Verschiedene: Die Gartenlaube (1883) | |
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bleiben, und die Prophezeiung sei dergestalt eingetroffen, daß das Erdreich von dem Gestein des Berges herabgeschwemmt wurde. –
Die Wachsenburg, die Ende des sechszehnten Jahrhunderts Wasserburg, Waßinburg genannt, ist eine Gründung des Stifts Hersfeld. Sie wurde in der ersten Hälfte des zehnten Jahrhunderts zum Schutz der umliegenden Hersfeldischen Lehngüter erbaut, und die Grafen von Schwarzburg und Kevernburg wurden mit der Burg belehnt. Von da ab finden wir die Burg in alle wichtigeren Kämpfe verwickelt, vor Allem in diejenigen, welche in Thüringen gegen Kaiser Heinrich den Fünften ausgefochten wurden, und in die Kämpfee zwischen Welfen und Hohenstauferen, in denen wir die Wachsenburg und Mühlberg auf der Seite der ersteren, Gleichen auf der Seite der letzteren erblicken.
Unter denjenigen Herren der Wachsenburg, welche ein allgemeines Interesse beanspruchen dürfen, steht Graf Meinhard der Fünfte im Vordergrunde, da er gerade in den Zeiten der thüringischen Geschichte handelnd auftritt, welche uns durch die Sage ganz besonders vertraut sind. Es war wenige Jahre nach dem Sängerkriege auf der Wartburg, als Meinhard der Fünfte vom Landgrafen Hermann auserwählt wurde, mit Walther von Bargula als Brautwerber zum König Andreas von Ungarn zu ziehen und für seinen Sohn Ludwig um die Hand von dessen Tochter Elisabeth zu werben. Dieser Herr von Wachsenburg war es also, der das vierjährige Kind, welche das Volk dereinst als heilige Elisabeth verehren sollte, seiner schicksalsreichen Zukunft entgegen in’s Thüringer Land trug; er war es auch, der die zur Jungfrau Erwachsene ein Decennium später zum Altar geleitete, als sie sich mit Ludwig, der später gleichfalls heilig gesprochen wurde, vermählte.
Nach mehrfachem Wechsel des Herrn in den folgenden Jahrhunderten finden wir die Wachsenburg mit den übrigen Gleichen in den unheilvollen Bruderkrieg verwickelt, welcher, wie ganz Thüringen, so auch die Gegend um die drei Burgen schwer heimsuchte; brannten doch eines Tages in Thüringen sechszig Ortschaften zugleich – weshalb das Jahr 1450 auch den Beinamen des „feurigen“ erhielt.
Eine der wichtigsten Episoden dieses Krieges ist aber die Belagerung und Erstürmung der Wachsenburg durch die Erfurter. Nachdem sich die beiden Brüder, Herzog Wilhelm und Kurfürst Friedrich versöhnt hatten, wurde der hauptsächlichste Urheber ihres Zwistes, der oben genannte Apel von Vitzthum, ein durch seine Rohheit und Schlechtigkeit verhaßter und vom Volke „der Brandmeister“ genannter Mensch, als Landesverräther in die Acht erklärt. Der Herzog schloß mit den Erfurtern einen Vertrag, nach welchem sich dieselben gegen Ueberlassung eines anderen Vitzthumschen Besitzes zur Eroberung des Wachsenburg verpflichteten.
Durch Hülfstruppen aus Mühlhausen und Nordhausen unterstützt, begann die Belagerung im November des Jahres 1451. Fünf Batterien, welche rings um den Berg errichtet waren, bewarfen die Burg aus den „Knarrenbüchsen“, dem Urtypus der heutigen Kanone, mit steinernen Kugeln, von denen heute noch zwei im Gemäuer des Burghofes zu sehen sind. Zugleich benutzte man die im Bergbau erfahrenen Mansfeldischen Bergleute, welche eine Mine von hundert Klaftern Länge unter die Mauern trieben und ein großes Stück derselben zum Einsturz brachten.
Bei dieser unterirdischen Arbeit soll es auch auf eine Abgrabung des Brunnens abgesehen gewesen sein, die nicht vollständig gelang. Noch heute findet man an der Ostseite des Berges Oeffnungen, aus welcher Wasser hervorsickert, was als ein Ueberbleibsel jenes Abgrabungsversuches angesehen wird. Vier Wochen lang hallten die Wälder vom Donner der Knarrenbüchsen wieder, und am 3. December wurde die Feste mit stürmender Hand genommen.
Den Erfurtern kostete die Belagerung 1250 Schock Groschen. Als aber das silberne Rad im rothen Felde, die Fahne der Erfurter, siegreich über dem Thurme der Wachsenburg flatterte und Posaunenschall die ganze Nacht hindurch den Sieg verkündete, da ahnten die Erfurter nicht, daß sie für diese Erstürmung einen noch weit höheren Preis würden zu zahlen haben, der das Schicksal und die Zukunft der Stadt für immer bestimmen sollte.
Apel Vitzthum hatte den Erfurtern Rache geschworen, und nach Verlauf von einigen Jahren ließ er durch einen Mönch aus dem Kloster Pforte die Stadt an zwölf Enden zugleich anstecken, sodaß ein Drittel Erfurts niederbrannte und ein großer Theil seines Reichthums zerstört wurde – ein Schlag, von dem es sich nie wieder erholt hat, umsomehr, als Leipzig ihm nunmehr den Rang ablief. Der Mönch wurde übrigens erwischt und mit glühenden Zangen zerrissen.
Die Burg sank nun, ihre strategische Bedeutung an andere Plätze abtretend, zum Sitze eines kurfürstlichen Amtes, was sie auch für die Zukunft blieb. Nachdem sie im Laufe des folgenden Jahrhunderts einmal schon so weit verfallen war, daß des Himmels Wolken durch das zerbröckelte Dach hineinschauten, wurde sie wieder in ordentlichen Stand gebracht und wird, gegenwärtig zum Herzogthum Gotha gehörig und auch als Staatsgefängniß verwendbar, lediglich um ihres historischen Interesses willen erhalten.
Die Burg Mühlberg ist eine der ältesten Thüringes; sie stand schon, ehe Bonifacius hier das Christenthum predigte. Im elften Jahrhundert finden wir sie im Besitz der Grafen von Orlamünde; im vierzehnten Jahrhundert wechselte sie wiederholt ihren Besitzer und diente namentlich auch dem Erzbischof von Mainz als Pfandstück, bis sie von der Stadt Erfurt gekauft wurde, welche die Edlen von Hellbach damit belehnte. Eines der Familienmitglieder deren von Hellbach war ein so toller Bursche, daß Niemand mit ihm auskommen konnte, und so beschloß die Edelfrau auf Mühlberg, ihren Nachbar, den Grafen von Gleichen, zu bitten, daß er jenen einmal wegfange und einsperre, welche Bitte auch erfüllt wurde. Da geschah es, daß in der Burg Gleichen Feuer ausbrach, wobei der junge Hellbach in seiner Zelle erstickte. Jetzt erhoben seine Anverwandten auf Mühlberg nach alter germanischer Sitte Anspruch auf einen Ersatz in Silber, und zwar an Gewicht soviel, wie der Junker gewogen. Weil jedoch der Graf von Gleichen die Silbermenge nicht beschaffen konnte – „denn“ wie ein altes diesbezügliches Lied besagt, „der verbrannte wog so schwer, das ihm gros gelt druf gange wehr“, so soll er sich zur jährlichen Lieferung eines Füllens verpflichtet haben. Ganz glatt scheint es aber nicht abgegangen zu sein, denn man beehrte sich mit damals zeitgemäßen Liebenswürdigkeiten verschiedenster Art; so schossen z. B. die Mühlberger nach Gleichen hinüber, und als Antwort schickten die auf Gleichen ihre Bediensteten vor die Burg, welche zum Hohn die Stellen, wo der Schuß aufgesessen haben könnte, mit Flederwischen reinigen mußten.
Von den Herren auf Mühlberg tritt im Weiteren Keiner in den Vordergrund, und ebenso wenig spielt die Burg noch irgend eine Rolle. Sie versinkt vielmehr immer mehr in Unbedeutendheit, bis sie endlich im Besitze der Erfurter verödet und zum Schlupfwinkel räuberischen Gesindels wird, zu dessen Vertreibung der Graf von Gleichen Seitens des Kurfürsten wiederholt den Auftrag erhält.
Obgleich unter einem Namen zusammengefasst und gekannt, unterscheiden sich die Drei Gleichen ihrer Individualität nach auf das Schärfste. Während die Wachsenburg einen höchst soliden bürgerlichen Anstrich hat, wie es auch einem ehemaligen Amtssitze geziemt, ist Mühlberg recht eigentlich das verfallenen, ringsum von Schutt erfüllte alte Raubnest. Gleichen aber hat sich, obgleich auch zerfallen, ein durchaus edles Gepräge bewahrt. Zwar erscheint es in seinem Aeußeren nicht so malerisch wie das in seinen Contouren geschlossenen Mühlberg; denn das Gemäuer zieht sich auf dem Bergrücken lang hin, auf beiden Seite von zwei hohen Resten, einem Thurme im Osten und einem Saale im Westen, flankirt. Aber seine inneren Räumlichkeiten sind überaus hell und trotz des Verfalls anmuthig anheimelnd. Wer Gleichen besucht, wird es in seinen Grundmauern hochragenden Festsaales nicht vergessen, welcher immer noch den Eindruck eines mit Oberlicht versehenen und mit reichem Pflanzenschmucke erfüllten Saales macht – ein lichter, freundlicher Aufenthalt unter dem grünen duftigen Laube zwischen den sonnenhellen ehrwürdigen Mauern. Und dann die übrigen in ihren Grundzügen erhaltenen Räume, die man halb durchschreiten, halb durchklettern muß – welch reizende Verbindung des alten Gemäuers mit dem sich allenthalben durchdrängenden, emporstrebenden Grün der Bäume und Schlingpflanzen! Von allen drei Burgen wird Gleichen unstreitig den imposantesten Eindruck hinterlassen.
Und wie noch heute das Bild der Burg ein stattliches genannt werden kann, so war auch das Geschlecht, das in der Zeit ihrer höchsten Blüthe saß, ein stattliches, durch Kriegsruhm ausgezeichnetes.
Die Zeit, in welcher die Burg erbaut wurde, ist nicht bekannt
Verschiedene: Die Gartenlaube (1883). Leipzig: Ernst Keil, 1883, Seite 94. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1883)_094.jpg&oldid=- (Version vom 11.2.2023)