Verschiedene: Die Gartenlaube (1883) | |
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in die geheimsten Werkstätten der Natur. Die einzelnen Steinkuppen ragen bald gleich unregelmäßig neben einander gestellten Basaltsäulen empor; bald ähneln sie einem aus kleineren und größeren Platten zusammengesetzten riesigen Steinpflaster. In den Fugen und Spalten desselben rinnt und murmelt es überall; allerwegen blitzen uns kleinere und größere Wasserläufe, Adern und Aederchen, die sich langsam immer tiefer graben, hell entgegen. Das ist ein geheimnißvolles Schaffen und Weben; ein flüssiges, nachgiebiges Element überwindet hier den diamantharten, schier unbezwinglich scheinenden Riesen und zerbricht ihn nach Jahrhunderte langem Ringen zu furchtbar zerklüfteten Trümmern. Eine interessante Erscheinung, welche ich bisher niemals und nirgendwo beobachtet, ist die äußerst glatte Oberfläche der blaßrosa und fleischfarbenen Felsen, die uns überall wie polirt, wie mit einer Glasur übergossen gemahnen, und namentlich an den der Luft und Witterung zumeist ausgesetzten Kanten gleich geschmolzenem Glase erscheinen. Ich hatte während der feuchten Witterung große Vorsicht zu üben und manchmal auf Händen und Füßen zu kriechen, um nicht auszugleiten und an den scharfkantigen Klippen zu zerschellen.
Einige Schritte nördlich von der Stelle, wo der Pipestone Creek sich über die Klippen hinab in sein felsiges Bette stürzt, steht innerhalb eines furchtbaren Wirrsales eine einzelne Säule aufrecht, abgetrennt von der steinernen Mauer, fünfunddreißig Fuß hoch und sieben im Durchmesser breit, polirt an den Seiten wie auf dem Gipfel. Diese sieben Fuß von dem Walle entfernte Säule, in ihrem oberen Theile fast einem altmexicanischen Idole gleichend und von den Dacotahs Jyan atachakschi, Sprungstein, auch Medicinfelsen genannt, war in früheren Zeiten der Schauplatz seltsamer Bravourstücke.
Es erforderte unbedingt außergewöhnliche Kraft und Geschicklichkeit, um von dem Rande der Klippenwand hinüber auf die kaum zweieinhalb Fuß im Quadrat haltende Oberfläche des einzeln stehenden Felsens zu springen, und noch größere, wieder auf den Wall zurück zu gelangen, da kein Anlauf genommen werden konnte.
Glückte dieses Wagstück, so war der Unternehmende hoher Ehren gewiß, und er durfte sich bis in sein hohes Alter dieser That als einer der hervorragendsten seines Lebens rühmen. Mißlang aber der Sprung, oder wußte sich der Kühne auf der glatten Fläche des Felsens nicht zu halten, so stürzte er in die Tiefe, um einen sicheren Tod auf den gräßlichen Klippen drunten zu finden. Angesichts dieser letzteren Möglichkeit war es darum bei den nach der seltsamen Ehre strebenden Kriegern Brauch, vor der Ausführung ihres Wagstückes all ihren Schmuck anzulegen, um im Falle des Mißlingens festlich geschmückt in das unbekannte Jenseits, in die glücklichen Jagdgründe, zu gehen. Gesicht und Arme prangten in bunten Farben; vom Haupte nickten die langen Adlerfedern; am Halse klirrten Bärenklauen; am Gürtel hingen die Scalpe der erschlagenen Feinde, im Köcher aber staken die schnellen Pfeile, die von dem kühnen Springer, wenn ihm das Wagniß gelungen, als Siegeszeichen in die Risse und Spalten auf der Oberfläche des Sprungsteines eingeklemmt wurden.
Auf der unserem Artikel beigegebenen Illustration (Seite 84 und 85) sehen wir links am Rande einen kleinen eingesunkenen Hügel, welcher auch auf Catlin’s Skizze, dort aber noch als wohlerhalten abgebildet ist. Er barg die Ueberreste eines ausgezeichneten jungen Kriegers, der zwei Jahre vor Catlin’s Besuche während des entscheidenden Sprunges ein jähes Ende fand. Ein wohlerhaltener Backenzahn, von einem Wolfe vor langer Zeit herausgescharrt, war die Reliquie, die ich zur Erinnerung an jenen Verunglückten mit mir nahm.
Von Interesse sind einige kolossale grobkörnige Wanderblöcke,
Verschiedene: Die Gartenlaube (1883). Leipzig: Ernst Keil, 1883, Seite 86. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1883)_086.jpg&oldid=- (Version vom 2.2.2023)