wird es systematisch zur Werkheiligkeit erzogen; auf diese Weise wird es gewöhnt, nur das zu thun, wodurch ihm ein Vorteil erwächst. Und das ist noch der günstigere Fall, der dann eintritt, wenn das Versprochene hinterher auch wirklich zur That wurde. Noch schlimmer werden die Folgen dieser Erziehungsweise, wenn die Eltern sich des gegebenen Versprechens gar nicht mehr zu erinnern scheinen. Dann verliert das Kind das Vertrauen zu den Eltern und denkt nicht daran, sich durch solche Vorspiegelungen zum Gehorsam verlocken zu lassen. Dem Kinde muß die Folgsamkeit einfach als eine selbstverständliche Pflicht erscheinen.
Eltern, welche diese wenigen Regeln befolgen, werden ihre Kinder ohne große Mühe zum Gehorsam erziehen und sie in inniger Liebe an sich binden. Dr. Schildbach.
Die Eisbären. (Mit Abbildung S. 164 und 165.) Zur Naturgeschichte
des Eisbären ist schon so viel geschrieben worden, daß wir, um
den Lesern Bekanntes nicht zu wiederholen, uns im Nachfolgenden auf
die kurze Mittheilung einiger Züge aus dem Leben dieses Bewohners der
Polarwelt beschränken, einiger Züge, die zum Verständniß des unserer
heutigen Nummer beigegebenen meisterhaften Bildes von L. Beckmann
nothwendig sein dürften.
Der weiße Gevatter unseres braunen Meister Petz hat, was die Nahrungsfrage anbelangt, einen viel schwierigeren Stand, als man denken möchte. Die Thierwelt der Polargegenden ist überaus arm an Arten; man wandert im hohen Norden oft meilenweit, ohne ein lebendes Wesen zu erblicken. Die Jagd auf Landthiere ist daher für den Eisbären von untergeordneter Bedeutung; weist ihn als tüchtigen Schwimmer die Natur doch auch vornehmlich auf die Bewohner des Wassers hin. Unter diesen aber bilden Seehunde sein bevorzugtes Jagdwild. Bekanntlich sind diese Thiere äußerst klug, und ihr Fang ist daher mit vielen Schwierigkeiten verbunden. Aber der Eisbär ist, was die Schlauheit anbetrifft, ein größerer Meister als sein Opfer. Er weiß wohl, daß die Robben auf festem Boden sehr unbeholfen sind. Erblickt er daher von fern einen Seehund am Strande, so taucht er still in’s Wasser, schwimmt an denselben ruhig heran und erhebt sich plötzlich vor dem erschrockenen Thiere, welches nun rettungslos verloren ist. Die Robben pflegen auch, wie Brehm erzählt, nahe an den Löchern zu liegen, welche ihren Weg nach dem Wasser vermitteln. Der Eisbär findet nun diese Löcher, unter dem Eise schwimmend, mit außerordentlicher Sicherheit auf, und plötzlich erscheint der Kopf des gefürchteten Feindes in dem einzigen Fluchtgange der Meereshunde, durch den sie sich möglicher Weise retten könnten. Man behauptet, daß die mehr oder weniger gelbe Färbung des Eisbärenpelzes durch den häufigen Genuß des tranreichen Fleisches der Seehunde und Walrosse hervorgerufen werde.
Auch Fische sind ihm willkommene Speise, und er versteht sie mit großer Geschicklichkeit zu fangen. Nur wenn der Hunger den Eisbären plagt, dann stellt er den wenigen Landthieren der Polarzone nach und würgt namentlich den weißen Reinecke jenes Himmelsstriches ab. Bei den Vogelnestern pflegt er sich dagegen mit gewisser Vorliebe während der Brutzeit einzustellen, um die Eier als Leckerbissen zu verspeisen.
Da der Eisbär Aas ebenso gern wie frisches Fleisch verzehrt, so patrouillirt er auch den Meeresstrand ab, um nach gestrandeten Walfischen oder Seehunden zu spähen. In dieser Hinsicht weiß er auch von der Cultur Nutzen zu ziehen; denn klug, wie er ist, folgt er den Flotten der Walroßfänger und Robbenschläger, um sich bei dem zurückgelassenen Aase einzufinden. Namentlich im Winter übt er sein Strandrecht mit aller Entschiedenheit aus, da er keinen Winterschlaf hält und, um sich leichter zu ernähren, auf dem Treibeise lebt.
Unser heutiges Bild stellt ein Eisbärenpaar dar, welches soeben ein gestrandetes Walroß auffindet; wegen ihrer vorzüglichen Ausführung wird diese Zeichnung ohne Zweifel den allgemeinsten Beifall unserer Leser ernten.
Kleiner Briefkasten.
L. A. in Königsberg. „Ueber das Bühnen-Repertoire der größten deutschen Theater“ finden Sie möglichst vollständige Angaben in der Zeitschrift der „Deutschen Bühnengenossenschaft“ (Berlin), ebenso in Joseph Kürschner’s Wochenschrift „Neue Zeit“, dem officiellen Organ der Genossenschaft dramatischer Autoren und Componisten (Leipzig).
S. S. in S. Zur Beurtheilung lyrischer Producte fehlt es uns an Zeit.
Martha F. in Berlin. Der Roman befindet sich unter der Feder.
R. B. 450. Ungeeignet! Verfügen Sie gütigst über Ihr Manuscript!
Nr. 14 in Florenz. Originalberichte!
Herrn G. J. in Bukarest. Die der armen Wittwe des im vorigen Jahre verunglückten Maurers Hofmann in dem Dorfe Wind bei Pommersfelden in Baiern durch Ihre Güte bestimmten 10 Franken sind derselben überschickt worden, und wir sprechen Ihnen den Dank derselben aus.
Ein Verehrer der „Gartenlaube“ in Dresden. Wenden Sie sich mit Ihrer Anfrage gütigst an den Künstler selbst! Adresse einfach: Düsseldorf.
Marion v. M. Wiesbaden!
J. R. aus Stockholm. Fügen Sie sich geduldig in Ihr Schicksal! Es giebt leider kein Mittel dagegen.
G. Sch. in Chemnitz. Schwindel!
Frl. M. H. in Zürich und Fr. M. G. B. in Frankfurt a. M. Dank für die freundlichen Mittheilungen, die jedoch leider nicht benutzt werden können.
Verschiedene: Die Gartenlaube (1883). Leipzig: Ernst Keil, 1883, Seite 168. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1883)_168.jpg&oldid=- (Version vom 24.12.2023)