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Seite:Die Gartenlaube (1883) 167.jpg

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1883)

zu den für die Gesetzgebung maßgebenden Factoren findet, und zweitens durch directe, mit umfassendem Material belegte Petitionen an die gesetzgebenden Körperschaften, den Reichstag, respective die einzelnen Landtage.

Im Anschluß daran ergiebt sich die dritte Aufgabe, etwaige Fehlgänge und Irrthümer der öffentlichen Meinung, die ja nur allzu sehr geneigt ist, das Kind mit dem Bade auszuschütten, aufzuklären und in die richtigen Bahnen zu leiten, was durch ganz allgemein und populär gehaltene rechtsphilosophische Vorträge über das Wesen des Rechts u. dergl. m., durch historische Darlegungen unserer Rechtsentwickelung und der Ziele, auf welche sie hinaussteuert, geschehen kann, Vorträge, durch die im Einzelnen zugleich das Bewußtsein seiner staatsbürgerlichen Rechte und Pflichten gefördert und lebendig erhalten werden soll.

Es fragt sich nun noch, in welchem Punkte die öffentliche Meinung am schärfsten auf eine Reform der Justizgesetzgebung hindrängt. Im Civilrecht ist es zunächst die übermäßige Höhe der Gerichts- und Anwaltskosten, und daran schließen sich eine Abänderung im Zwangsvollstreckungs-Verfahren und die Beseitigung des Anwaltszwanges. Auf strafrechtlichem Gebiete hat die Erfüllung der alten liberalen Forderung auf Entschädigung unschuldig Verhafteter und Verurtheilter einen mächtigen Schritt nach vorwärts gethan, da der darauf bezügliche Antrag Philipps-Lenzmann am 5. December vom Reichstage einer Commission von vierzehn Mitgliedern überwiesen wurde.

Dieselbe wird ihn, wenn auch in wesentlicher Umarbeitung, zur Annahme empfehlen und der Reichstag ohne Zweifel sich in diesem Sinne aussprechen. Wenn auch der Vertreter des Bundesraths dem Antrage kühl bis an’s Herz hinan gegenüber trat, so ist doch die Zustimmung auch dieser Instanz um so weniger ausgeschlossen, als es sich hier schon längst nicht mehr um eine Forderung einer einseitigen politischen Parteirichtung handelt.

Unter allgemeiner Zustimmung sagte der Abgeordnete Reichensperger, daß dies eine der ernstesten Fragen für einen Rechtsstaat sei. Daran schloß er die Hoffnung, daß die Berufung in Strafkammersachen wieder hergestellt werde, und es ist auch wirklich zu erwarten, daß der gewaltige Druck der öffentlichen Meinung, die gern neunundneunzig resultatlose Berufungen in den Kauf nimmt, wenn nur ein Unschuldiger gerettet wird, auch diese mit der vorigen im unmittelbarsten Zusammenhange stehende Reform binnen Kurzem durchsetzen wird, trotz aller Opposition der Männer von Fach, die hauptsächlich doch nur mit dem fadenscheinigen Argumente kämpfen, daß der Richter erster Instanz besser informirt sei, als der zweiter Instanz. Der weitere Ausbau unserer Rechtsordnung erfordere ferner consequenter Weise die Heranziehung des Laienelementes zu den Strafkammern; wenn die Aussichten hier auch trüber sind, so läßt sich doch ein leiser Hoffnungsschimmer für eine Fortentwickelung in diesem Sinne erkennen.

Möge er indeß auch noch so schwach sein, der Kampf um diese Reform soll ebenso wenig aufhören, wie das Verlangen nach Abschaffung des Anklagemonopols der Staatsanwaltschaft und des Zeugnißzwanges, nach Zuweisung der politischen wie Preßvergehen an die Schwurgerichte, nach Beseitigung der Militärgerichtsbarkeit oder zum mindesten Einführung der Oeffentlichkeit des Verfahrens, wie es in Baiern gehandhabt wird, und im Anschluß daran nach einer dem allgemeinen Rechtsbewußtsein mehr als jetzt entsprechenden Regelung der Competenzconflicte, welche sich bei der Frage, ob im Einzelfalle die ordentlichen oder die Verwaltungs- respective Militärgerichte zur Aburtheilung zuständig sind, erheben. Bekanntlich stehen in letzterer Beziehung die Dinge gegenwärtig so, daß unter gewissen Verhältnissen eine absolute Rechtsverweigerung eintritt, beispielsweise, wenn ein Bürger, der einen andern beleidigt hat, sich der bei den Civilgerichten anhängig gemachten Klage einfach dadurch entzieht, daß er sich in seiner zufälligen Eigenschaft etwa als Rittmeister der Landwehrcavallerie mit dem Rückzuge hinter die für ihn allein zuständigen Militärgerichte deckt. Welche Genugthuung der Beleidigte aber zu erwarten hat, wenn er sein Recht mit einer Klage bei den Militärgerichten sucht, ist aus einer Anzahl eclatanter Fälle aus den letzten Jahren, die dem Principe der Gleichheit vor dem Gesetze direct in’s Gesicht geschlagen haben, zur Genüge ersichtlich geworden.

Doch wir betreten mit den letzten Punkten das politische Gebiet; unsere Leser wissen, wie wenig unter den gegenwärtigen Verhältnissen auf eine Erfüllung dieser Forderungen eines gesunden Liberalismus gerechnet werden kann. Trotzdem sollen sie immer und immer wieder betont werden, damit das Bewußtsein von der Nothwendigkeit ihrer Durchführung im Volke wach erhalten werde. Es liegt ja auf der Hand, daß der Verein für Rechtsschutz und Justizreform, weil seine Bestrebungen der Hauptsache nach auf liberale Forderungen hinauslaufen, auf der Gegenseite wenig Entgegenkommen zu erwarten hat. Doch dem sei wie ihm wolle – wir sind überzeugt, daß seine Thätigkeit nicht verloren ist für das Wohl unseres Volkes.

Wenn der Verein sich seiner Ausgaben und Ziele bewußt bleibt, und Presse und Publicum ihm die nothwendige Unterstützung nicht versagen, wird er dem Einzelnen Hülfe und Allen Aufklärung schaffen, wird er zur Beseitigung vorübergehender Uebelstände beitragen und durch Herbeischaffung eines sorgfältig gesichteten Materials an seinem Platze und nach seinen Kräften dazu mitwirken, daß künftig die Entwickelung unserer Gesetzgebung und dem öffentlichen Rechtsbewußtsein Hand in Hand gehe. Das ist gewiß ein hohes und schönes Ziel, des Schweißes der Edlen werth, und nach dem überaus glücklichen Anfange, den der junge Verein genommen hat, ist die Hoffnung auf sein fröhliches Leben, Blühen und Gedeihen gewiß berechtigt.Hermann Trescher.




Blätter und Blüthen.

Erklärung. Wegen unseres Artikels Ein Armenbegräbniß (Nr. 10 von 1882, „Blätter und Blüthen“) strengte die Armen-Direction zu Neustadt bei Magdeburg Klage an, und theilen wir im Nachstehenden das uns zum Abdrucke aufgegebene Urtheil mit:

„Im Namen des Königs!

In der Strafsache gegen den Redacteur Dr. phil. Theodor Christian Ernst Ziel in Leipzig wegen Beleidigung hat das königliche Schöffengericht zu Leipzig in der Sitzung vom 5. und 6. Juni 1882, an welcher Theil genommen haben: 1.) Amtsrichter Steche als Vorsitzender, 2) Parfümeriefabrikant Kunoth hier und 3) Kaufmann Sixtus in Schönefeld als Schöffen, Referendar von Einsiedel als Beamter der Staatsanwaltschaft, Referendar Menz als Gerichtsschreiber, für Recht erkannt: Es wird der Angeklagte Dr. phil. Theodor Christian Ernst Ziel in Leipzig der Beleidigung für schuldig erklärt und deshalb auf Grund von §§ 186 und 196 des R.-St.-Ges.-Buchs zu einer Geldstrafe von Zwei Hundert Mark, an deren Stelle im Uneinbringlichkeitsfalle Drei Wochen Gefängniß zu treten haben, sowie zur Bezahlung der Kosten des Verfahrens verurtheilt.

Auch wird dem Bürgermeister und Vorsitzenden der Armen-Direction zu Neustadt bei Magdeburg Bruno Schaumburg gemäß § 200 Straf-Gesetz-Buchs die Befugniß zugesprochen, den Eingang und den entscheidenden Theil des Urtheils binnen drei Wochen nach der Rechtskraft des letzteren in der in Leipzig erscheinenden Zeitschrift ‚Die Gartenlaube‘ und zwar in demselben Theile und mit derselben Schrift, wie der Abdruck der Beleidigung geschehen, auf Kosten des Angeklagten bekannt zu machen.

     (L. S.)

Von Rechts Wegen!“




Erziehung der Kinder zum Gehorsam. Zu einer Zeit, wie die unsere, in welcher so viele Klagen über die Verwilderung des heranwachsenden Geschlechts laut werden, erscheint es mir wohl geeignet, einen Wink der Erfahrung über die Erziehung der Kinder in den ersten Lebensjahren, und namentlich über die Erziehung zum Gehorsam, an die Mütter gelangen zu lassen. Es ist nirgends gefährlicher, als in der Kinderstube, erst aus eigener Erfahrung klug werden zu wollen.

Seit 29 Jahren habe ich eigene Kinder, und das jüngste derselben ist im November 1882 fünf Jahre alt geworden. Habe ich schon dadurch reiche Gelegenheit gehabt, Erfahrungen über die Erziehung in mannigfacher Weise zu sammeln, so ist dieselbe noch wesentlich vermehrt worden durch meine Stellung als Leiter der orthopädischen Heilanstalt zu Leipzig, in deren Pensionat ich immer Kinder jeden Alters überwache und dadurch Anlaß habe, die Erziehungsresultate anderer Methoden kennen zu lernen. Somit glaube ich einigen Beruf zu haben, über Erziehung mitzureden.

Der größte Segen für das Kind ist ein heiteres Gemüth der Mutter, und wenn es ihr nicht gegeben ist, so möge sie streben, es sich anzueignen. Die Kinder sind ursprünglich für Heiterkeit und Humor besonders begabt, und wenn diese beglückendsten und liebenswürdigsten Gaben sich in ihnen nicht entwickeln, so liegt es nur allzu oft an der Mutter.

Vor allen Dingen darf schlechte Laune oder Verdrießlichkeit niemals an den Kindern ausgelassen werden, auch wenn sie selbst an derselben schuld sind. In diesem Falle mag man mit Strafen so lange warten, bis die Gemüthsstimmung wieder im Gleichgewicht ist. Jeder wird mir darin beistimmen; es hat aber nicht Jeder die Macht, sich zu beherrschen. Hier hat man Veranlassung, an sich selbst zu bessern, wie ja überhaupt richtige Kindererziehung immer auch einige Selbsterziehung im Gefolge hat.

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1883). Leipzig: Ernst Keil, 1883, Seite 167. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1883)_167.jpg&oldid=- (Version vom 24.12.2023)