Zum Inhalt springen

Seite:Die Gartenlaube (1883) 120.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
verschiedene: Die Gartenlaube (1883)

Ich mußte die ganze Größe der Gefahr anerkennen; wir hatten alle Ursache, uns gegenseitig zu diesem Ausgange des Wagnisses zu gratuliren, und thaten es mit aller Herzlichkeit.

Es war dabei viel Zeit verloren worden, und uns drängte es zum Abmarsch. Auch hatte ich im finsteren Gange des Invalidendoms doch ein wenig von meiner Lust am historischen Gruseln verloren, das auf dem Concordienplatz, vor dem Obelisken von Luxor, der genau die einstige Stätte der Guillotine bedeckt, ganz am Platze gewesen wäre. Dagegen arbeitete allerdings auch eine tragikomische Scene. Von den acht Städtestatuen, welche die vier Ecken des Concordienplatzes schmücken, waren sieben noch mit festen Holzgerüsten (gegen die deutschen Bomben) umgeben, eine aber enthüllt und mit Fahnen, beflorten Kränzen aus Papierblumen und Zeitungsausschnitten mit Versen von oben bis unten ausgeputzt: es war die Statue von Straßburg. Gern hätte ich mir ein Andenken von den Herrlichkeiten mitgenommen, aber P. warnte ernstlich. „Sie sind unverbesserlich,“ meinte er. „Wollen Sie denn noch kurz vor der Abreise erwischt werden?“

Um jeder weiteren Versuchung vorzubeugen, eilten wir durch die Rue royale, wo wir wieder mit mehreren Wahlzetteln bedacht wurden, die ich dankend zu den anderen steckte, zu der Omnibusstation bei der Madeleinekirche, erstiegen sofort die Imperiale eines zur Abfahrt fertigen Wagens – und nun begann eine der schönsten Straßenfahrten der Welt, die Fahrt durch die großen Boulevards, von dem der Madeleine bis zum Bastilleplatz. Vor der Julisäule hielt der Omnibus. Wir stiegen ab, um diesem Ehrendenkmal der Freiheit einen Augenblick zu widmen. An die böse Gegenwart mahnte ein großer schwarzbeflorter Kranz, der auf einer hohen Stange an die Säule gelehnt war. Ein kurzer Gang führte uns von da über die Brücke von Austerlitz und in die Einsteige-Abtheilung des Bahnhofs von Orleans.

Es war noch eine Viertelstunde Zeit bis zur Abfahrt. Wir gingen Arm in Arm im Hof auf und ab; mir wurde es doch nun wahrhaft leid um das Scheiden.

„Wie schwer geht man von Ihrem herrlichen Paris fort, und wie gern kehrte man wieder!“ sprach ich. „Ich werde oft an Sie denken, mein theurer treuer Jules P.! Freunde feiern ihre Feste gern gemeinsam, sagen Sie mir: Wann ist Ihr Geburtstag?“

Er nannte mir Tag und Jahr.

„Was?“ rief ich hocherfreut. „Da sind Sie gerade zwanzig Jahre und einen Tag jünger als ich? Herrlich! Wir werden diese Tage stets im Geiste mit einander feiern!“

Auch P. war freudig überrascht von dem freundlichen Spiele des Zufalls und bat mich: „In das Paris des Friedens kommen Sie wieder, vielleicht in zwei Jahren, nicht wahr? Zu meinem vierzigsten Geburtstage?“

Ich versprach das Mögliche. Er erzählte dann noch viel von seinem Vater, seinem Weibe und Kinde, bis die Glocke uns trennte. „Auf Wiedersehen im Paris des Friedens!“ So schieden wir von einander.

Ich will gleich über meinen Freund weiter berichten. Als der Kampf der Commune begann, war ich in größter Besorgniß um ihn. Ich fragte in vier Briefen nach seinem Schicksal in dieser schrecklichen Zeit, aber ohne Antwort zu erhalten. Erst Anfangs Juni kam ein mit seiner Photographie beschwerter Brief von ihm, aber mit welchen Nachrichten!

Weil er sich nicht in die Reihen der Kämpfer gestellt, wie die Commune decretirt hatte, wurde er von einem Haufen des „Corps der Rächer“ am 18. Mai in seiner Wohnung überfallen und an die Wand seines eigenen Hauses gestellt, um füsilirt zu werden. Nur das Flehen seiner Frau und besonders das Jammern des Kindes rettete ihn vor dem Tode, – „des Kindes,“ setzte der überdankbare Freund hinzu, „dem Sie das Leben gerettet haben.“

Für die Deutschen giebt’s noch immer kein wahres „Paris de la paix“. Zwölf Jahre sind vergangen; wir haben uns fleißig Briefe geschrieben und unsere Feste gegenseitig gefeiert. Nun steht er in diesem Jahre vor seinem fünfzigsten Geburtstage, ich vor meinem siebenzigsten, – da ist’s mit der Hoffnung auf Wiedersehen vorüber.

Meiner Abfahrt aus Paris stand kein Hinderniß entgegen. Man prüfte dort keine Pässe, da man ja nicht an Fremde in Paris glauben konnte. In der Abfahrtshalle herrschte allgemein Besorgniß wegen der Pässe, und wirklich wurden in Vitry Viele vom Zuge ausgewiesen. Ich kam glücklich nach Orleans zurück, und die Heimfahrt von da durch das neugewonnene in’s alte Deutschland habe ich in Nr. 15 der „Gartenlaube“ von 1871 geschildert.




Blätter und Blüthen.


Elektrisch armirte Schauspieler und Tänzerinnen. Bisher war man schon vollkommen zufrieden, wenn die Primadonnen und Primaballerinen das Publicum elektrisirten, aber die Neuzeit schreitet auch darin fort: Jupiter soll den Theaterdamen seinen Blitz leihen, damit sie ihr Licht so strahlend wie möglich leuchten lassen und die „Sterne erster Größe“, die sie sonst selbst darstellen mußten, in blendender Wirklichkeit auf ihrem Haupte tragen können. In jener phantastischen Welt unserer Kinderträume, die in den Opern, Ballets und Ausstattungsstücken neu auflebt, suchten wir bisher vergeblich nach jenem Abglanz einer andern Welt, den die Poesie und Kunst ihren überirdischen und unterirdischen Mächten zuerkannt hatten; die Maschinenmeister wußten nicht, wie sie ihren Darstellern den Stern oder die Flamme über dem Haupte, den glühenden Karfunkel im Diadem, den Schein um’s Haupt oder die glühenden Augen und den feurigen Mund verleihen sollten, ohne die Schauspieler auf den ohnehin schon so feuergefährlichen Bühnen in noch größere Gefahr zu bringen. Wir haben ja in früheren Ausstattungsstücken bereits Sylphen mit gefärbten Spiritusflammen auf den Häuptern, Gnomen und Diener Lucifer’s mit von innen erleuchteten Larvenköpfen gesehen, sodaß ihnen in Wahrheit oft der „Kopf rauchte“, aber das waren recht bedenkliche Spielereien, die noch dazu eines wirklich blendenden Effectes entbehrten, und außerdem mußten die Träger jener illuminirten Köpfe ganz auf jene Beweglichkeit verzichten, welche die Dichtung solchen Wesen zuschreibt.

In neuerer Zeit ist man nun, wie gesagt, auf die Idee gekommen, für derartige blendende Effecte das elektrische Licht zu verwenden, und schon vor mehreren Jahren konnte man auf dem Pariser Châtelet-Theater Tänzerinnen mit elektrischen Sternen auf dem Haupte bewundern, die sich aber ebenfalls nur ziemlich ungeschickt bewegten, weil sie hinter sich, um die elektrische Lampe auf dem Haupte zu speisen, ein Leitungskabel nachschleifen mußten, an dem sie sozusagen gefesselt blieben. Die neueren Verbesserungen der secundären elektrischen Batterien oder Accumulatoren, über welche wir den Lesern der „Gartenlaube“ früher berichtet haben (vergl. Jahrg. 1881, S. 488), ermöglichen aber nunmehr diese brillanten Bühneneffecte in viel vollkommenerer Weise, ohne die Darsteller in ihren Bewegungen irgendwie zu hindern oder zu beschränken. Namentlich hat sich der englische Physiker Swan, der Erfinder einer Glühlampe, welche der Edison’schen sehr ähnlich ist, mit der Herstellung solcher Theaterapparate beschäftigt, und seit Kurzem bewundert man im Londoner Savoy-Theater Tänzerinnen mit Swan’schen Lampen auf dem Haupte, die natürlich ziemlich klein sind und in allen Formen und Farben gearbeitet werden können.

Da es sich meist nur um kürzere Zeiträume handelt, in denen diese Lichterscheinungen wirken sollen, so genügen zwei bis drei kleine Planté’sche Batterien im Gesammtgewicht von höchstens zwei Kilogramm, die auf dem Rücken und im Costüm der Darstellerinnen verborgen werden, um die trotz alledem sehr blendenden Lämpchen zu speisen. Diese leichten Batterien sind in festverschlossene Hartgummi-Behälter so eingefügt, daß der Inhalt durch keine Bewegung verschüttet werden kann. Ein kleiner auf dem Behälter angebrachter Commutator erlaubt, den Lichteffect im gewünschten Augenblicke hervorzurufen oder ihn für bestimmte scenische Effecte aufzusparen, sodaß die betreffenden männlichen oder weiblichen Künstler, wenn sie wollen, leuchten, blenden oder verlocken können, ganz wie Johanniswürmchen und Irrwische im Freien.




Für die Wasserbeschädigten des Rheingebietes

gingen ein: Gr. in Roßleben 3 M.; Ergebniß einer Sammlung unter den Schülern des Technikums in Buxtehude 67,45 M.; Unbekannt 5,50 M.; ein alter Leser der „Gartenlaube“ in Neukirchen 6 M.; Wenig, aber gern gegeben die letzte Mark 1 M.; Resultat eines Spielabends an sechs Tischen bei Kluckow in Lodz 214 M.; Herm. Nötzold in Hohenstein 3,50 M.; E. K. in Von der Heydt 3 M.; P. J. 6 M.; Ferd. Münde in Penig 5,05 M.; C. Ey. Erlös aus dem Verkauf eines unerbetenen Weihnachtsgeschenkes 20 M.; aus einer Kartenpartie beim Oberlehrer Barz in Riga 3 Rubel; Unbekannt 1 M.; Frau Leibinger 40 M.; Gustav Wanckel in Rouen 20 M.; von den Deutschen der Vigogne-Spinnerei in Wasquehal 60,47 M.; F. Ulbrich in Gablonz 3 Gulden ö. W.; Gothenburg 6 M.; Dorette, Dorothea und Erdmuthe 42,50 M.; Margarethe T. 2,50 M.; Expedition der „Gartenlaube“ 150 M.; The German Confectionary Comp. in Liverpool and their German Workmen 41,31 M.; H. W. Langbeck in London 10,20 M.; Sammlung im deutschen Arbeiterverein Concordia in Kopenhagen 100 M.; Buff und Bergas in Boston und deren Arbeitspersonal 109,26 M.; Sammlungen des deutschen Hülfsvereins in Chaux de Fonds durch Georg Klotz 500 u. 703,50 M.; dankbare Creuzer in Siebenbürgen 6 Gulden ö. W.; Beitrag aus Seattle, Washingt. Terr., Ver. Staaten von Nordamerika 1623 M. (Summa 3744,24 M., 3 Rubel, 9 Gulden ö. W.)



Redacteur: Dr. Ernst Ziel in Leipzig. – Verlag von Ernst Keil in Leipzig. – Druck von Alexander Wiede in Leipzig.
Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1883). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1883, Seite 120. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1883)_120.jpg&oldid=- (Version vom 17.12.2023)