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Seite:Die Gartenlaube (1883) 156.jpg

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1883)

wenn wir jetzt auch Gutsherr von Buchdorf sind, vernünftig sind wir nach lange nicht.“

„Arnold, ich bitte mir jetzt ernstlich einen größeren Respect aus!“ fuhr Paul auf, der in seiner neuen Würde als Gutsherr das Unpassende dieser Predigten doppelt empfand, und da er sich der Scene bei seinem Onkel erinnerte, so nahm er gleichfalls eine vornehme Haltung an, wie dieser, und richtete einen niederschmetternden Blick auf seinen alten Vertrauten, aber da kam er bei diesem übel an.

„Blicken Sie nicht so, Herr Paul!“ sagte Arnold geringschätzig. „Sie können das dem gnädigen Onkel doch nicht nachmachen. Der blickt ganz anders; es wird Einem heiß und kalt dabei, wenn er auch kein Wort spricht, und man kann eigentlich gar nichts Anderes thun, als eine Verbeugung machen. Sie dagegen –“

„Ich verstehe das nicht, meinst Du?“ rief Paul hitzig. „Arnold, jetzt ist meine Geduld zu Ende! Ich werde in Zukunft mit Strenge darauf halten, daß Du in Deinen Schranken bleibst – merke Dir das! Und jetzt geh! Ich werde mich allein ankleiden!“

Anstatt zu gehorchen, stellte sich Arnold dicht vor seinen jungen Herrn hin und musterte dessen Anzug.

„Aergern Sie sich nicht, Herr Paul!“ sagte er wohlwollend. „Dann steigt Ihnen das Blut in das Gesicht, und dann sehen Sie gar nicht gut aus. – Warum haben Sie denn die dunkle Halsbinde genommen? Sie steht Ihnen nicht – die gnädige Frau wird das auch finden, und überdies sitzt die Schleife schief.“

Damit begann er ruhig die dunkle Halsbinde abzunehmen und durch eine helle zu ersetzen, und Paul hielt geduldig still. Der Gedanke, in Rosenberg zu mißfallen, hatte ihm einen heilsamen Schreck eingejagt.

„Meinst Du das?“ fragte er noch grollend, aber mit besorgter Miene.

„Jetzt sehen Sie einmal in den Spiegel!“ sagte Arnold triumphirend. „Die helle Seide giebt Ihrem Gesicht einen ganz anderen Schein. Ja, wenn Sie mich nicht hätten, Herr Paul!“

Paul warf einen Blick in den Spiegel und schien der gleichen Meinung zu sein; denn er nahm gehorsam die hellen Handschuhe, die Arnold ihm präsentirte. Da der letztere nun „im Ganzen“ mit der projectirten Heirath einverstanden war, so geruhte er seinem jungen Herrn auch noch Hut und Ueberzieher zu bringen und begleitete ihn sogar bis zur Treppe, wo die Beiden sich ganz freundschaftlich trennten.

Die zweistündige Fahrt nach Rosenberg kam dem jungen Manne trotz seiner Ungeduld nicht allzulang vor; denn er wiegte sich in goldenen Zukunftsträumen. Als Gutsherr von Buchdorf durfte er ohne jedes Bedenken vor die schöne Wittwe hintreten und ihre Hand erbitten. Er wußte freilich, daß er bei ihr ein altes Vorurtheil überwinden müsse, das sich an den Namen Werdenfels knüpfte, aber das war kein ernstliches Hinderniß in seinen Augen. So zurückhaltend die junge Frau ihm gegenüber auch gewesen war, ihr Blick, der so oft und so lange auf seinen Zügen weilte, sagte ihm doch, daß sie ein tieferes Interesse für ihn hegte. Paul ahnte ja nicht, daß dieser Blick in seinem Antlitz nur die Züge eines Anderen gesucht hatte, die den seinigen so sehr glichen.

In Rosenberg war inzwischen alles seinen gewohnten Gang gegangen. Frau von Hertenstein lebte nach wie vor in vollständiger Zurückgezogenheit zur großen Enttäuschung der Nachbarschaft, welche gehofft hatte, nach vollendetem Trauerjahr die schöne Wittwe wieder in ihren Cirkeln zu sehen. Da außer dem Justizrath Freising und dem Pfarrer Vilmut Niemand ihre näheren Verhältnisse kannte, so hielt man sie für reich und erwartete, sie werde früher oder später das glänzende Leben wieder aufnehmen, das sie an der Seite ihres Gatten geführt hatte. Einstweilen hatte Anna in der tiefen Trauer, die sie noch immer trug, einen hinreichenden Vorwand, alle Einladungen abzulehnen, was denn auch unbedingt geschah.

An demselben Vormittage, wo Paul Werdenfels sich auf dem Wege nach Rosenberg befand, fuhr auch der Justizrath dort vor. Er traf nur Fräulein Hofer in dem kleinen Salon an und war genöthigt, einstweilen mit ihrer Gesellschaft vorlieb zu nehmen. Die Beiden waren keine besonderen Freunde und standen gewöhnlich auf dem Kriegsfuße mit einander; das Fräulein nannte den rechtsgelehrten Herrn bisweilen einen trocknen Actenmenschen, dem jede Poesie abging, und er spottete bei jeder Gelegenheit über ihren Aberglauben. Fräulein Hofer war in der That ein echtes Kind ihrer Heimath, das trotz aller Erziehung und Aufklärung noch fest an den Sagen derselben hing. Sie machte auch kein Geheimniß daraus, und das gab Gelegenheit zu fortwährenden Plänkeleien zwischen ihr und dem Justizrath. Heute aber erschien der Letztere in einem besonders feierlichen Aufzuge; er war im Fracke, trug sehr enge Glacéhandschuhe und hatte ein sehr prachtvolles Bouquet in der Hand.

„O, die schönen Rosen!“ sagte Fräulein Hofer bewundernd. „Das ist ja eine Seltenheit in dieser Jahreszeit.“

„Frau von Hertenstein liebt die Rosen sehr,“ versetzte der Justizrath, indem er das Bouquet vorsichtig auf den Tisch legte, „ich hoffe ihr eine Freude damit zu machen.“

(Fortsetzung folgt.)




Ein Sträußchen gefällig?

Streift’ ein Sonnenstrahl, ein kecker,
Der in grüner Freiheit spielte,
Schelmisch eine alte, dunkle,
Lange, steife, würdevolle,
Weihrauchsatte Kirchensäule,
Und verdrießlich ward sie drob.

In dem Café nazionale
Saß er, saß der glaubensfeste
Hirt der Heerde von Mentana
Ungeschlacht mit breiten Beinen
Unter Kindern dieser Welt.
Von der Noth der Zeit durchdrungen,
Schlürft er stumm den caffè nero,[1]
Dann und wann ein schwarzer Schluck.
Sieh, da schlüpft es in die Kühle;
Schlank und leichtbeweglich biegsam,
Wie Lacerten um die Sitze
Windet sich die Fioraja,[2]
Unter jede Nase haltend,
Dick und dünne, schief’ und grade,
Ein verführend duftig Sträußchen,
Schäkernd, schnippisch – nun, man kennt sie.

Plötzlich stutzt sie; um die Lippen
Zuckt es lustig, und sie schleicht sich
In den Rücken des ehrwürd’gen
Braven Hirten von Mentana,
Und schon rühren seine Wangen
Blumenhauch und Mädchenathem:
„Kauft mir’s ab, Signor curato!“[3]
Zornig schielt er auf das Mädchen,
Und er hebt den endlos langen
Arm, als gält es, sich den Bösen
Kräftiglich vom Ohr zu scheuchen:
„Eh, diamine, va via!“[4]
Kichernd schlüpft die Kleine fort.

Streift’ ein Sonnenstrahl, ein kecker,
Der in grüner Freiheit spielte,
Schelmisch eine alte, dunkle,
Lange, steife, würdevolle,
Weihrauchsatte Kirchensäule,
Und verdrießlich ward sie drob.

 Victor Blüthgen.




  1. Schwarzer Kaffee.
  2. Blumenmädchen.
  3. Herr Pfarrer.
  4. Zum Henker, mach daß du fort kommst!
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1883). Leipzig: Ernst Keil, 1883, Seite 156. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1883)_156.jpg&oldid=- (Version vom 25.12.2023)