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Seite:Die Gartenlaube (1883) 143.jpg

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1883)

aufgeregten und ermüdeten Hörer athmen entzückt auf bei diesen aus dem tiefsten Herzen quellenden, erheiternden und befreienden Naturlauten. Armer Lortzing! auch ihn hat die Sturmfluth eines feindlichen Geschickes hinweggespült, wer aber hat für ihn getanzt? Mitten auf dem Balle noch verbreitet sich die frohe Nachricht, daß alle 20,000 Loose abgesetzt, und mit doppeltem Interesse werden die in einem geschmackvollen Gabentempel aufgestellten Hauptgewinne besichtigt. Ein reichhaltiges Autographenalbum namhafter Dichter und Schriftsteller, Gemälde und Handzeichnungen von berühmten Malern, wie Anton von Werner und Paul Meyerheim, die beide anwesend, von Defregger, Ludwig Knaus, Paul Thumann, Gustav Richter, Gypsabgüsse von Begas, Schaper und Siemering und eine Fülle von Büchern und anderen Artikeln – es wird viel Erfreute geben nach der Ziehung, und der Leerausgegangene ermesse: „auch seine Nieten mildern hartes Loos.“

Bei wie Vielem, was geschieht, muß die Absicht entschuldigen, wie es geschieht, selten aber ist ein warmherziger Gedanke, ein edles Gefühl so glänzend ausgeführt und verwirklicht worden, wie durch dieses Fest der Berliner Presse. Wohlthätig und wohlthuend hat es in die Ferne wie in der Nähe gewirkt, und wenn die Unglücklichen es segnen, werden es die Glücklichen zu ihren ungetrübtesten Erinnerungen zählen.

A. Traeger.     




Bilder aus Batavia.

Alle Reisenden, welche sich das an der Nordküste der schönen Tropeninsel Java gelegene Batavia als eine malerische Stadt dachten, in deren Hafen die großen Ostindienfahrer vor Anker lägen und an deren Quais ein buntes Leben und Treiben herrschte, werden etwas enttäuscht gewesen sein, wenn ihr Schiff auf einer offenen Rhede ankerte und die Stadt sich nur durch einen Leuchtthurm, einige Befestigungswerke und Regierungsgebäude ankündigte. Auch die langgezogene, mit üppiger Vegetation bedeckte Flachküste wird einem in der Phantasie entworfenen Gemälde von der Lage Batavias wenig entsprechen; die Einförmigkeit der Landschaft wird nur durch die am südlichen Horizont auftauchenden zarten Umrisse der „Blauen Berge“ etwas gemildert.

Jeder Passagierdampfer kündigt seine Ankunft durch zwei Kanonenschüsse an. Bald darauf erscheinen auf der Rhede mehrere Kähne und ein kleines Dampfboot, um Passagiere, Briefe und Frachtgüter abzuholen. Sind auf dem am Landungsplatze gelegenen Zollamt die nöthigen Formalitäten beendet, so kann der Reisende entweder die Eisenbahn oder eine der bereitstehenden Droschken benutzen, um nach einem der in den äußeren Stadttheilen gelegenen Hôtels zu fahren.

Ehe wir uns aber dorthin begeben, wollen wir einen Blick auf die Rhede werfen und der alten Stadt Batavia einen kurzen Besuch abstatten.

Batavia wurde im Jahre 1619 von den Holländern gegründet und lag damals unmittelbar am Meere; jetzt wird es vom Meere durch einen etwa 600 Meter breiten Streifen angeschwemmten Landes getrennt, welcher zu einem großen Theile durch die sehr bedeutenden und immer wachsenden Ablagerungen von Sinkstoffen aus den an jener Küste mündenden Flüssen, besonders aber durch die Wasser des Tji-Liwong (Tji d. h. Fluß) gebildet wurde. Beim Bohren artesischer Brunnen mußte man eine etwa achtzig Meter mächtige Schicht angeschwemmten Landes durchstechen, bevor man die älteren Gesteinschichten erreichte, und hat man berechnet, daß das Schwemmland seit der Niederlassung der Holländer jährlich um etwa sieben Meter gewachsen ist. Durch die vereinte Thätigkeit der Flüsse und des Meeres werden die Anschwemmungen auch gegenwärtig noch fortwährend vergrößert, wie denn die Uferbauten in Folge der fortschreitenden Versandung der Rhede immer weiter in’s Meer vorgeschoben werden mußten; so entstand der die Rhede mit der Stadt verbindende Canal. Um die Versandung desselben wenigstens zu verzögern, wurde ein Theil des Flußwassers bald nach dem Austritt des Tji-Liwong aus der Stadt in zwei besondere Betten geleitet. Diese Wasserbauten können jedoch nur für die nächste Zukunft einen ungestörten Schiffsverkehr sichern; denn in nicht allzu ferner Zeit wird die Bucht von Batavia in Folge der stetigen Anschwemmungen für Schiffe von bedeutendem Tiefgang wahrscheinlich unnahbar sein. An der Neubildung von Land haben auch die unablässig bauenden Korallenthiere einen nicht geringen Antheil, und es steht zu erwarten, daß die zahlreichen kleinen, vor der Bucht von Batavia liegenden Inseln mit der Küste von Java allmählich in feste Landverbindung treten werden.

Die Rhede von Batavia, welche von den früheren Seefahrern wegen ihrer günstigen Lage und ihrer beträchtlichen Tiefe gepriesen wurde, hat gegenwärtig eine Tiefe von höchstens fünf bis zwölf Faden, sodaß Schiffe, welche mit Ballast dort ankommen, denselben nur noch auf der Außenrhede abwerfen dürfen.

Wird der Verkehr zwischen der Stadt und den Schiffen dadurch sehr erschwert, daß die Ladung nur mit Booten gelöscht werden kann, so wird er oft durch die während der Regenzeit entstehende heftige Brandung geradezu unterbrochen, da die Boote leicht umschlagen und in den Canal nicht einlaufen können. Vor dieser Gefahr wird dann durch die auf dem Wachschiffe und auf dem Regierungsgebäude in Weltevreden, einer Vorstadt von Batavia, wehenden blauen Flaggen gewarnt.

Um nun die der Schifffahrt sich entgegenstellenden Hindernisse zu umgehen, den Verkehr zwischen den Schiffen und der Stadt von der Jahreszeit unabhängig zu machen und dem Handel Batavias einen neuen Aufschwung zu geben, hat die holländische Regierung beschlossen, östlich von der Mündung des Tji-Liwong bei Tandjong Priok einen großen künstlichen Hafen anzulegen. Die Hafenbauten haben bereits begonnen und werden wahrscheinlich bis zum Jahre 1884 beendet sein. Dieser neue Hafen, der aus einem Vor- und einem Binnenhafen besteht, ist mit Batavia durch eine beinahe acht Kilometer lange Eisenbahn mit doppeltem Schienengeleise, durch eine fünfzehn Meter breite Fahrstraße und einen Schiffscanal verbunden.

Betreten wir jetzt den Theil der alten Stadt, in welchem die Comptoire der europäischen Kaufleute und die Bureaus der Rechtsanwälte liegen, so könnten wir fast meinen, in eine holländische Stadt versetzt zu sein; denn das alte Batavia ist ganz nach dem Muster holländischer Städte erbaut. Die in geschlossenen Reihen stehenden Häuser wurden noch bis zum Jahre 1816 von holländischen Beamten und Kaufleuten bewohnt und zeigen noch heute die Spuren ihres ehemaligen Glanzes; denn nicht selten erblicken wir in denselben die kostbarsten Zimmerdecorationen, wie Stuckarbeiten und vergoldete Fensterrahmen, und in manchem sind die Hausflur und der Boden der Zimmer mit weißem Marmor belegt, der, wenn auch nur als Ballast, aus Italien eingeführt wurde.

Für ein tropisches Klima war aber die Anlage einer Stadt nach europäischem Muster ganz unzweckmäßig und das Wohnen in derselben sehr ungesund, da durch solche Bauart der Zutritt frischer Luft abgehalten wird, und so hat denn diese verkehrte Anlage von Batavia viel dazu beigetragen, daß dasselbe in Europa wegen seines ungesunden Klimas so verrufen war. Hat man doch diese Stadt oftmals wegen der großen Sterblichkeit in früherer Zeit geradezu als „das Grab der Europäer“ bezeichnet. Seitdem aber die Europäer ihre Wohnungen nach den südlich von der alten Stadt gelegenen höheren Punkten verlegten, haben sich die Gesundheitsverhältnisse wesentlich gebessert.

Wenn nämlich ein Europäer sich an eine dem tropischen Klima angepaßte Lebensweise gewöhnt, so ist er viel seltener Krankheiten ausgesetzt, als in unserem rauheren Klima; ja alle die leichteren Krankheiten, die wir Erkältungen zuschreiben, kennt man in Batavia kaum. In der ersten Zeit ihres dortigen Aufenthaltes werden freilich viele Europäer heftig vom Wechselfieber geplagt, doch treten diese Anfälle bei längerem Aufenthalte immer seltener auf, bis sie bei einer geregelten Diät gänzlich fortbleiben.

In der alten Stadt, die außer dem Stadthause, in welchem sich die Bureaux des Residenten befinden, kein einziges Gebäude von hervorragender architektonischer Schönheit aufweist, herrscht nur von früh acht Uhr bis Abends sechs Uhr ein reges Treiben; vor und nach dieser Zeit aber sind die Straßen wie ausgestorben, da dann die Europaer nach ihren schönen Landhäusern gefahren sind.

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1883). Leipzig: Ernst Keil, 1883, Seite 143. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1883)_143.jpg&oldid=- (Version vom 21.12.2023)